Hagen. Im Herzen der Hagener Innenstadt entsteht eine neue Unterkunft für Geflüchtete. Damit sollen die Sporthallen wieder leergezogen werden können.
Die mit feinsten Stäuben geschwängerte Luft legt sich mit ihren Mikro-Partikeln sofort auf die Atemwege. Bei jedem Schritt wirbelt Nachschub vom Boden in die Höhe – hier wird unter Hochdruck ein Rohbau in ein schmuckes Wohngebäude verwandelt. Auf sämtlichen Etagen der Immobilien Hochstraße 95/97 gegenüber dem Ex-Kaufhof-Parkhaus verkabeln Handwerker die letzten Elektroinstallationen, verlegen Fliesen, verspachteln die Wände, gießen Bodenbeläge aus und setzen Türzargen ein. Bis Mitte April soll das Gebäude im Herzen der City nach Abschluss der letzten Malerarbeiten an die Stadt Hagen übergeben werden. „Bis dahin muss noch einiges erledigt werden, aber das bekommen wir schon hin“, freut sich der Hagener Immobilienkaufmann Udo Krollmann, dass er der händeringend nach Unterkünften suchenden Verwaltung mit seinem aktuellen Modernisierungsprojekt aus der Bredouille helfen kann. Denn ab Mai sollen hier etwa 80 bis 100 Geflüchtete einziehen, um schnellstmöglich die noch immer blockierten Hagener Turnhallen wieder für Schul- und Vereinssportler zur Verfügung stellen zu können.
Ursprünglich plante der Investor an dem Standort direkt am Zugang zur Fußgängerzone und nur eine Gehminute vom Kunstquartier entfernt ein eher preisgünstiges Hostel-Übernachtungsangebot zu schaffen. Während im Erdgeschoss die aktuellen Mieter (Pizzeria Romantica, Schneiderei und Kosmetikstudio) verbleiben sollten, war in dem Ladenlokal des früheren Friseurs ein Aufenthaltsraum neben der Rezeption des Hauses angedacht: „Die Baugenehmigung haben wir längst vorliegen“, kümmerte sich die Krollmann-Gruppe in den vergangenen Wochen zunächst um eine ansprechende Gestaltung der Außenfassade. Doch plötzlich meldete die Stadt ihr Interesse an, angesichts des anhaltenden Zuwanderungsdrucks in den beiden inzwischen miteinander verbundenen Objekten für die nächsten Jahre Geflüchtete unterbringen zu können.
Unterkunft komplett durchsaniert
Schnell wurden Ordnungsdezernent André Erpenbach und Udo Krollmann sich über einen Fünf-Jahres-Mietvertrag einig, der sogar noch zweimal um jeweils zweieinhalb Jahre auf insgesamt zehn Jahre verlängert werden kann. „Wir haben den Bau komplett entkernt und sind mit der Wiederherstellung jetzt fast fertig“, erläutert der Investor beim Betreten des Foyers die Situation: „Brandmeldeanlage, Elektro, Sanitär- und Wasser-Installationen, zentrale Gasheizung – alles ist neu.“ Auf jeder der vier Obergeschoss-Wohnetagen – unter dem Dach sogar mit einem üppigen Balkon – befinden sich unterschiedlich dimensionierte Zimmer (12 bis 25 Quadratmeter) für ein bis vier Bewohner.
Die langen Flure, deren freigelegten roten Backsteinwände in Kombination mit den rustikal verputzten Türeinfassungen dem Gebäude den gerade sehr angesagten „Undone-Look“ verpassen, verbinden die beiden Wohnhäuser und sichern zugleich den Zugang zu einem zweiten Treppenhaus, das im Brandfall als Fluchtweg-Alternative dient. Jede Etage verfügt zudem über nach Geschlechtern getrennte Gemeinschaftstoiletten sowie Duschräume, in denen gerade die Fußbodenheizungen verlegt und die Wände gefliest werden. Zudem bietet jede Etage eine Großküche mit einem angrenzenden Speiseraum, wo sich die künftigen Bewohner selbst kulinarisch versorgen können.
Im Kellergeschoss befinden sich obendrein noch Räumlichkeiten für Waschmaschinen, sodass die Geflüchteten in ihrer künftigen Unterkunft völlig autark versorgt sind. Für die entsprechende Möblierung der neugestalteten Räume muss sich jedoch – von den Einbauküchen mal abgesehen – die Stadt Hagen kümmern. Das gilt ebenso für die Begegnungsstätte im Erdgeschoss, wo die Asylsuchenden zusammenkommen können. Dezernent Erpenbach, so informierte er zuletzt in der Bezirksvertretung Mitte die Politik, geht davon aus, dass die Einrichtungsphase bis Mai erledigt ist, sodass das Gebäude bereits in den Sommermonaten von den Schutzsuchenden bezogen werden kann.
Informationen für die Bürger
Um die möglichen Sorgen der Anwohnerschaft hinsichtlich der neuen Nachbarn aufzunehmen und durch umfassende Informationen für Aufklärung zu sorgen, möchte Erpenbach – ähnlich wie in Hohenlimburg anlässlich des geplanten Wohncontainer-Standortes am Kirchenberg-Stadion – in den nächsten Wochen auf die Menschen in der Innenstadt zugehen: „Wir werden rechtzeitig eine Bürgerinformationsveranstaltung im Ratssaal anbieten, bei der wir auf alle Fragen und Details eingehen“, kündigt er ein transparentes Vorgehen an. Der Termin wird im Vorfeld rechtzeitig bekanntgegeben.
„Wir sind als Unternehmensgruppe erst einmal froh, die Stadt beim Freiziehen der Flüchtlingsunterkünfte in den Sporthallen unterstützen zu können“, zeigt sich Krollmann gelassen, seine Hostel-Pläne für den Standort zunächst einmal auf Eis legen zu müssen. Angesichts der Abrisspläne für das gegenüberliegende Parkhaus, auf dessen Areal der Koblenzer Investor Bernd Saas neben der Kaufhof-Wiederbelebung ein Altenwohnprojekt realisieren möchte, hätte die nahe Baustellensituation das Übernachtungsgeschäft ohnehin nicht gerade befördert.
Übrigens: Nach Anlauf des Mietvertrages mit der Stadt, muss die Verwaltung das Gebäude wieder in einem ähnlich durchsanierten Zustand an die Immobiliengruppe zurückgeben: „Vielleicht sorgt ja die Schönheit der Räume dafür, dass der Geist der Bewohner sie motiviert, sie in diesem schicken Zustand zu belassen“, zeigt sich Krollmann als Zweckoptimist.