Hagen-Mitte. Die Stadtverwaltung hat sich angesichts der neuen Flüchtlingsunterkunft in der Hochstraße den Fragen der Bürger gestellt
Für die 65 Männer vorzugsweise aus Syrien, der Türkei und der Ukraine ist es ein Segen, die Karl-Adam-Halle, die jetzt schon seit Monaten für sie ein Übergangszuhause ohne jegliche Privatsphäre bildet, in Richtung Hagener Innenstadt verlassen zu können. „Diese Menschen sind sehr dankbar für das, was ihnen hier gewährt wird“, berichtet Kira Lübold, die als Sozialarbeiterin die Geflüchteten in Vorhalle begleitet. Ab Mai sollen die Menschen in der Hochstraße zwei ursprünglich zum Hostel umgebaute Mehrfamilienhäuser beziehen. Eine Entwicklung, die von Sportlern, die erneut seit dem Herbst vor verschlossenen Turnhallen-Türen stehen, natürlich begrüßt wird – bei anderen löst dieser Umzug von alleinreisenden Asylbewerbern eher gemischte Gefühle aus. Am Dienstagabend stellte sich die Stadtverwaltung zusammen mit der Polizei im Ratssaal den Sorgen, Ängsten, Bedenken, aber auch Anregungen der knapp 100 interessierten Bürger.
Es war eine Mischung aus Neugierigen, Verängstigten und Wutbürgern, garniert mit einigen Zuversichtlichen, die zunächst geschlagene 40 Minuten geduldig den Ausführungen der Stadtspitze lauschten. Oberbürgermeister Erik O. Schulz machte dabei noch einmal deutlich, dass über die Zuwanderungsquoten nicht in Hagen entschieden werde, sondern die Stadt lediglich auf die Zuweisungen reagieren könne – Vorlauf: gerade einmal 14 Tage. „Auch meine Meinung hat sich seit der ersten Zuwanderungswelle verändert“, signalisierte er durchaus Verständnis für die zunehmenden Widerstände in der Bevölkerung, „wir brauchen hier endlich Hilfe und zeigen auf allen Ebenen unsere Grenzen auf.“
500 Geflüchtete in Wohnungen
2800 Menschen leben aktuell als Asylsuchende in Hagen, für 1700 muss die Stadt Unterkünfte bereitstellen. Hinzu kommen noch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sowie die EU-Zuwanderer aus Südosteuropa, die ebenfalls auf den lokalen Wohnungsmarkt drängen. Daher sind die Zeiten auch vorbei, in denen die Verwaltung von der hohen Leerstandsquote in der Stadt profitierte und immerhin 70 Prozent der Zugewiesenen in 500 Wohnungen über alle Bezirke verteilt unterbringen konnte. Doch im Herbst sah der Krisenstab unter der Regie von Ordnungsdezernent André Erpenbach keine andere Möglichkeit mehr, als die Turnhallen in der Boelerheide sowie in Vorhalle als Quartiere zu belegen. Gruppeneinrichtungen, die letztlich die schlechtesten Rahmenbedingungen für eine gelingende Integration bieten.
Daher begreift die Stadt die Belegung eines Hostels, in das zunächst einmal für fünf Jahre maximal 94 Menschen, darunter auch Familien, einziehen können, als eine Chance. Die gerade erst komplett sanierten Etagen bieten vor allem Einzelzimmer zwischen 8 und 12 Quadratmetern, ausgestattet mit Etagenbett, Schlichttisch, zwei Kunststoffstühlen und zwei Stahlspinden, in denen jeweils zwei Geflüchtete leben werden. „600 Menschen haben wir allein im vergangenen Jahr aufgenommen“, informierte Sozialdezernentin Martina Soddemann, „das sind mehr als in der Hochzeit der ersten Welle in den Jahren 2026/17. Nach der finanziellen Lage der Stadt fragt dabei niemand“, forderte sie erneut, dass bei der Zuteilung sämtliche Formen der Zuwanderung berücksichtigt werden.
Sicherheitsdienst rund um die Uhr
Pfarrer Thomas Hammermeister-Kruse, der in seiner zur Weitschweifigkeit neigenden Moderation seine selbst formulierten Appelle zu Redezeitlimits erschreckend oft ignorierte, verstand es in der sich anschließenden Debatte, die aufkommenden Emotionen in der Zuhörerschaft in sachliche Bahnen zu lenken. Dennoch wurde offenkundig, dass die Nachbarn ein mulmiges Gefühl beschleicht, ob die Immobilie in der Hochstraße sowohl mit Blick auf den angrenzenden Einzelhandel als auch die Schulen im Umfeld tatsächlich geeignet sei. Soddemann machte deutlich, dass ein Sicherheitsdienst rund um die Uhr in dem Objekt unterwegs sei und auch Sozialarbeiter permanent als Ansprechpartner zur Verfügung stünden. Zudem habe die Polizei ein besonders waches Auge auf das Quartier. Polizeidirektor Steffen Mielke, Chef der Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz, versuchte zu objektivieren und versicherte: „Weder geht eine Gefahr von den Objekten, noch für die Objekte aus. Das ist unsere bisherige Erfahrung mit den Sammelunterkünften in Hagen.“
Bedenken, dass die Bewohner permanent auf der Straße herumlungern würden, versuchte wiederum Natalia Keller, Leiterin des Fachbereichs Integration, zu zerstreuen: „Viele Geflüchtete sind schon in Sprachkursen, gehen arbeiten und nutzen Freizeitangebote.“ Zudem verfüge das Gebäude über einen schmalen Balkon sowie einen kleinen Hof als Aufenthaltsfläche. Gleichzeitig sorgte sie für Transparenz hinsichtlich der Kosten: 218 Euro stehen pro Person und Monat für die Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung – in der Hochstraße wird dieser Betrag nicht erreicht.
Geld, das einige Diskutanten lieber in die Innenstadt fließen sehen würden: Wiederholt wurde die Forderung laut, den Fokus endlich wieder auf die Geschäftsleute, nicht bloß auf die Flüchtlinge zu richten. „Ich sehe die Leerstandsentwicklung in der Innenstadt ebenfalls mit Sorge. Aber wir sollten das eine tun, ohne das andere zu unterlassen“, machte OB Schulz deutlich, dass die Ausgaben für Flüchtlinge nicht aus dem gleichen Budget wie die Investitionen in die Citygestaltung bezahlt würden. Mit Blick auf die weiter steigenden Zuweisungszahlen – allein 125 Menschen in den ersten Monaten des Jahres 2024 – versicherte Schulz, dass die Verwaltung sich weiter engagiert dem Thema stelle: „Wir müssen Lösungen finden für eine Situation, die wir uns weder ausgesucht haben, noch ist sie abstellbar.“