Hagen. .
Es war im November 2009, als am Polizeipräsidium Kriminalhauptkommissar Peter Carl stirnrunzelnd hinter seinem Büroschreibtisch hockte und die Einbruchsstatistiken studierte. „Es gab damals einen unerklärlichen Fallanstieg“, erinnert er sich. In der dunklen Jahreszeit schnellt die Zahl der Wohnungseinbrüche zwar immer hoch. Doch in diesem November zeigte die Kurve so steil nach oben, dass selbst dem erfahrenen Beamten schwindelig werden musste. Auch im Frühjahr 2010 blieben die Zahlen hoch. Es zeichnete sich immer deutlicher ab, dass organisierte Banden Hagen als Einfallstor nutzen.
Die Banden stammen meist aus dem südosteuropäischen Raum. Nach Hagen kommen sie über Dortmund, Duisburg oder Köln. Sie sind blitzschnell und nehmen sich Stadtteil für Stadtteil vor. Sie reisen mit alten Autos an, spähen die Viertel im bürgerlichen Milieu aus und schlagen schließlich dort zu, wo ihnen Einbrüche einfach und einträglich erscheinen – häufig in der Nähe einer Autobahnauffahrt. Aus Hagen verschwunden sind sie ebenso schnell, wie sie gekommen sind.
Hagen hatte in den vergangenen Jahren für eine Großstand eine verhältnismäßig geringe Zahl an Wohnungseinbrüchen zu beklagen. Im Landesschnitt stand Hagen sogar glänzend da. Die Aufklärungsquote lag stabil bei 20 Prozent – ein guter Wert. Das hat sich seit mehr als einem Jahr geändert. Beunruhigende 1,5 Wohnungseinbrüchen pro Tag weist die Kriminalstatistik für das Jahr 2010 aus.
Banden sind wie Heuschrecken
Kriminalhauptkommissar Peter Carl ist ein Mann der klaren Worte. „Diese Banden sind wie Heuschrecken“, sagt er. Ein Fahrer und drei bis vier in ihrem kriminellen Handwerk bestens ausgebildete Männer bilden eine Organisationseinheit. „Die machen eine Bude in weniger als 20 Sekunden auf, wenn nicht abgeschlossen ist“, weiß der 50-jährige Beamte. Im Fleyer Viertel schlug im November 2009 eine Bande in einer Nacht allein 15 Mal zu.
Hat sich die Bande ein Viertel ausgeguckt, geht es rasend schnell. Der Wagen hält an, die Männer steigen aus und brechen dann auf einen Schlag vier oder fünf Wohnungen in der Umgebung auf. Während dessen dreht der Fahrer seine Runden und hält Ausschau, ob die Polizei in Sicht ist. Zum verabredeten Zeitpunkt gabelt er seine Kumpanen an einem festgelegten Ort wieder auf. „Das ist minuziös geplant“, weiß Kriminalhauptkommissar Carl. Sind die Täter erst einmal auf der Autobahn, sind sie kaum noch zu erwischen.
Als deutlich wurde, dass Hagen ins Fadenkreuz der überregional operierenden Banden geraten war, wurde die Lage am Polizeipräsidium analysiert. Ende 2010 stellte die Polizei ein Wohnung-Einbruchs-Bekämpfungskonzept auf. Kernpunkt: Auf die Banden sollte ein großer Druck ausgeübt werden. Beamte in Zivil und in Uniform wurden sensibilisiert, verstärkt Ausschau nach verdächtigen Gruppen zu halten, die ins Raster der organisierten Banden passten. Verdächtige Autos werden angehalten und durchsucht. Personalien von verdächtigen Personen aufgenommen. „Wir wollen es ihnen in Hagen so ungemütlich machen wie möglich. Das muss sich herum sprechen in der Szene. Dann verschwinden sie auch wieder“, umschreibt Peter Carl die polizeiliche Taktik. Damit werde die Problematik zwar nicht aus der Welt geschaffen. Denn die Banden werden in anderen Städten ihr gesetzeswidriges Glück weiter versuchen. „Ich bin zwar Landesbeamter“, sagt Kriminalhauptkommissar Peter Carl, „aber letztendlich doch für die Sicherheit hier in Hagen verantwortlich.“
Informationsschreiben der Polizei
Außerdem besucht die Polizei seit Mitte März dieses Jahres Bürger, in deren unmittelbarer Nachbarschaft eingebrochen wurde. Die Menschen sollen so sensibilisiert werden, ihre Augen offen zu halten. Außerdem verteilen die Bezirksbeamte ein Informationsschreiben der Polizei zum Thema Einbruchsprävention.
Erste Erfolge zeichnen sich zumindest ab. Im Januar und Februar dieses Jahres schnellte die ohnehin schon hohe Wohnungseinbruchsquote zwar noch einmal hoch. Seit einigen Wochen gehen die Zahlen aber spürbar zurück.
Ob das nur eine zwischenzeitliche Atempause ist oder es den Banden tatsächlich zu unbehaglich geworden ist in Hagen, vermag Peter Carl noch nicht zu sagen. „Das können wir frühestens in drei Monaten beurteilen.“