Hagen.

Als Harald Kaerger, der acht Jahre lang die Geschäfte der Hagener Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft (HGW) führte, Ende Februar in den Ruhestand trat, versüßte sich der Sozialdemokrat höchstselbst den beruflichen Ausklang mit einer Abschiedsfeier.

Den Protagonisten der HGW wurde damit nachträglich ein faules Ei ins Nest gelegt. Denn die Kosten der Party, die im Karl-Ernst-Osthaus-Museum stieg, dürften manchem Mieter die Tränen in die Augen treiben: Rund 35.000 Euro kostete die Wohnungsgesellschaft die Sause. Feuerwehrchef Horst Wisotzki hatte zu Jahresbeginn seinen Abschied noch aus eigener Tasche beglichen.

Als Organisatoren der opulenten Kaerger-Festivität wurden vorwiegend langjährige Geschäftspartner engagiert. Allein 11.000 Euro stellte eine Textagentur in Rechnung, die u.a. den Rednern die Lobeshymnen auf den scheidenden Geschäftsführer mundgerecht auf Papier lieferte.

Büfett vom Edel-Italiener

Im Museum wurde am 27. Februar, einem besucherfreien Montag, alles geboten, was gut und teuer ist: Büfett und Weine kamen vom Edel-Italiener Enotria, der sich hierfür mit etwa 8000 Euro entlohnen ließ. Den Gästen sollte es bei dem Mahl – an dem der Chronist, der für diese Zeitung über die Verabschiedung berichtete, nicht teilnahm – an nichts fehlen: Es wurden Schokoladen-Pralinen mit Gänsestopfleberfüllung oder Mousse vom Thunfisch und Olivenpaté gereicht. Eine pompöse, farbig illuminierte Sektbar rundete das kulinarische Büfett ab.

Der scheidende Chef der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft, dem als emsigen Pilgerer auf dem Jakobsweg Demut und Bescheidenheit eigentlich keine Fremdworte sein dürften, ließ auch kulturell keine Wünsche offen – und griff tief in die Spesenkasse. Über eine Agentur wurde der an der Oper Köln fest engagierte aus­tralische Tenor John Heuzenroeder gebucht.

Mit Pianist Christian Nagel gönnte man sich einen Künstler, der ebenfalls nicht dem musischen Niedrigpreissegment zuzuordnen ist. Dass das Museum für die Party eigens geöffnet werden musste, hatte Extrakosten zur Folge, unter anderem für den Wachdienst, der ein Auge auf die teuren Gemälde hielt. Diese durften die Gäste bei Museumsführungen bewundern. Die Kosten für das Museum sind nach Informationen unserer Zeitung nicht in den 35.000 Euro enthalten, sollen aber unter 1000 Euro, ein Freundschaftspreis, gelegen haben. Dafür musste für teures Geld die fehlende Möblierung beschafft werden.

Agenturen formulierten Lobreden für HGW-Abschied

Die aufwendig modellierten Einladungskarten und Dankeschönschreiben, auf denen das Gesellschaftskürzel ha.ge.we zu harald.geht.weg verballhornt worden war, schlugen ebenfalls erheblich im Budget zu Buche.

Die 200 geladenen Gäste durften es sich gut gehen lassen. Und mittendrin: Abschiedskind Harald Kaerger, das sich von den Laudatoren – darunter Oberbürgermeister Dehm, dessen Vorvorgänger Wilfried Horn, HGW-Aufsichtsrats­chef Timo Schisanowski und Betriebsratsvorsitzender Jörg Schledorn – in den höchsten Tönen Anerkennung zollen ließ. Freilich mussten sie die vorgefertigten Lobreden nur ablesen, hatte der scheidende Geschäftsführer die Texte zuvor von der Agentur „Die Schreibweisen“, die u.a. als Texter von Wirtschaftsgrößen wie Aral, Gelsenwasser, oder RWE agieren, gegen Entgelt, schreiben lassen.

Kaerger selbst nimmt indes die Feier im Museum am 27. Februar nicht als monothematisches Ereignis wahr: „Die Veranstaltung war ein Dreiklang.“ Das Fest habe neben seiner Verabschiedung auch zur Imagepflege der HGW sowie zur Einführung seines Nachfolgers Marco Boksteen gedient. Eine Wahrnehmung, die Kaerger exklusiv haben dürfte.

Dass die Einladungskarten unter der Überschrift „harald.geht.weg“ standen und die Gäste im Innenteil der Karte im Namen des Aufsichtsratsvorsitzenden zur „Abschiedsfeier für Harald Kaerger“ eingeladen wurden, deute indessen an, räumt Kaerger ein, dass „der Hauptakzent sicherlich auf meinem Abschied lag“. Die Kostenexplosion könne er sich nicht erklären. „Das bekümmert mich.“ Die Organisation sei stets in Absprache mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Timo Schisanowski, gefallen.

Unverständnis und Entsetzen im Aufsichtsrat

Der Beschluss, Kaerger mit einer würdigen Feier zu verabschieden, sei im elfköpfigen Aufsichtsrat einstimmig gefallen, bestätigt Schisanowski. An der Sitzung habe Kaerger teilgenommen: „Wir haben ihn während der Abstimmung hinaus- und dann später wieder hereingebeten, um ihm das Ergebnis mitzuteilen.“ Kaerger habe die Feier in seiner Funktion als Geschäftsführer als operativ Verantwortlicher allerdings selbst organisiert. „Eine Absprache mit mir oder anderen Mitgliedern des Aufsichtsrats gab es allenfalls beim allgemeinen Programmablauf, nicht aber bei der Buchung der Künstler oder der Zusammenstellung des Büfetts.“

Von Anfang an sei zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung vereinbart und kommuniziert worden, dass es sich um eine „angemessene und damit kostenbewusste Veranstaltungsform“ handeln solle. Über das Verhalten Kaergers herrscht im Aufsichtsrat nach Informationen dieser Zeitung eine Mischung aus Unverständnis und Entsetzen. Eine Sondersitzung des Gremiums ist in Vorbereitung.

Feuerwehr-Chef zahlte selbst

Den meisten Beteiligten ist die Angelegenheit hochgradig peinlich, zumal sie Kaerger, der die HGW mit ihren 5200 Wohnungen seit 2004 führte und früher u.a. Leiter des städtischen Rechtsamtes war, seit langem kennen. Kaerger-Nachfolger Marco Boksteen wollte keine Stellung zu der Affäre beziehen.

Dass man auch anders aus einem öffentlichen Amt scheiden kann, hatte der ehemalige Hagener Feuerwehrchef Horst Wisotzki bewiesen. Er berappte die 18.000 Euro für seine Abschiedsfeier in der Stadthalle mit 400 Wegbegleitern aus eigener Tasche. „Wie käme ich darauf, mir so etwas bezahlen zu lassen“, sagte Wisotzki. „Ich möchte in Zukunft ein ruhiges Gewissen haben.“