Sürenhagen.

Der Schaukasten draußen vor der Tür macht deftige Angebote. Schinkenplatte mit Essiggurke, Brot und Butter und einem Steinhäger-Schnäpschen. Für 9,80 Euro. Drinnen schummert das Licht aus gelben Lampen mit braunen Fransen auf die rustikalen Tische. Gretel und Wilhelm Becker haben Platz genommen. Sie sagen: „Menschen wie uns gibt es doch heute nicht mehr allzu viele.“ In diesem Satz schwingt viel Nostalgie mit. Aber auch ganz viel Wahrheit.

Die Beckers sind Gastwirte aus Leidenschaft. Seit 43 Jahren bieten sie Reisenden in ihrer Pension in Sürenhagen ein Dach über dem Kopf an. 43 Jahre, in denen sich vieles verändert hat. Nicht unbedingt in der Pension, dafür aber die Mentalität der Menschen.

Hier in Sürenhagen herrscht heimelige Alpenromantik. Von der Terrasse der Beckers kann man soweit gucken, bis man fest blinzeln muss, um zu erkennen, was am Horizont liegt. Der Wind der Großstadt ist hier oben nur ein Hauch.

„Die Kultur des Feierns hat sich verändert.“

Die Beckers, die hier oben auch eine Gaststätte betreiben, blicken zurück: „Das laufende Geschäft ist, wie in vielen Branchen, zurückgegangen“, sagt Gretel Becker. Und ihr Mann weiß: „Die Kultur des Feierns hat sich verändert.“ Die heutige Jugend gehe erst um 22 Uhr abends los und dann wohl eher in Diskotheken als in die urige Kneipe im Dorf. Der geografische Faktor, die Abgeschiedenheit Sürenhagens, fällt da schon gar nicht mehr so stark ins Gewicht.

Die Gaststätte Piepenstock ein Örtchen weiter unten, in Hundsdiek, ist mittlerweile Geschichte. Neben dem urigen Pfeifenraucher-Konterfei auf der Häuserwand hängt ein großes Plakat: „Dieses Lokal ist geschlossen.“ Aller Voraussicht nach wird es das auch bleiben.

In Pensionen ticken die Uhren noch anders als in der schnelllebigen Großstadt-Gastronomie. Unkompliziertheit und prompter Service sind gefragt: Wer am Mittag oder abends Hunger bekommt, wird von Familie Becker zum Beispiel persönlich bekocht. Frühstück gibt es auf Wunsch zur Übernachtung hinzu. Zu etwa 60 oder 70 Prozent sei die Pension im Jahr ausgelastet.

Ein zusätzlicher Ruhetag

Wilhelm und Gretel Becker gehören zu jener Generation, denen das gute Gespräch zum Frühstück, ein mütterlicher Tipp oder ein aufmunterndes Wort noch wichtiger sind als Flatscreen-TVs, Minibars oder drahtloses Internet. Hier wird die Welt nicht neu erfunden. Das gute Alte wird bewahrt. Das ist etwas, worauf die Beckers besonderen Wert legen.

Hagens Pensionen sind in älteren Händen. Ihre Betreiber entstammen größtenteils einer Generation, in der der Faktor Mensch bei der Übernachtung noch viel wichtiger war als heute. Das zeigt der Blick in die erste Etage: Die Zimmer in der Pension der Beckers bieten einen Grund-Standard. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ab dem 1. November haben die Beckers mittwochs einen zusätzlichen Ruhetag. „Sonst ändert sich aber nichts“, sagt Gretel Becker.

Das Touristik-Unternehmen „HRS“ hat unterdessen an der Preisschraube gedreht und verlangt künftig mehr Provision von den kleinen Gasthöfen.