Hagen. . Seit der tödlichen Messerattacke im Jobcenter Neuss wächst auch in Hagen die Angst. Mitarbeiter werden häufiger beleidigt und bedroht. Anfang dieser Woche ist einer der Kunden in ein Büro marschiert, als ein Mitarbeiter telefonierte. Er hat den Schreibtisch umrundet und auf die Gabel gedrückt. Die Stimmung unter den Kunden wird aggressiver.

Heute ist der Tag, an dem die Mitarbeiter des Jobcenters einen Betriebsausflug machen wollten. Heute ist aber auch der Tag, an dem die Kollegin, die in Neuss vor neun Tagen durch drei Messerstiche eines 52-Jährigen in ihrem Büro getötet wurde, beigesetzt wird. Auch deshalb ist heute der Tag, für den der Personalrat zu einer Betriebsversammlung eingeladen hat. Es geht um das Thema Sicherheit im Jobcenter Hagen. Keinem der 276 Mitarbeiter ist nach einer fröhlichen Tour zumute.

Neuss wirkt nach. Auch im Jobcenter Hagen. „Die Stimmung ist aggressiver“, sagt Personalrätin Karin Müller-Sieg, „Beleidigungen und Bedrohungen nehmen zu. Und immer wieder kommt es vor, dass Kunden auf Neuss verweisen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.“

Mitarbeiter hätten Angst, wenn sie über einen vollen Flur gehen. „Die Hemmschwelle sinkt“, sagt Karin Müller-Sieg. Am Montag ist einer der Kunden in ein Büro marschiert, als ein Mitarbeiter telefonierte. Er hat den Schreibtisch umrundet und auf die Gabel gedrückt. „Da ist eine Grenze überschritten. Ich bin seit eineinhalb Jahren Personalratsvorsitzende. Aber so eine Stimmung habe ich noch nicht erlebt.“

Die Mitarbeiter – insbesondere die 186 Frauen, die beim Jobcenter arbeiten – sind verängstigt. Das räumt auch Geschäftsführerin Eva-Maria Kaus-Köster ein. „Dabei ist es wichtig, unsere Kunden nicht zu stigmatisieren“, sagt sie, „wir haben unzählige ruhige, sachliche Kundengespräche. Unsere Mitarbeiter sind in Beratungskompetenz und Deeskalation geschult. Aber es gibt auch Kunden, die mit Konflikten nicht umgehen können.“ In Neuss habe es sich um eine geplante Tat gehandelt. Im Jobcenter Hagen spricht sie von „Impulsdurchbrüchen einzelner Kunden. Es bleibt das Restrisiko ,Mensch’, das wir nicht ausschließen können.“

Ausschließen nicht – wohl aber minimieren. Darin sind sich Personalrat und Geschäftsführung einig. Deshalb hat Eva-Maria Kaus-Köster den Ausschuss für Arbeitssicherheit zusammengerufen. „Dazu wollen wir uns externen Sachverstand holen“, so die Geschäftsführerin. Gleichzeitig kündigt sie an, Kontakt zu Polizei und Staatsanwaltschaft zu suchen, um auszuloten, welche Vorkommnisse künftig zur Anzeige gebracht werden.

Personalrat fordert Sofortmaßnahmen 

Sofortmaßnahmen fordert indes Personalrätin Karin Müller-Sieg. „Das Sicherheitspersonal aufzustocken wäre ein sichtbares Zeichen. Zumindest so lange, bis die Ergebnisse des Arbeitssicherheitsausschusses greifen.“

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Für mehr Anerkennung der Arbeit, die im Jobcenter geleistet wird, wirbt Eva-Maria Kaus-Köster. „Ein Achtel der Hagener Bevölkerung wird von uns betreut. Damit tragen wir erheblich zum sozialen Frieden in der Stadt bei“, so die Geschäftsführerin, „die Menschen, die zu uns kommen, befinden sich oft in einer extremen Lebenssituation. Sie haben Angst um ihre Existenz. Unseren Mitarbeitern bleibt nicht anderes übrig, als nach Gesetzeslage zu entscheiden. Das ist keine einfache Situation.“