Hagen.

Guildo Horn ruft von der Bühne: „Ich hör’ mich kaum singen.“ Die Tontechnik echot: „Wir hören dich auch nicht.“ Theater Hagen. Donnerstag. 10.30 Uhr: Probe für die Rocky Horror Show. Schrecken ohne Ende? Nein, kreatives Chaos mit System.

Viele Fans werden ab dem 14. Januar die Lieder des Erfolgs-Musicals von Richard O’Brien in Hagen mitsingen. Sie werden in Strapsen kommen. Sie werden mit Reis werfen. Seit fast vierzig Jahren ist die Horror Show Kult. Der transsylvanische Ledertransi Frank’n’Furter macht sich in der Geschichte einen neuen Mann: Rocky. Wir wollen nun wissen, wie man Rocky an einem Stadttheater macht.

Regisseur Holger Hauer sprüht vor Ideen. „Wir möchten keine Kopie des Films zeigen und trotzdem die klaren Erwartungshaltungen des Publikums befriedigen.“ Aber wie erzählt man eine Handlung, die jeder kennt? „Wir haben uns bemüht, unsere eigenen Übertragungen zu finden“, antwortet Hauer. „Weil Guildo Horn mitwirkt, kam die Idee, das Stück in die 70er Jahre zu übersetzen.“ Also psychedelisches Disco-Grauen statt Science-Fiction-Grusel.

Guildo Horn ist Riff-Raff, der Diener Franks, an diesem Vormittag allerdings noch ohne Kostüm. In roten Jogginghosen gibt er das Faktotum in einer Mischung aus Glöckner von Notre Dame und extragalaktischem Strippenzieher. Es ist die erste Probe, bei der nicht nur Solisten, Ballett und Chor mitwirken, sondern auch die Band, die Orthopädischen Strümpfe. Die Tontechnik hat alle Hände voll zu tun.

Kaum ein Theaterbesucher macht sich klar, wie viele Bereiche für eine Inszenierung taktgenau ineinander greifen müssen. Bewegung, Musik, Gesang, Licht, Ton. Hauer gibt das Startzeichen: „Wir machen jetzt einen Ablauf. Wir werden immer wieder unterbrechen. Was den Sound betrifft: Wir arbeiten noch daran. Also proben wir mit Gelassenheit und Intensität.“

Während Guildo Horn mit seinen puscheligen Hüttenschuhen wie ein von den Sternen gefallener Hausmeister wirkt, liefert Henrik Wagner als Frank eine Glanznummer in Äquilibristik auf den Plateausohlen seiner schwarzen Lackstiefel. Ausstatterin Sandra Fox realisiert das 70er-Jahre-Konzept mit vielen Design-Zitaten und Effekten.

Es ist schwer für ein Stadttheater, die Rocky-Rechte zu kriegen. Die Lizenzgeber achten darauf, dass sich die Inszenierungen und Tournee-Produktionen nicht gegenseitig das Publikum abjagen. Denn mit Rocky ist ein volles Haus garantiert. In Hagen ist das Musical zum ersten Mal überhaupt zu sehen. Die Premiere ist längst ausverkauft, das Stück soll mindestens zwei Spielzeiten laufen.

„Das Theater hier ist das angenehmste, was ich je erlebt habe. Das hat noch einen Zusammenhalt“, lobt Guildo Horn, während Tenor Jeffery Krueger als Brad in einen rosa Morgenmantel mit weißem Flaumbesatz gehüllt wird. „Den hat er von Zuhause mitgebracht“, frotzelt Horn über das horrible Kostüm. Man arbeitet im Team und versteht sich gut.

„Mehr Regen“, ruft Holger Hauer. Brad und Janet haben eine Autopanne und laufen mitten in einem Wolkenbruch los. Janet alias Tanja Schun schützt sich dabei mit einer Zeitung auf dem Kopf. Die Zeitung ist ein unverzichtbares Accessoire auch für die Fans.

Wie verhindert man bei allem Mitmachwillen der Besucher Unfälle im Ensemble? Auf Plateausohlen über Reiskörner zu rocken, das dürfte halsbrecherisch sein. „Ich werde auf jeden Fall versuchen, das Publikum zu bitten, die Sachen nicht auf die Bühne zu werfen. Wir sind nicht im Kino, auf der Bühne agieren lebendige Menschen“, unterstreicht Hauer.

Rocky, der dem Stück den Namen gibt, ist ein Geschöpf des Außerirdischen Frank. In Hagen erlebt er alias Tillmann Schnieders seine Geburt in einem gigantischen Backofen. Wie praktisch: Denn wer von uns hätte sich nicht schon mal gern einen Mann ganz nach seinem eigenen Geschmack backen wollen.

Information zu Terminen und Karten: 02331 / 2073218 oder www.theater.hagen.de