Garenfeld.

Seit zwei Jahren werden das Ferienhausgebiet und die Campinganlagen an der Ruhrtalstraße bei starken Regengüssen überflutet. Das Wasser ist nicht zu halten, es steigt aus dem Graben neben der Landstraße und schwappt auf die Parzellen

Ja, sie waren einst glücklich in ihren Holzhäuschen und Wohnwagen an der Ruhrtalstraße unterhalb von Garenfeld. Sicher, die Autobahn und die Landstraße und das nahe Industriegebiet emittieren viel Lärm in die Auen und die akkurat beflaggte Camping-Idylle. Doch alles in allem lässt es sich hier hervorragend leben. Sagt Rita Buchholz (68) und nickt.Dreimal haben allein in diesem Jahr die Wohnwagen geschwommen, die Zelte ragten so eben aus dem Wasser, die Brühe lief über die Schwellen und quoll durch die Ritzen der Holzhäuschen und ergoss sich auf Teppiche und Dielen. Sie habe nur noch versucht zu retten, was zu retten war, berichtet Rita Buchholz. Sie ist nicht mehr glücklich mit ihrem Zweitwohnsitz unweit der Ruhr. Wenn es anfängt zu regnen, packt sie die Angst. „Dann habe ich keine ruhige Minute mehr.“

Man könne sehen, wie der Pegel bei einem Wolkenbruch im Minutentakt steige, sagt Hans-Jürgen Josefowicz (70). Es trägt Schlamm mit sich und lässt den Schlamm und hohe Kosten, wenn es wieder abfließt, auf dem Teppich zurück. Rita Buchholz hat im August den Teppich wegwerfen und den PVC-Boden im Bad herausreißen lassen müssen. „Es sah hier aus wie in Masuren“, sagt Herr Josefowicz. Wie die Masurische Seenplatte.

Josefowiczs wohnen im Stadtzentrum von Bochum, dort gibt es keine Wiesen, kein Wasser, keinen Wald, und als ihre Tochter geboren wurde, haben sie sich deshalb das Holzhäuschen an der Ruhrtalstraße zugelegt. Vor 30 Jahren gab es kein Hochwasser, sagt Edith Josefowicz (68). Das Wasser in dem Straßengraben floss munter dahin und vereinte sich irgendwann mit dem Heimkebach. Weg war es. Jetzt fließt das Wasser nicht mehr, es steht in dem Graben, grün und veralgt, eine grünbraune Brühe.

So recht niemand weiß, warum das Wasser in dem Graben neben der Ruhrtalstraße seit zwei Jahren nicht mehr abfließt. Hans Jürgen Josefowicz sagt, er habe Menschen heulen, schreien, die Hände ringen sehen, als das Wasser kam. „Man kann ja nichts machen“, sagt er. „Man steht da in Gummistiefeln und guckt zu, wie einem das Haus absäuft.“

Keine baurechtliche Genehmigung

Im zehnten Stock des Hagener Rathauses ist es schön trocken. Bis hierhin könnte der Pegel selbst bei einem Volmehochwasser in der Innenstadt nicht steigen. Hier hat Dr. Ralph-Rainer Braun, der Leiter des Hagener Umweltamtes, sein Büro. Er kennt die Verhältnisse in den Espen - wie das Gebiet beiderseits der Ruhrtalstraße in den Flurkarten der Verwaltung heißt - genau. „Im Grunde genommen dulden wir dort eine illegale Situation. Die meisten Leute, die dort wohnen, haben keine baurechtliche Genehmigung. Es ist Überschwemmungsgebiet.“ Und Braun deutet auf die Karte, er zeigt auf das blaue Band, die Ruhr, und dann auf das graue Band, die Ruhrtalstraße, und dann auf die grünen Flächen beiderseits der Straße, wo die Camper und Wochenendhausbesitzer ihre Domizile haben. Und dort steht: Überschwemmungsgebiet.

Gerade erst hat Dr. Braun die Situation im Überschwemmungsgebiet in einer neuen Vorlage für den Oberbürgermeister zusammengefasst. Denn dass die Camper seit Jahrzehnten campen, wo sie nicht campen dürften, weil in Überschwemmungsgebieten das Campen und das Wohnen und das Bauen selbstverständlich verboten sind, ist im Rathaus zwar seit Jahrzehnten bekannt, man wollte sie schon einmal umsiedeln, ließ es dann aber. Doch die ständigen Überschwemmungen, die seit zwei Jahren auftreten, die Verwüstungen, die das Wasser anrichtet, haben die Lage verändert. So kann es nicht weiter gehen. „Wir wollen die Menschen ja nicht im Regen stehen lassen“, sagt Dr. Braun. „Aber wer am Fluss lebt, muss auch mit dem Fluss leben.“

Es sei ja gar nicht der Fluss, der dauernd über die Ufer trete und ihre Grundstücke in Beschlag nehme, sagt Herr Josefowicz. Nicht die Ruhr. Der Graben sei es, der kleine, unscheinbare, namenlose Entwässerungsgraben neben der Ruhrtalstraße, in dem das veralgte Wasser steht, der seit zwei Jahren bei jedem Regenguss überlaufe und ringsum alles überflute. Und das möge hier ja Überschwemmungsgebiet sein, das habe ihnen zwar keiner gesagt, sagen Frau Buchholz und Herr Josefowicz, aber bitte schön, sie zahlten Grundsteuer, und sie seien vor vier Jahren an den öffentlichen Entwässerungskanal angeschlossen worden. Sie zahlten Abwassergebühren. Die Stadt nehme, die Stadt müsse auch geben.

Warten aufs nächste Hochwasser

Niemand weiß, warum das Wasser in dem Graben, der nicht einmal einen Namen trägt, nicht mehr fließt und warum die Grundstücke überflutet werden. Vor zwei Jahren sei der Graben ausgebaggert und entschlammt worden, berichtet Heike Thurn, Sachbearbeiterin im Umweltamt. Geholfen hat das nicht.

Und so bleibt das Gefühl, dass Holzhäuschen und Wohnwagen an der Ruhrtal­straße die Öffentlichkeit noch eine geraume Zeit beschäftigen werden.

Das nächste Hochwasser kommt bestimmt.