Hagen. Im Interview verrät Guildo Horn, warum ihm die Hagener Bühne so am Herzen liegt und warum ihm seine Familie wichtiger ist als noch mehr Ruhm.
Er ist als Sänger, Unterhalter, Diplompädagoge und Darsteller gleichermaßen erfolgreich. Selbst bezeichnet er sich gerne als Genre-Touristen. Samstag feiert Guildo Horn am Theater Hagen als Riff-Raff in der Rocky Horror Show Premiere. Wir sprachen mit dem beliebten Künstler.
Sie sind ja schon fast Ehrenmitglied am Theater Hagen...
Guildo Horn: Ja, Alterspräsident…
Warum spielen Sie so gerne an diesem kleinen Haus?
Horn: Ich finde es einfach nett hier, interessant. Ich habe das Gefühl, viele ziehen hier noch an einem Strang, natürlich mit Abstrichen, und das macht mir total viel Spaß. Das Haus als Haus ist wunderschön, und die Menschen, die das Haus betreiben, finde ich nett. Dazu kam, dass ich die Rocky Horror Show immer mal machen wollte, ich wollte schon immer den Riff-Raff spielen.
Sie sind ja auch der Einzige, der den spielen kann, ohne dass er eine Perücke braucht...
Horn: Ja eben. Man muss auch sehen, dass es dem Theater nicht so gut geht. Da nimmt man den Horn und hat ein bisschen an der Maske gespart… Ohne Witz: Ich fühle mich hier gut.
Was schätzen Sie an der Rocky Horror Show?
Horn: Die Musik ist fantastisch, das ist eine tolle Mischung, da ist unheimlich viel Humor drin.
Stehen die Orthopädischen Strümpfe erstmals in einem Musical auf der Bühne?
Horn: In einer anderen Besetzung haben wir schon den „Zauberer von Oz“ gespielt. Als die Riff-Raff-Anfrage kam, habe ich mir eine gestandene Band gewünscht. Ein Rockmusical verlangt halt nach Rock-Musikern. Ich habe es immer gerne, wenn die Leute richtig vom Fach sind.
Wie geht das Ensemble damit um, Sie als Star dabei zu haben?
Horn: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich stehe morgens nicht als Star auf und sitze auch eher als Mensch auf dem Klo. Wenn ich einkaufen gehe und jemand spricht mich an, dann habe ich manchmal vergessen, wer ich auch bin. Wenn man in einem Ensemble spielt, ist das Ensemble der Star. Und die Darsteller, mit denen ich hier zusammenspielen darf, brauchen sich hinter mir nicht zu verstecken, da hat jeder seine Qualität. Ich reihe mich gerne ein.
Kommen Ihnen da nicht die Klischees in die Quere, die über Sie im Umlauf sind?
Horn: Bei mir ist das halt so: Laut letzter Erhebung kennen mich über 90 Prozent der Bevölkerung. Da bleibt es nicht aus, dass fast jeder neue Mensch in meinem Leben bereits eine Meinung zu mir hat. Ich bin aber nicht auf der Welt, um alle Klischees zu erfüllen, die’s zu meiner Person gibt. Ich bin ja nicht das Abziehbild meiner selbst. Bei jeder neuen Produktion, bei der ich mitmache, werde ich natürlich erstmal interessiert beäugt. Aber man merkt schnell, dass ich weitaus schlimmer bin als mein Ruf! Der Rest ist dann: Einfach fallen lassen und ohne Visier etwas zusammen kreieren. Darum geht’s doch, nicht darum, ob nun jemand bekannt ist, oder nicht. Die Chemie muss stimmen.
Ist Wohlfühlen wichtig beim Theaterspielen?
Horn: Wenn man etwas wegen Geld macht, ist das eine Sache. Aber ich mache meinen Beruf immer wegen dem Wohlfühlen und meinem Interesse an etwas. Nicht, dass ich etwas gegen Geldverdienen habe, doch ich glaube, der Weg ist anders. Man muss sich erst einmal aussuchen, wo man sich wohlfühlt und für was man sich interessiert. Wenn man das mit ganzer Hingabe und Energie macht, kommt das andere meist von selbst und nicht umgekehrt. Allzu großer Ehrgeiz ist gerade in künstlerischen Sachen falsch. Für mich jedenfalls. Bei den Orthopädischen Strümpfen und unserer Crew ist das wie in einer Familie. Das macht Spaß und lässt uns auf der Bühne glühen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum mir Hagen so gut gefällt. Ich habe hier ebenfalls so ein Familiengefühl, das wissen die Damen und Herren des Theaters auch. Ich werde jetzt 49, da suche ich mir aus, was ich mache, ich muss nicht alles machen.
Wie halten Sie Ihre Stimme fit? Üben Sie?
Horn: Nix. Ich sing’ halt. Ich singe ja genug. Ich gehe auch quer in die Bereiche hinein, habe lange im Kammerchor gesungen, im Jugendchor, im Landesjugendchor, am Theater, Operette, Musical, Oper. Wichtig ist in meiner Welt etwas ganz anderes, nämlich, die Sachen zwischen den Stücken gut zu machen. Mich nervt das immer, wenn Singen so hoch aufgehängt wird, Kunst und trallala. Ich stehe auch eher auf eine klare Singstimme als auf so Muckibudenstimmen. Man muss nicht noch ein Vibrato auf einem „t“ machen. Zwischen Herz und Seele, da muss man mit allem, was man hat, singen, aber nicht mit dem Kopf. Kopf hat bei der Musik, so wie ich sie verstehe, ganz wenig verloren.
Zwischen Bühne und Theater: Gibt es da Unterschiede, was die Kunst betrifft, das Publikum zu erreichen?
Horn: In einem Theater gehst du auf die Bühne und hast ein Geschenk: Du hast das Geschenk, dass die Leute da unten sitzen und zuhören. Ich habe ja auch schon am Ballermann gesungen. Diese Auftritte dauern höchstens eine halbe Stunde, das steht im Vertrag. Also gehst du um halb zwei Uhr nachts auf die Bühne und hast dann vor dir ein paar tausend Leute, die den ganzen Tag in der Sonne gelegen haben, die den ganzen Tag gefeiert haben, die sind zum Teil hackezu. Und dann wirst du von einer Sekunde auf die andere auf diese Bühne gestellt, und deine Aufgabe ist es, diese Menschen zu unterhalten. Ich finde, es ist eine wichtige Sache, dass man das kann.
Wie kriegt man dieses Publikum?
Horn: Indem man weiß, dass man sie kriegt. Indem man einfach klar mit sich ist. Indem ich weiß, dass ich in mir gefestigt bin. U- und E-Musik können beide viel voneinander lernen, nur diese Erfahrung nicht: auf eine Bühne zu gehen, wo man halt nicht die Aufmerksamkeit geschenkt bekommt.
Stichwort Genre-Tourist: Wollen Sie künftig mehr am Theater machen?
Horn: Guildo Horn und die Orthopädischen Strümpfe, das ist das Allerwichtigste. Das ist mein absolutes Zuhause, weil ich da keine Kompromisse eingehen muss. Theater spielen ist toll, aber unglaublich zeitintensiv. Deshalb reicht eine Produktion im Jahr, und die muss genau das sein, was ich machen will, für anderes ist meine Zeit mir zu schade. Bei allen Genres: Ich bin auf der Welt, um zu leben und dazu gehört meine Familie. Ich bin kürzlich zum zweiten Mal Vater geworden, das wichtigste Genre ist meine Familie. Ich arbeite, um zu leben, ich muss nicht noch bekannter und noch berühmter werden.
Guildo Horn
