Hagen. . Die abenteuerliche Bebauung der Campingplätze an der Ruhrtalstraße ist laut Bauverwaltung und Feuerwehr nicht mehr tragbar. Die Beseitigung aller Mängel sei jedoch unmöglich. Nun soll eine einvernehmliche Lösung her, um die Anlage zu retten.
Der bauliche Wildwuchs an den Campingplätzen entlang der Ruhrtalstraße hat abenteuerliche Dimensionen angenommen. Feuerwehrchef Horst Wisotzki bemängelt brandgefährliche Situationen für die schätzungsweise bis zu 4300 Camper. Hinzu kommt, dass viele Behausungen mitten im Überschwemmungsgebiet errichtet wurden. Die Bauverwaltung schlägt jetzt Alarm. Die gröbsten Mängel müssen zügig beseitigt werden.
Hagen ist die erste Ruhrgebietsstadt, die gegen einen solchen Camping-Wildwuchs vorgeht. Auf vielen Anlagen des Ruhrgebiets herrschen vergleichbare Verhältnisse.
In einem Schreiben wendet sich die Stadt an die Eigentümer der Grundstücke und listet detailliert Mängel auf. Das ernüchternde Urteil des Leiters des städtischen Bauordnungsamtes, Georg Thomys, lautet: „Es ist unmöglich, die Anlage in einen genehmigungsfähigen Zustand zu versetzen.“ Die eigentliche Konsequenz wäre eine Räumung der Campinganlage. Die Verwaltung will den Campern allerdings eine Goldene Brücke bauen und strebt eine einvernehmliche Lösung an, mit dem Ziel die gröbsten Gefahren zu beseitigen, damit die Anlage geduldet werden kann.
Feuer hätte verheerende Folgen
Von oben betrachtet erinnern Teile des Geländes optisch an Favelas, die in den Randlagen der großen Städte Brasiliens liegenden Armenviertel. Aber auch aus der Nähe beschaut ist die Bebauung tollkühn. Bisweilen liegen nur Zentimeter zwischen den Holzhütten, was bei einem Feuer verheerende Folgen hätte. Laut Camping- und Wochenendplatzverordnung müsste der Abstand mindestens fünf Meter betragen. „Im Ernstfall würden wegen dieser Feuerbrücken schnell hundert Meter Fläche in Brand stehen“, fürchtet Wisotzki. Ohne Genehmigung wurden Hütten mehrstöckig aufgebaut. Manche Bewohner haben sich zur Versorgung große Gastanks auf ihr Grundstück gestellt. Gefährliche Ofenkonstruktionen befeuern die Gefahr. An einigen Hütten hat austretende Hitze bereits das Holz verfärbt. Ein Großteil der Parzellen wäre für die Feuerwehr nicht erreichbar. Denn es gibt kaum ausreichend breite Zufahrten oder Brandschutzstreifen. „Die Bekämpfung eines Brandes wäre fast unmöglich“, sorgt sich Wisotzki.
Campingflächen standen unter Wasser
Mehr als hundert Unterkünfte wurden entlang ausgewiesener Überflutungsfläch
en erbaut. Bei Starkregen war es in der Vergangenheit immer wieder zu Feuerwehreinsätzen gekommen, bei denen das ansteigende Grundwasser zusammen mit dem Niederschlagswasser abgepumpt und in die Ruhr geleitet wurde. Dutzende Campingflächen standen unter Wasser. Komplett überbaut wurden von Campern der Heimkebach.
Die Situation an den Campingplätzen entlang der Ruhrtalstraße sei über Jahrzehnte so gewachsen, sagt Stadtbaurat Thomas Grothe. In den Nachkriegsjahren zogen dort die ersten Camper ihre Domizile auf. Bis in die 70er Jahre, bis zur kommunalen Neugliederung, lag das Areal auf Ergster Gebiet. „Als Ordnungsbehörde kommen wir nicht mehr daran vorbei, uns zu kümmern.“ Bei dem Vorhaben, das Gelände soweit umzustrukturieren, dass die Bebauung geduldet werden kann, habe die Stadt die Unterstützung der Bezirksregierung Arnsberg.
Verbindlicher Maßnahmenkatalog
Die Bauverwaltung fordert jetzt von den Eigentümern der Grundstücke bzw. den Pächtern eine Reihe unmittelbarer Maßnahmen. Dazu zählt die Installation von Rauchmeldern sowie eine Überprüfung und Wartung der Gasanlagen. Außerdem müssen kurz- bis mittelfristig Zufahrten für die Feuerwehr geschaffen und Standflächen aufgegeben werden, damit ein ungehindertes Ausbreiten eines Brandes vermieden wird. Flächen entlang der Ruhr müssen bis zu einem Abstand von zehn Metern geräumt werden. Der gesetzliche Abstand beträgt sogar 50 Meter. In diesem Zusammenhang setzt die Verwaltung darauf, dass auslaufende Pachtverhältnisse nicht verlängert werden bzw. dass wenn Pächter ihren Platz aufgeben, dieser nicht wieder besetzt wird. Mitunter müssten Camper ihre Behausungen dann versetzen. Für Anfang Juni ist ein erstes Treffen mit den Grundstückseigentümern anberaumt.
„Wir setzen auf Konsens“, sagt Grothe. Wohlwissend, dass die Gespräche nicht einfach werden. Schließlich impliziert das geforderte Maßnahmenpaket auch die Aufgabe von Camping-Raum. „Da im Laufe der Jahre immer wieder Veränderungen vorgenommen wurden“, so Thomys, „können sie aber nicht auf einen Bestandsschutz pochen.“