Hagen. .

Die Gewalt schwappt ins Hagener Stadtgebiet. Von Dortmund aus. Wenn Polizeidirektor Bernd Liedtke an die immer häufiger aus Dortmund kommenden, kriminellen Gestalten denkt, wirft seine Stirn Falten: „Wir sind nicht ohne Sorge bei diesem Thema.“ Doch: „Hagen ist eine sichere Stadt.“

Er will nicht verharmlosen, aber auch nicht dramatisieren. Wenn Polizeidirektor Bernd Liedtke an die immer häufiger aus Dortmund herüberschwappenden kriminellen Gestalten denkt, wirft seine Stirn tiefe Falten: „Wir sind nicht ohne Sorge bei diesem Thema.“ Doch schon im nächsten Satz schiebt er nach: „Hagen ist eine sichere Stadt.“ Damit das so bliebt, tritt der Leiter der Direktion Gefahrenabwehr mit seinen Beamten den südosteuropäischen Tätergruppen seit Wochen in Hagen massiv auf die Füße.

Während in Dortmund den kriminellen Banden offen eine rumänische, bulgarische oder Sinti-Herkunft nachgesagt wird, hält Liedtke sich mit solchen nationalen oder ethnischen Zuordnungen zurück: „Für uns sind das schlichtweg Südosteuropäer“, weiß Hagens ranghöchster Uniformierter anhand der Lagebilder, dass diese EU-Bürger, die sich meist mit einem Touristen-Visum in Deutschland aufhalten, durchaus für einen Großteil der aktuellen Wohnungseinbrüche und Taschendiebstähle (80 Prozent) verantwortlich zeichnen. „Neulich erst hatten wir den Fall von zwei Frauen, die im Hauseingang einer Arztpraxis von uns angesprochen werden sollten. Das Duo ergriff die Flucht, warf während der Verfolgung bereits einen Schraubendreher weg und konnte schließlich gestellt werden.“ Die Täterinnen, die polizeilich bekannt waren, trugen so genannte Diebstahlschürzen zum Verstaunen der Beute. Sie wurden der Staatsanwaltschaft übergeben. Was bedeuten kann, dass sie in der nächsten Wochen der gleichen Streife wieder in die Arme laufen.

Präventions- und Beratungsangebote der Polizei

Gerade bei Einbruchsdelikten appelliert Liedtke immer wieder an die Bevölkerung, nicht nur den Eigenschutz zu verbessern und die Präventions- und Beratungsangebote der Polizei wahrzunehmen, sondern vor allem besser aufeinander aufzupassen und rechtzeitig die 110 zu wählen. Gleiches gilt letztlich auch für Straßenraub und Handtaschendiebstahl. „Wenn die Leute beim Geldabheben schon ausgespäht werden, um sie beim Verlassen der Bank dann abzupassen, zu bedrängen und schließlich auszunehmen, handelt es sich um organisierte, strategisch geplante Aktionen“, warnt Liedtke vor einer fortschreitenden Professionalisierung der Täter.

In Haspe rief jüngst ein Opfer, das von zwei Südosteuropäern auf offener Straße beraubt wurde, um Hilfe – die Passanten schüttelten angesichts der Geschreis nur den Kopf und solidarisierten sich letztlich mit den Tätern. Für Liedtke ein Unding und eine Kultur der Missachtung, die seine Beamten alleine – trotz bester Zusammenarbeit mit den Kräften des Ordnungsamtes – ohne Unterstützung aus der Bürgerschaft kaum kompensieren könnten.

Und die Situation droht sich in den nächsten Monaten zu verschärfen. Sollte die Arnsberger Bezirksregierung einem von der Politik geforderten Verbot des Dortmunder Straßenstrichs zustimmen, würden die dort agierenden 700 Prostituierten mit ihren vielköpfigen Clans sich neue Reviere suchen. Während die Straßenmädchen vorzugsweise Richtung Essen und Bochum drängen, strömen ihre männlichen Begleiter in alle Himmelsrichtungen – auch nach Hagen. Die Dortmunder Polizei geht von einem vagabundierenden Heer von mehr als 1000 Bulgaren aus – Verwandte, teils Zuhälter, auch Verbrecher.

Taschendiebstahl bis zum Raub

Das Landeskriminalamt wies die Dortmunder Polizei zuletzt darauf hin, dass die von Bulgaren ausgeübte Kriminalität im vergangenen Jahr deutlich zugenommen habe. Die meisten überführten Täter gaben als Wohnort Dortmund an. Zum Teil summieren sich dort 56 Namen auf eine Adresse. Dortmunds Polizeipräsident Hans Schulze: „Das ist eine ganz neue Dramatik.“ Bei den Straftaten handele es sich im Wesentlichen um Eigentumsdelikte, also alles vom Taschendiebstahl bis zum Raub. Erste Strukturen von organisierter Kriminalität seien bereits erkennbar.

Soweit will es Polizeidirektor Liedtke gar nicht kommen lassen: „Wir wollen es diesen Leuten in Hagen so unangenehm wie möglich machen.“ Die Streifenwagenbesatzungen sprechen gezielt potenzielle Tätergruppen an, überprüfen und zeigen Präsenz. Autos mit ausländischen Kennzeichen werden systematisch kontrolliert und überprüft. „Natürlich spüren wir die Verdrängungsaktivitäten der Kollegen in Dortmund“, ist Liedtke durch den engen Kontakt zur Nachbarstadt über die polizeitaktischen Aktivitäten dort permanent informiert. Doch von Dortmunder Zuständen sei man an der Volme ein ganzes Stück entfernt.

Noch ist Hagen eine sichere Stadt.