Hagen..

Als Ende November in ihrer kleinen Wohnung in der Franzstraße plötzlich die Lampen ausgingen, tat Marlies Korte (72) das, was die alte Dame immer bei Problemchen dieser Art tut. Sie griff zum Hörer und rief ihre Nichte in Oberhausen an. Die riet ihr, die Sicherung wieder einzuschalten - doch die war gar nicht rausgesprungen.

Als das Licht und damit der Strom nach zehn Minuten wie von Geisterhand wieder zurückkehrten, war der alten Dame klar: In ihrem Refugium, das sie seit ihrer Geburt vor 72 Jahren bewohnt, stimmt etwas nicht.

Dieser Meinung schlossen sich dann auch die Experten der Hagener Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft (ha.ge.we) an. Denn die Wohnung von Marlies Korte im Haus an der Franzstraße 111 ist im Lauf der Jahrzehnte eigentlich nie richtig saniert worden. Neue Stromleitungen müssten verlegt werden, in den Wänden und hinter den Holzpaneelen könnten Probleme mit den uralten Kabeln aufgetreten sein. Gefährlich sei der Zustand nicht, aber man könne ja nicht wissen...

Verlegung der Kabel sollte kein Problem sein

Während diese Aussage die alte Dame nachts kaum noch schlafen ließ, beruhigte sie die „Expertenmeinung“, dass die Verlegung der neuen Kabel in den alten Leerrohren kein großes Problem sein dürfte. Die Holzverkleidungen müssten allerdings abgerissen, die Möbel weggeschoben werden.

Harld Kaerger, Geschäftsführer ha.ge.we.
Harld Kaerger, Geschäftsführer ha.ge.we. © ha.ge.we. | ha.ge.we.





Wieder griff Marlies Korte zum Telefon und bat ihre einzige Verwandte um Hilfe. „Ich bin nach Hagen gekommen und wir haben reichlich abgerissen und umgeräumt“, erzählt Dagmar Gerlach. Eigentlich waren sich die beiden Damen sicher, dass das Schlimmste jetzt überstanden war - es sollte aber erst noch kommen. Und zwar in Person der Elektriker, die am Montag ihre Arbeit aufnahmen. „Von wegen Leerrohre. Wände wurden aufgestemmt, Leitungen herausgerissen, es war teilweise ohrenbetäubend und es gab jede Menge Dreck,“ so Dagmar Gerlach, die sich Dienstag mit eigenen Augen überzeugte. „Und mitten drin saß meine Tante im Staub, ohne warmes Wasser und ohne Strom.“

Ihre Versuche, mit der HGW nach einer vernünftigen Lösung für die alte Dame zu suchen seien immer wieder gescheitert. „Um uns hat sich niemand richtig gekümmert. Auch unser Vorschlag, vorübergehend in die gegenüberliegende leerstehende Wohnung zu ziehen, wurde mehrfach abgelehnt.“ Gestern packte sie ihre Tante schließlich ins Auto und nahm sie mit in ihr Haus nach Oberhausen.

Für HGW-Geschäftsführer Harald Kaerger eine bedauerliche Entwicklung, die aber keinesfalls seinem Unternehmen anzulasten sei. „Ich glaube, dass sich weder Frau Korte noch Frau Gerlach der Dimension bewusst waren, die da mit den Arbeiten auf sie zukommen. Wir haben immer den Kontakt gesucht und auch eine andere Wohnung in der Franzstraße angeboten. Das wurde leider abgelehnt. Die Nachbarwohnung konnte nicht genutzt werden, weil sie zum 1.Dezember neu vermietet war“, erklärte der HGW-Chef gestern nach Rücksprache mit seinen Mitarbeitern.

Die Dimension der Arbeiten nicht erkannt

Darüber hinaus sei man aufgrund der Altersstruktur der HGW-Mieter durchaus auf ältere Menschen und die Probleme, die bei Sanierungen und Umzügen auftreten, eingestellt. Leider habe das Zusammenspiel in diesem Fall nicht so funktioniert wie es sollte.

Die Bemühungen der HGW, der treuen Mieterin auch weiterhin ein schönes Zuhause zu bieten, seien damit aber nicht beendet. „Heute werden die Leitungsschlitze verputzt, auf Wunsch werden wir neu tapezieren und die Wohnung gründlich reinigen lassen.“ Um die Missverständnisse gänzlich aus dem Weg zu räumen, wird die HGW der Seniorin zwei Monatsmieten erlassen. Sicher ein guter Grund, nach 72 Jahren wieder in die alte und nun doch neue Wohnung einzuziehen...