Hagen. Wahlpanne in Hagen: Als Unternehmer Andreas Engelhardt seine Briefwahlunterlagen prüfte, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen.
Andreas Engelhardt (62) aus Hagen hatte seinen Wahlschein schon unterschrieben, als er einen Blick auf die Rückseite des Papiers warf. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Statt der zu erwartenden weißen Leere war dort tatsächlich ein zweiter Wahlschein abgedruckt, adressiert an eine Wählerin in Berchum. „Das kann doch wohl nicht wahr sein“, ärgert sich der Unternehmer, der nun um seine Teilnahme an der Europawahl fürchtet: „Dieser Wahlschein kann doch nie im Leben Anerkennung finden.“
Engelhardt ist einer von rund 20.000 Bürgern in Hagen, die Briefwahl beantragt haben. Wie viele von ihnen noch einen fehlerhaften Wahlschein erhalten haben, weiß die Stadtverwaltung Hagen nicht zu beziffern: „Bisher handelt es sich nach unserem Kenntnisstand nur um zwei Fälle, die zurzeit mit den betreffenden Bürgern durch das Briefwahlbüro geklärt werden“, erläutert Michael Kaub, Sprecher der Stadtverwaltung.
Fehler auf zwei städtischen Druckern
Die Frau aus Berchum, deren Wahlschein samt Name samt Adresse auf der Rückseite von Engelhardts Wahlschein abgedruckt ist, habe keine Briefwahlunterlagen zugeschickt bekommen, gesteht Kaub ein. Das Briefwahlbüro werde ihr einen neuen Wahlschein ausstellen: „Der ursprüngliche Wahlschein wird für ungültig erklärt. Dafür ist aber der fehlerhafte Wahlschein vonnöten.“
Ursache für die Wahlscheinpanne im Rathaus Hagen sei eine fehlerhafte technische Voreinstellung auf zwei von insgesamt 15 Druckern gewesen, so Kaub: „Dadurch wurde aus Versehen doppelseitig gedruckt.“ Die zuständigen Sachbearbeiter hätten den Vorfall frühzeitig bemerkt, so dass die Druckeinstellungen korrigiert wurden und es nicht zu weiteren Fällen dieser Art kommen konnte. Bedauerlicherweise seien dennoch „einige Schreiben“ doppelseitig versendet worden.
Verstoß gegen Datenschutz wird geprüft
Bei Andreas Engelhardt löst der Lapsus Kopfschütteln aus: „So etwas darf doch nicht passieren.“ Der Leiter eines Montagsunternehmens, der meist nur an den Wochenenden zu Hause im Gerichtsviertel von Hagen weilt und seine Stimme deshalb am liebsten per Briefwahl abgibt, sieht durch den doppelseitig bedruckten Wahlschein und die Tatsache, dass er nun weiß, wie die Wählerin aus Berchum heißt und dass sie ebenfalls Briefwahl beantragt hat, den Datenschutz verletzt: „Schließlich ist ein Wahlschein ein amtliches Dokument mit eidesstattlicher Versicherung.“ Nun fürchtet er um seine Teilnahme an der Europawahl.
Doch die Stadtverwaltung Hagen („Zunächst einmal entschuldigen wir uns für die Unannehmlichkeiten, die bei den betroffenen Bürgern entstanden sind“) befürchtet keine schwerwiegenden Konsequenzen. Zwar werde geprüft, ob ein signifikanter Verstoß gegen den Datenschutz vorliege, sagt Stadtsprecher Kaub: „Das Wahlgeheimnis bleibt davon aber unberührt. Es kann keine Verbindung der Person mit seiner Stimmabgabe hergestellt werden; hier sind auch keine wahlrechtlichen Auswirkungen zu sehen.“ Der Stimmzettel bleibe von der Panne ohnehin unberührt, also gültig, da er separat in den Stimmzettelumschlag gelegt werde.
34 Parteien auf dem Stimmzettel
Wer Briefwahl beantragt, erhält neben dem Wahlschein den Stimmzettel, auf dem bei der Europawahl übrigens 34 Parteien aufgelistet sind, sowie einen roten Umschlag für die Stimmabgabe, den amtlichen Wahlbriefumschlag und ein Merkblatt zur Briefwahl, auf dem diese erläutert wird. An Eides statt muss der Briefwähler auf dem Wahlschein versichern, dass er das Kreuzchen auf dem Stimmzettel persönlich gemacht habe. Die Wahlunterlagen kann man anschließend dem Wahlamt zusenden oder persönlich bei der Stadtverwaltung abgeben.
Engelhardt und andere Briefwähler mit doppelseitigen Wahlscheinen sollten sich unbedingt im Briefwahlbüro oder in den Bürgerämtern melden und die fehlerhaften Dokumente, die dann ungültig gemacht werden, gegen neue austauschen, empfiehlt die Stadtverwaltung Hagen. Eventuelle Fristen seien nicht gefährdet, auch eine Gefährdung der Europawahl durch die Wahlscheinpanne hält die Stadtverwaltung für ausgeschlossen. Mit welchen Maßnahmen die Stadt Hagen einen korrekten Ablauf der Europawahl gewährleisten will? „Die Mitarbeiter im Briefwahlbüro wurden noch einmal ausführlich darauf hingewiesen, intensiv die Ausdrucke bzw. die Rückseite zu kontrollieren.“
Andreas Engelhardt ist jedenfalls gespannt, wie es nun weitergeht. Er will sein Wahlrecht auf jeden Fall ausüben: „Ich sehe das als meine Pflicht an. Schließlich habe ich noch nie eine Wahl ausgelassen.“
Das sagt die Bezirksregierung
Das Briefwahlbüro Hagen befindet sich im Rathaus am Bahnhof (Rathaus 2), dort werden die Wahlscheine ausgedruckt. Verantwortlich für die Organisation der Wahlen ist die Abteilung Statistik und Wahlen im Fachbereich Öffentliche Sicherheit und Ordnung der Stadt Hagen. Stadtwahlleiter bei der Europawahl ist Dezernent Dr. Andrè Erpenbach.
Der Bezirksregierung Arnsberg, der die Rechtsaufsicht über die Stadt Hagen in Sachen Europawahl obliegt, wurde durch eine Anfrage unserer Zeitung bekannt, dass fehlerhafte Wahlscheine in Hagen verschickt worden sind.
Die Behörde sieht aber nach Auskunft eines Sprechers noch keinen Grund einzuschreiten. Offenbar handele es sich lediglich um ein „versandorganisatorisches Problem“, die Situation in Hagen scheine inzwischen „geheilt“ zu sein.
Auch die Stadt Hagen teilte später mit, es sei eine Meldung an die Datenschutzaufsichtsbehörde (Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW) erfolgt.