Hagen. .

„Kein Herr über Dir und kein Knecht unter Dir!“ So lautet das Lebensmotto der Hanseaten, nach dem sich eigentlich auch die gebürtige Hamburgerin Charlotte Schmitz richtet. Doch für den Theatersenioren-Club des Lutz macht sie eine Ausnahme und lässt sich von Werner Hahn auf der Bühne sagen, wo es lang geht.

Mit ihrem blauen Anorak und dem vom Wind zerzausten hellen Haar scheint es, als wäre die 86-Jährige gerade erst von einem Spaziergang am Hamburger Hafen gekommen. „Ich bin eine echte Hamburger Deern“, erzählt sie stolz. „Als ich vor über 50 Jahren wegen meines Mannes nach Hagen gekommen bin, war das schon eine große Umstellung. Aber Familie und Freunde haben mich herzlich aufgenommen. So hatte ich schnell kein Heimweh mehr.“

Geschichten aus einer fremden Welt

Plattdeutsche Lieder hat sie bereits in einigen der fünf Produktionen des Clubs gesungen. Mit ihrer unverwechselbaren komödiantischen Art ist die älteste Darstellerin des Theater-Seniorenclubs zu einem echten Publikumsliebling avanciert. „Bei Charlotte sitzt einfach jede Pointe“, betont Club-Mitglied Ulla Fischer. „Sie spielt auf der Bühne keine Rolle, sondern genauso so ist sie auch im wahren Leben.“

Ihre Leidenschaft für das Theater hat Charlotte Schmitz der berühmten Opernsängerin Anneliese Rothenberger zu verdanken. „Direkt nach dem Krieg habe ich als junges Mädchen in einem Kunstgewerbeladen hinter der Staatsoper gearbeitet“, erklärt sie. „Anneliese Rothenberger kaufte dort oft ein. Einmal brauchte sie dringend einen neuen Kacheltisch.“

Sie erzählte viel von den Proben und Charlotte Schmitz lauschte fasziniert den Geschichten aus einer ihr fremden Welt. „Dann schenkte sie mir regelmäßig Freikarten. Meine erste Oper war Hoffmanns Erzählungen von Offenbach“, beschreibt sie und beginnt leise die Arie der Olympia zu singen.

"Sofort sympathisch"

Irgendwie verschwand das Theater dann für längere Zeit aus ihrem Leben. Zurück fand sie nach dem Tod ihres Mannes vor elf Jahren. „Eine Freundin nahm mich zum 90-jährigen Jubiläum des Hagener Stadttheaters mit“, erklärt sie. „Dort begegnete ich auch zum ersten Mal Werner Hahn. Sein charmantes Lachen war mir sofort sympathisch.“

Doch bevor Charlotte Schmitz selbst auf der Bühne stand, wurde sie Mitglied der Volksbühne und besuchte das Theater regelmäßig. „Durch einen Zeitungsartikel wurde ich auf den Seniorenclub des Theaters aufmerksam“, beschreibt sie. Seitdem ist sie aus dem Club nicht mehr wegzudenken.

Ursula Gericke, Autorin der neuesten Produktion, erklärt: „Alle hier lieben Charlotte! Sie gehört einfach zu uns!“ In dem Stück „Davon geht die Welt nicht unter“ spielt Charlotte Schmitz eine 99-jährige Milliardärin, die für die Renovierung eines Kirchturms nur spendet, wenn vorher eine frivole Revue von der Gemeinde auf die Beine gestellt wird.

Geistesverwandt mit Charlie Chaplin

Über die Probleme beim Textlernen versucht ihr die 67-jährige Ulla Fischer zu helfen. „Es beeindruckt mich immer wieder, was man noch alles in diesem Alter machen kann“, beschreibt Ulla Fischer. Für die bald anstehenden Schlussproben hat sie Charlottes Text auf Karteikarten in großer Schrift geschrieben.

Charlotte Schmitz greift ihren schwarzen Stock und geht Richtung Bühne. „Ich muss noch mein Kostüm suchen, gleich fängt die Probe an.“ Plötzlich wird klar, warum sie von ihren Hamburger Freunden immer Charlie genannt wurde. Ihr Gang ist genauso beschwingt wie der von Charlie Chaplin. Werner Hahn bestätigt: „Charlotte ist eines der größten komödiantischsten Talente, mit denen ich arbeiten darf.“

Ihren Geburtstag, den 16. April, teilt sie mit Charlie Chaplin. Einfach nur ein Zufall? Wahrscheinlich nicht!