Hagen. .
Als Pfarrer der evangelischen Stadtkirchengemeinde war Hans-Joachim Welz (63) erst zufrieden, wenn sein Tagewerk voll und ganz erledigt war: „Bei mir zählten immer nur 100 Prozent.“ Halbheiten, gar Halbwahrheiten, ließ er nicht durchgehen.
Im Ruhestand ist er, wenn man so will, toleranter geworden. Und was ihn Toleranz, oder sagen wir besser Demut, denn dieser Begriff passt so schön zu einem Kirchenmann, was ihn Demut gelehrt hat, ist das Schlagzeug. Hans-Joachim Welz, Pfarrer a.D., ist noch einmal das Abenteuer einer neuen Beziehung eingegangen: „Ich habe dieses Instrument immer geliebt. Schlagzeug zu spielen war schon mein Jugendtraum.“
"Ich kann die ganze Bandbreite der Gefühle in mein Spiel legen“
Und er nimmt Platz hinter dem ausladenden Schlaginstrument und lässt einige fette, satte Bässe ertönen. Wenn der Ex-Pfarrer spielt, sprudeln die Emotionen aus ihm heraus, und wenn er über sein Spiel spricht, dann in Vokabeln aus der Emotionstheorie: „Wut, Aggression, Freude, Harmonie - ich kann die ganze Bandbreite der Gefühle in mein Spiel legen.“ Das Schlagzeug sei ein vielseitiges Instrument, es ermögliche ihm laut zu sein, leise zu sein, einem bestimmten Rhythmus zu folgen oder einen eigenen Stil festzulegen: „Es ist wie in einer Beziehung, es gibt Höhen und Tiefen. Mal komme ich nicht weiter, und dann gelingt doch der nächste Schritt.“
Und er gesteht sich zu (das Schlagzeug hat ihn Demut gelehrt), dass es nicht immer 100 Prozent sein müssen, um die er eine Schlagfigur steigert oder die Hand-Fuß-Koordination verbessert, er ist ja Rentner und weiß, dass aus ihm kein Phil Collins mehr werden kann: „Ich freue mich über jeden kleinen Fortschritt. Ich nenne das geglückte Halbheiten.“
Geeignet für jede Beatband
Was aber nicht bedeutet, dass der Geistliche i.R. nicht fleißig übt. Seit zweieinhalb Jahren lässt er sich an der Musikschule von Schlagzeuglehrer Peter Aßmann (47) in die Geheimnisse von Grundrhythmus, Verzierungen, Effekten, Abwandlungen und Wirbeln einweisen. Bis zu zwei Stunden lang zieht er sich täglich auf den Dachboden zurück und übt, um die Nachbarn nicht zu malträtieren, auf einem elektronischen Schlagzeug, das die Töne digital über Kopfhörer ausgibt.
Bis ins Orchester der Musikschule hat es Welz schon gebracht, und Peter Aßmann sagt, sein Eleve könne problemlos in jeder Beatband mithalten: „Natürlich setzt das Alter einem Musiker Grenzen. Aber Herr Welz ist sehr jung für seine 63 Jahre.“ Sogar den „Fluch der Karibik“, der jedem Schlagzeuger eine Menge abverlangt, hat der Gottesmann ohne Schnitzer bewältigt.
Meditation am Schlagzeug
Schlagzeug zu spielen ist für Hans-Joachim Welz eine persönliche Angelegenheit. Manchmal habe es etwas von Meditation an sich, berichtet er, in manchen wunderschönen Momenten habe er das Gefühl, nicht mehr selbst zu spielen, sondern zu meditieren, als sei er selbst das Spiel, als geschehe etwas mit ihm. Er schwimmt, läuft und fährt Rad, er übernimmt weiterhin seelsorgliche Aufgaben in seiner ehemaligen Kirchengemeinde, er führt einen sehr aktiven Ruhestand, das darf man wohl sagen. Aber Schlagzeug spielen, sagt Hans-Joachim Welz: „Das werde ich bis an mein Lebensende.“