Hagen. Seit 2023 gehen die Krankenhäuser in Hagen nach einem wahren Beben neu sortiert an den Start. Bei der KKH ist medizinisch lange nicht Schluss.
Es ist die größte Rochade, die der Medizinstandort Hagen in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat. Der Fächertausch zwischen den Katholischen Kliniken und Agaplesion im Jahr 2023 kam einem Klinik-Beben gleich. Kardiologie, Innere Medizin, Neurologie und Schmerztherapie wurden von Agaplesion übernommen und an das Klinikum verlagert. Psychiatrie, Physiotherapie und Psychosomatik bleiben in katholischer Hand und sind nun am Zentrum für Seelische Gesundheit in Elsey vereint. Daneben wechselte die Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie in Agaplesion-Trägerschaft ans AKH. Das St.-Josefs-Hospital bleibt mit den übrigen Abteilungen in Altenhagen. Es soll modernisiert werden.
Seit dem 1. April 2023 arbeiten die Kliniken in diesen neuen Strukturen – vorbehaltlich aller Baumaßnahmen für 120 Millionen Euro, die am AKH noch folgen werden. Die Betriebsleitung des Katholischen Krankenhaus Hagen, bestehend aus den Klinikmanagerinnen Claudia Graf und Bettina Lammers, dem Ärztlichen Direktor Prof. Dr. Jonas Park und Pflegedirektorin Christiane Klein-Meding blicken im Gespräch mit der Stadtredaktion auf die Situation nach der Umstrukturierung, die Vorteile für den Standort Hagen und die Herausforderungen, die nun auf die spezialisierten Standorte zukommen.
Auf dem Papier scheint das alles schnell erklärt. Abteilungen getauscht, Standorte geschlossen, Angebot gebündelt. Haben Sie die 1300 Mitarbeiter auf diesem Weg auch richtig mitnehmen können?
Claudia Graf: Das war und ist eine der größten Herausforderungen. Unser Fokus lag bei allen Veränderungen voll darauf, ob wir die Mitarbeiter überzeugen können, diesen Weg mitzugehen. Und nach einigen Monaten können wir sagen: Das ist gelungen.
Wie wollen Sie das wissen?
Claudia Graf: Eine Vielzahl der Kollegen, die von den Betriebsübergängen betroffen waren, haben sich bei uns zurück beworben, weil sie an unser Projekt glauben. Vier Mediziner sind darunter und rund 70 Pflegekräfte. Wir haben jetzt nicht mehr den Druck, dass wir dringend Leute suchen müssen, um Stellen nachzubesetzen. Wir können Menschen, die sich bei uns bewerben, jetzt auch andere Angebote machen, können Abteilungen so besser aufbauen. Dazu haben wir das duale Studium wieder eingeführt. Wir können Mitarbeiter jetzt viel gezielter weiterentwickeln. Außerdem haben wir keine Fremdarbeiter mehr im Unternehmen.
Sie haben sich von einem Haus, das alles und ziemlich breit gestreut angeboten hat, zu einem entwickelt, das jetzt auf bestimmte Disziplinen spezialisiert ist. Hätte das auf dem Hagener Markt, wo alle Krankenhäuser irgendwie alles angeboten haben, nicht schon vor vielen Jahren passieren müssen?
Bettina Lammers: Kein Krankenhaus hätte diesen Schritt ohne die hohen Förderungen gehen können. Für uns und auch die Partner auf dem Hagener Markt war immer klar, dass das alles zu viel ist. Und noch dazu hatten in dieser Situation alle aufgerüstet, um im Wettbewerb bestehen zu können. Das war paradox. Ein Vorteil war, dass wir in Hagen diese Neuaufteilung selbst und eigenständig vorgenommen haben. Schon bevor uns Reformpläne ereilt haben. Danach gab es ein paar Kinderkrankheiten, die wir abstellen konnten. Wir standen vor der Herausforderung, das alles so ordentlich zu organisieren, dass es dem Patienten nicht auffällt. Jetzt stellen wir aber schon fest, dass die Spezialisierung uns viele Vorteile verschafft. Wir hatten im Dezember Tage mit einer 89-prozentigen Belegung. Das ist für ein Krankenhaus immens viel. Das bedeutet im Prinzip, dass es voll ist.
Kann die Spezialisierung also auch zu Überlastung führen?
Dr. Jonas Park: Die Gefahr kann in einigen Bereichen bestehen. Das sind aber Ausnahmen. Für uns ist nun wichtig, dass die Umstrukturierung nicht das Ende ist, sondern dass aus der Spezialisierung der Standorte immer weitere medizinische Exzellenz erwächst. Wir sind nicht fertig. Gerade erst haben wir einen onkologischen Schwerpunkt gesetzt. Die Deutsche Krebsgesellschaft hat uns als Krebszentrum zertifiziert. Das ist das Gütesiegel schlechthin in diesem Bereich. Den onkologischen Schwerpunkt wollen wir auch ausbauen. Das müssen wir auch. Allein schon aus demografischer Sicht.
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Medizinische Exzellenz, Weiterentwicklungen - wie erfahren die Patienten das denn eigentlich?
Jonas Park: Das ist eine wesentliche Aufgabe ab jetzt, diese Spitzenmedizin der Bevölkerung zugänglich zu machen. Wir sind in der Region führend in bestimmten Bereichen wie der Kopf-Hals-Region, Augen, Psychiatrie, der Weichteilchirurgie, der Onkologie oder der Radiologie, der Gefäßchirurgie, der Plastischen Chirurgie, Angiologie und Geriatrie. Das zu transportieren, wird sehr wichtig sein.
Sie sind Inhaber eines Lehrstuhls für Hals-Nasen-Ohrenkunde.Uni-Medizin in Hagen also. Das ist ja so ein Beispiel.
Jonas Park: Ja, das ist mir auch wichtig zu erwähnen. Wir machen hier universitäre Medizin. Wir haben eine ganze Reihe von Forschungsprojekten im Bereich der Robotik und des Machine Learning. Auch der Bereich der Präzisionsmedizin wächst. Behandlungen mit Antikörpern, Target-Therapien, um bestimmte Proteine anzugreifen. Und wir bauen im OP-Bereich um.
Was wird da entstehen?
Jonas Park: Das Josefs-Hospital erhält eine Angio-Suite. Ein OP-Saal, in dem man chirurgische Maßnahmen, aber auch endovaskuläre, also an den Gefäßen zum Beispiel, durchführen kann. Das ist eine enorme medizinische Weiterentwicklung. Weiterhin bekommen wir ein digitales Mikroskop, das weltweit die beste Auflösung und Vergrößerung hat. In Deutschland wären wir die erste HNO-Klinik, die dieses Mikroskop anbieten kann. Dies ist auch richtungsweisend, da Robotik in Zukunft hauptsächlich in Kombination mit einem digitalen Mikroskop in diesem Fachbereich angewandt wird.
Claudia Graf: Die Angio-Suite ist gleichzeitig dabei behilflich, junge Ärzte weiterzuentwickeln. Eine bestimmte Software kann einen jungen Arzt hier durch eine komplette Diagnosestellung führen. Wir wollen durch kluges Wirtschaften und Spitzenmedizin hier künftig noch mehr investieren und das Krankenhaus auch technisch auf neue Level hieven.
Was hat die Schließung des Johannes-Hospitals mit den Mitarbeitern gemacht? Da hat es doch sicher nicht nur Freudensprünge gegeben.
Bettina Lammers: Dass wir immer an drei Standorten vertreten waren, war für viele Mitarbeiter eine Gewohnheit. Am Fall des Johannes-Hospitals haben wir gesehen, wie sehr Menschen an Steinen hängen. Unsere Aufgabe ist es, es hinzukriegen, dass die Mitarbeiter sich nicht nur mit einem Standort, sondern mit dem Unternehmen verbunden fühlen. Gerade viele ältere Mitarbeiter haben noch ganz andere Zeiten mitgemacht bei uns. Das alles zu verbinden und in Einklang zu kriegen, ist eine große Herausforderung.
Jonas Park: An der wir stetig arbeiten und die wir in Zukunft auch in die Öffentlichkeit tragen wollen. Ein Ziel ist es, in der Belegschaft eine Identität zu bilden. Aber das sind Prozesse, die noch sehr intern sind.
Sind mit all diesen Prozessen und Spezialisierungen eigentlich ein für allemal die Visionen eines Hagener Großklinikums vom Tisch?
Claudia Graf: KKH, Agaplesion und Mops werden am Ende des Prozesses hoch spezialisierte Kliniken sein. In Hagen wird es nichts mehr doppelt geben, sondern klare Anlaufpunkte. Jetzt muss man mal alle zur Ruhe kommen und arbeiten lassen. In der Zukunft werden wir sicherlich verstärkt kooperieren mit den lokalen Partnern wie dem AKH, dem Mops, aber auch mit Herdecke.