Hagen/Siegen. . Eine Beraterfirma prophezeit den deutschen Autozulieferern eine durch wachsenden Preisdruck erzwungene, neue Sparwelle. Branchenkenner aus Südwestfalen reagieren gelassen: Rabattforderungen der Autobauer seien nichts Neues und zählten zum Tagesgeschäft, heißt es. Und: „Eine fünfte Revolution in der Autoproduktion steht damit nicht bevor.“

Die Prognose aus Hamburg verheißt nichts Gutes für die Autozulieferer-Hochburg Südwestfalen. „Die gesamte Zulieferkette steht vor einer erheblichen Belastungsprobe. Der Branche wird nichts anderes übrig bleiben, als erneut zum Rotstift zu greifen“, zitiert die Unternehmensberatung Lischke Consulting ihren Auto-Experten Alexander Woelke. Begründung: Die vermehrten Allianzen der Autokonzerne verstärkten den Preisdruck auf die Lieferanten. Durch jährliche Zwangsrabatte von bis zu fünf Prozent drohten ihnen über einen Modellzyklus Einnahmeausfälle von 20 bis 30 Prozent, schreiben die Berater und berufen sich dabei auf „Marktbeobachtungen“ und „Erfahrungen von Lieferanten“.

Klingt bedrohlich. Was aber ist dran am sicher nicht ganz uneigennützigen Szenario der Kostensenkungs-Experten aus der Hansestadt? Wir hörten uns um im südwestfälischen Zulieferland - und trafen auf Gelassenheit. „Der Preisdruck gehört in der Branche zum Alltagsgeschäft. Und Kooperationen sind in der Autoindustrie schon seit Jahren üblich“, weiß Dirk Hackenberg, Fachbereichsleiter Standortpolitik und Innovation bei der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK). Gleiches gelte für die sogenannten „Savings“, die alljährlich eingeforderten Nachlässe auf unveränderte Produkte. Hackenberg: „Dem kann ich mich als Zulieferer aber dadurch etwas entziehen, dass ich mit Weiterentwicklungen oder Innovationen punkte. Dann spreche ich über ein anderes Produkt.“

Preisverhandlungen sind nie ein Zuckerschlecken

Theodor L. Tutmann ist Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung mit Zweigsitz in Hagen und damit Interessenvertreter für 5000 mittelständische Zulieferbetriebe. „Jährliche Regelrabatte von 3 bis 5 Prozent“ sind ihm ebenso geläufig, wie die branchenübliche Praxis, die Vergabe von Neuaufträgen an pauschale Preisnachlässe auf laufende Aufträge zu koppeln. Für Tutmann „ein Dauerthema und nichts Neues“. „Der Druck wird höher“ - das gelte unverändert. „Die fünfte Revolution in der Automobilproduktion steht aber nicht bevor.“

Das glaubt auch Franz-Josef Mockenhaupt nicht. „Ein Zuckerschlecken“ seien die Preisverhandlungen in der Branche nie gewesen, sagt der Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen. Die Zulieferer hätten längst daraus gelernt und sich ein Stück unentbehrlicher gemacht. „Viele sind heute sehr weit in den Entwicklungsprozess eingebunden“, weiß Mockenhaupt. Dieses Know-how schaffe eine Barriere, „die den Kostendrückern den Schneid abkauft“. Auch Hackenberg betont, die Autobauer seien auf die Zulieferer angewiesen. Bei 70 bis 80 Prozent liege ihr Anteil an der Wertschöpfung in der Autofertigung. Fazit: „Ohne Zulieferer könnte man keine Autos bauen.“

Billiglohn-Konkurrenz aus Osteuropa - „eine Mär von gestern“

Logisch. Aber was ist mit der Billiglohn-Konkurrenz aus Osteuropa und Fernost, die Lischke Consulting ins Feld führt? Nach Mockenhaupts Worten „eine Mär von gestern“: „Die Lohnkosten brechen unseren Firmen nicht mehr das Genick.“ An große Sparpotenziale in der Branche, die die Berater vor allem in den Nicht-Produktionsbereichen ausgemacht haben wollen, glaubt der Kammer-Chef auch nicht. „Unsere Zulieferer sind inzwischen so schlank, schlanker geht’s gar nicht mehr.“

Allerdings bekommt die Branche mittlerweile auch die Konjunkturabkühlung zu spüren. Produktion, Auftragseingang und Inlandsumsatz der Stahl- und Metallverarbeiter waren zur Jahresmitte leicht rückläufig; die Absatzaussichten trüben sich ein. Einerseits.

Andererseits ist der Automarkt so gespalten wie nie zuvor. Massenmarkt-Hersteller wie Opel, PSA (Peugeot/Citroen) oder Fiat müssen infolge der Krise in Südeuropa teils massive Absatzeinbrüche verkraften. Audi, Mercedes, BMW & Co. profitieren dagegen weiter mit Rekordzahlen von der großen Nachfrage auf den globalen Wachstumsmärkten. Eine Diskrepanz, die sich auch bei den Lieferanten zeigen dürfte. SIHK-Mann Hackenberg: „In unserer letzten Umfrage waren die Zulieferer noch ganz zufrieden, was sicher daran liegt, dass viele für die Premiumhersteller arbeiten.“