Hagen-Haspe. . Am 5. Juni 1947 unterzeichneten der Betriebsratsvorsitzende und spätere KPD-Bundestagsabgeordnete Paul Harig und sein sozialdemokratischer Stellvertreter Wilhelm Gogarten auf der einen sowie die Klöckner-Vorstände Skrentny, Rohde und Götzke auf der anderen Seite ein Maßstäbe setzendes Papier.
Das war die Geburtsstunde für alle betrieblichen Mitbestimmungsprojekte der Nachkriegszeit: Am 5. Juni 1947 unterzeichneten der Betriebsratsvorsitzende und spätere KPD-Bundestagsabgeordnete Paul Harig und sein sozialdemokratischer Stellvertreter Wilhelm Gogarten auf der einen sowie die Klöckner-Vorstände Skrentny, Rohde und Götzke auf der anderen Seite des Tisches ein Maßstäbe setzendes Papier: Unter dem schlichten Begriff „Betriebsvereinbarung“ verbarg sich ein für damalige Verhältnisse unvorstellbares Maß an Mitarbeiterbeteiligung an den Geschehnissen im Betrieb.
Der inzwischen 79-jährige Hasper Wolfgang Wegener, Zeitzeuge und Gewerkschafter, beendete sein durch und durch politisches Arbeitnehmerleben nach Stationen als Jugendvertreter, Betriebsrat und Ortsverwaltungsmitglied als Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Hagen von 1989 bis 1996. Zuvor war er „auf der Hütte“, war Beschäftigter und Lohnempfänger der Klöckner Werke, arbeitete aber hauptamtlich für die Gewerkschaft.
Ein Büro für die IG Metall
Die Gewerkschaftsmitgliedschaft war bei Klöckner obligatorisch. Der Einstellung eines Kollegen, einer Kollegin ohne Gewerkschaftsmitgliedschaft hätte der 21-köpfige Betriebsrat niemals zugestimmt. Trick-reich hatten Paul Harig und Wilhelm Gogarten dafür gesorgt, dass die Abführung des Gewerkschaftsbeitrages gleich im Lohnbüro bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung miterledigt wurde. Durch einen von der Gewerkschaft empfohlenen Mitarbeiter.
Festakt im Rathaus
Anlässlich des Jubiläums der Vereinbarung findet heute um 18 Uhr im Ratssaal eine Feier statt.
Grußworte sprechen OB Jörg Dehm, Jochen Marquardt (DGB) und Werner Sülberg vom Märkischen Arbeitgeberverband.
Ein Vortrag von Prof. Dr. Bontrup und eine Talkrunde schließen sich an.
Schnell wuchs dessen Zuständigkeit, die Betreuung des IG-Metall-Vertrauensleutekörpers kam dazu, Rat suchende Kollegen belagerten seinen Schreibtisch. Bald bekam die IG Metall ein Büro im so genannten „Weißen Haus“ zugewiesen, dem Personalbürokomplex am Ende der durchs Werk verlaufenden Vollbrinkstraße.
„Zum Stephansplatz hin hatte das Büro ein Fenster auf die Straße – da konnten wir ungestört mit Leuten sprechen, die nicht eigens ins Werk kommen mussten.“ Wolfgang Wegener erinnert sich daran sehr gut, denn über 20 Jahre lang saß er selbst in diesem Büro an eben diesem Fenster.
Langes Praktikum im Walzwerk Kückelhaus
Wegener jun. lernte Maschinenschlosser beim Chemie-Anlagenbauer Uhde am Spiecker, machte dann 1954 im Walzwerk in Kückelhausen ein langes Praktikum, lernte Kollegen kennen und bewies seine Qualitäten. Dann sorgte der Betriebsrat für seine Festanstellung, die IG Metall für seine Verwendung. Wolfgang Wegener leitete das Gewerkschaftsbüro im Weißen Haus bis 1972, also bis zum Ende des Hüttenwerkes. Der Personalleiter war sein Vorgesetzter.
Die segensreiche Wirkung der Betriebsvereinbarung hat Wegener also selbst erlebt: „Dass die Werksleitung das mitgemacht hat, war der Tatsache geschuldet, dass anders als mit uns dieses 8000-Mann-Werk in all den Produktionsstätten auf 6,5 Kilometer zwischen Kückelhausen und Westerbauer nicht zu führen gewesen wäre.“
Gewerkschaft hatte ihre Fühler überall
Die Gewerkschaft hatte ihre Fühler überall, „bis in den letzten Umkleidespind.“ Die Vertrauensleute wussten, wie die Kollegen „ticken“, was ihnen zuzumuten war und was eben nicht. Wegener: „Wir nahmen der Leitung zum Beispiel die werksinterne Kommunikation komplett ab.“ In die Hüttenhalle, in der auch der DGB Nordrhein-Westfalen gegründet wurde, passten allenfalls 800 Menschen. Dass alle 8000, Arbeiter wie Angestellte, zeitgleich alles wussten, das schaffte nur die Gewerkschaft.
Da die Hasper Hütte als erstes und lange Zeit als einziges Stahlwerk im Land mit Genehmigung der britischen Militärregierung seinen Betrieb schon 1945 aufnehmen durfte, konnten die anderen Werke später die Hasper Erfindungen kopieren. Walzwerk und Hochöfen waren trotz vieler Fliegerangriffe auf Hagen unzerstört geblieben.
„Wir haben auf diesem Klavier gespielt“, sagt Wegener heute und meint damit die Kontakte über die Gewerkschaft in alle Hüttenwerke des Landes – ob Henrichshütte, Stahlwerk Südwestfalen, Phoenix in Dortmund, „wir wussten über alle wirtschaftlichen Situationen schneller Bescheid als die Landesregierung. Wenn wir mit den Kollegen aus den übrigen Werken zusammensaßen, waren das keine Märchenstunden.“
Talkrunde im Rathaus
Der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg der Industrie prägte die Städte und damit das ganze Land, „wir saßen ganz vorn an den Informationsquellen.“
Am heutigen Dienstag wird in einer Feierstunde im Ratssaal an der Volme der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung vor genau 65 Jahren gedacht. Wolfgang Wegener ist natürlich dabei und spricht mit Wirtschafts- und Gewerkschaftsführern sowie Wissenschaftlern unter der Moderation von Hagens DGB-Chef Jochen Marquardt über die Anfänge der Mitbestimmung. Für den Herbst plant Wegener eine Busrundfahrt zu den Stätten der Arbeit, von denen heute kaum noch etwas zu sehen ist.