Hagen. .

Die sozialpolitischen Spielräume scheinen in Hagen endgültig ausgereizt: Der Rat konnte in seiner Sitzung am Donnerstag sich weder dazu durchringen, für eine Pilotphase das VRR-Sozialticket einzuführen, noch die Geschwisterkinder in Kindertagesstätten ebenfalls beitragsfrei zu belassen, sobald deren Brüder oder Schwestern in das gebührenbefreite letzte Kindergartenjahr vor der Einschulung wechseln.

In einer für Hagener Verhältnisse bemerkenswert tiefgründig geführten und von hoher Sachlichkeit geprägten Diskussion wurden die Argumente abgewogen, mit der Einführung des Sozialtickets für eine Pilotphase bis Ende 2012, finanzschwache Bürger durch die Chance zur Mobilität aus ihrer Isolation herauszuführen und besser am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. „Wir haben hier die Chance, ein Stück soziale Gerechtigkeit zu beweisen“, warb Grünen-Sprecher Rüdiger Ludwig dafür, es auf einen zeitlich begrenzten Versuch ankommen zu lassen.

Gleichzeitig bezweifelte er, dass die von der Verwaltung hochgerechneten Mehrkosten von 500.000 Euro tatsächlich auflaufen würden. „Bei einem Kassenkredit von einer Milliarde Euro ist es unverantwortlich, weitere Mittel für soziale Wohltaten zu beschließen“, warnte CDU-Fraktionschef Wolfgang Röspel vor neuen Experimenten. Und erhielt sogar Rückendeckung von seinem SPD-Pendant Mark Krippner: „Es ist nicht die Frage, ob wir uns das Sozialticket leisten wollen, sondern ob wir es können“, sendete er das Signal nach Düsseldorf, dort auch die entstehenden Mehrkosten übernehmen zu müssen. Andernfalls sei die Stadt Hagen gezwungen, die Verluste durch weitere Netzausdünnungen zu kompensieren und somit die Situation für die heutigen Kunden der Straßenbahn AG weiter zu verschlechtern. Eine ablehnende Haltung, der sich in geheimer Abstimmung die Mehrheit des Rates (34:22) anschloss.

Geschwisterkinder müssen zahlen

Noch knapper setzten sich CDU, Hagen Aktiv und Liberale mit ihrer Kurs durch, Geschwister von beitragsbefreiten Kindern im letzten Kindergartenjahr auch künftig zur Kasse zu bitten. Denn der vom Land gewährte Zuschuss von 1,3 Millionen Euro decke bei weitem nicht die Aufwendungen, die Hagen an den Gesamtkosten aufzubringen habe. Die 230 betroffenen Familien hätten ohnehin das finanzielle Potenzial, sich diesen Beitrag leisten zu können, meinte CDU-Ratsherr Detlef Reinke. Dem hielten SPD und Grüne entgegen, dass durch diese familienunfreundliche Entscheidung, die defizitäre Finanzierung des Kindergartensystems wohl kaum entscheidend saniert werde.

Der Rat forderte daher die Landesregierung auf, bei der Beitragsfreistellung des letzten Kindergartenjahres klare Rechtsverhältnisse mit Blick auf die Geschwisterkindregelungen zu schaffen und auch für die entsprechende Finanzkulisse (Konnexitätsprinzip) zu sorgen.