Hagen.

Rico wohnt in der Dieffe, in der Dieffenbachstraße. Da, wo Berlin-Kreuzberg bürgerlich-bunt ist. Die Dieffe ist eine lange, gerade Straße. Dort kann sich Rico nicht verlaufen. Er hat’s nicht so mit Ecken und rechts und links. denn Rico ist tiefbegabt, langsamer in der Auffassungsgabe als andere.

Levi Schmehl (11) ist allerdings als jugendlicher Schauspieler alles andere als tiefbegabt. Er spielt den Rico in “Rico, Oskar und die Tieferschatten“ überzeugend und liebenswert langsam – mit großen Augen und wirren Locken. Im Lutz feierte das Stück am Samstag eine – zu Recht – umjubelte Premiere. Lutzleiter Werner Hahn bewies ein sicheres Gespür für die Besetzung der Rollen mit Jugendlichen aus dem Jugendclub des Theaters und Senioren aus dem Seniorenclub. Ricos bester Freund ist der hochbegabte Oskar, den Nicolas Groll leicht tapsig und als wandelndes Lexikon mimt. Da kann man über das vermutlich Premierenfieber bedingte schnelle und laute Sprechen hinweghören. Das gleicht vor allem Kristina Günther-Vieweg als Profi und Ricos Mutter wieder aus. Dominik Hahn gibt einen smarten Simon Westbühl, der sich den tiefbegabten Rico ernst nimmt.

Aus einer Buchvorlage eine Bühnenfassung zu stricken, fordert immer Opfer. Trotzdem ist es dem Lutz-Team die Umsetzung gut gelungen. Das Berliner Mietshaus, in dem sich die Geschichte abspielt, wird durch eine Treppe und viele verschiedene Türen angedeutet. Dynamik erhält die Handlung durch häufige Szenenwechsel und Schattenspiele. Wenn Oskar verschwindet und die Tieferschatten unterwegs sind. . .

Doch zur Handlung sei nicht zu viel verraten, immerhin handelt es sich um Krimistück, das vor allem Jugendliche zwischen zehn und 14 ansprechen soll. Doch auch Erwachsene kommen vor allem dank der Musik, die Themen aus Miss Marple und dem Rosaroten Panther enthält, auf ihre Kosten. Im Mittelpunkt stehen die Personen. Sie tragen das Stück auch dadurch, dass Ricos Stimme aus dem Off fehlende Buchpassagen nacherzählt.

Man muss Autor Andreas Steinhöfel fast dankbar für derlei Wortschöpfungen wie tiefbegabt oder Fundnudel, für eine auf der Straße gefundene Nudel sein. Steinhöfels Buch „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ plädiert überzeugend dafür, Menschen zu nehmen wie sie sind: etwas langsamer, die dafür ihre Grenzen kennen und akzeptieren. Das ist in einer selbst definierten Leistungsgesellschaft viel (mehr) Wert.