Hagen. Uwe Beckmann hat 18 Jahre lang das Freilichtmuseum Hagen geleitet. Jetzt geht er und blickt auf eines der schönsten Museen der Republik.
Als wir endlich oben sind, können wir es unten im Tal nur erahnen. Vielleicht müsste man einen der drei Türme besteigen, an denen Hagens berühmtester Wanderweg vorbeiführt, um einen Blick auf das Mäckinger Bachtal zu erhaschen. Geht aber nicht. Die sind an einem gewöhnlichen Wochentag zwischen den Jahren geschlossen. Die Eindrücke aber, die Uwe Beckmann, von seinem Museum, von seinem Lieblingsmuseum hat, sind noch so präsent. Obwohl sein letzter Arbeitstag nach 34 Jahren und zehn Monaten an einem der schönsten Orte der Stadt schon fast zwei Monate zurückliegt.
Beckmann, lange Jahre Leiter des LWL-Freilichtmuseums im Mäckinger Bachtal, das man getrost als eines der schönsten, der reizvollsten Museen Deutschlands bezeichnen kann, ist jetzt Rentner. Einer, der gut zu Fuß sein will und es sich deshalb angewöhnt hat, jeden Morgen beim Bäcker in Bochum Brötchen zu holen. „Nicht beim nächsten um die Ecke“, wie er sagt. „Auch nicht beim übernächsten. Sondern bei dem, bei dem ich dann schon 5000 Schritte auf der Uhr habe.“
Riesenschritte im Freilichtmuseum
5000 Schritte (und noch ein paar mehr) - was kann es für diesen Mann und diesen Termin da Besseres geben, als diesen Weg. Als den Drei-Türme-Weg, den auch der Dauerregen, der jetzt gefühlt seit zwei Monaten unablässig auf Hagen herabprasselt, nicht klein kriegt. Die Beschaffenheit ist gut. Es geht bergan. Wir atmen schwer, plaudern trotzdem, kommen Schritt für Schritt voran.
Schritt für Schritt, zuletzt eher Riesenschritt für Riesenschritt, ging es auch voran in jenem Museum, in dem der junge Beckmann nach dem Studium einst als wissenschaftlicher Volontär gestartet war. Ein komplett neuer Eingangsbereich mit neuem Gebäude, das der vermaledeiten Jahrhundertflut irgendwie getrotzt hat. Eine versetzte historische Windmühle, die früher von der Straße aus sichtbar war und als Symbol des Museums galt. Ein barrierefreier Weg mit einer Steigung, die auch Rollstuhlfahrer bewältigen können, hin zum höchsten Punkt. Und schließlich eine elektrische Bimmelbahn, die zwar noch nicht geliefert, aber nach Jahren doch bestellt werden konnte und bald auch jene Besucher auf einer eigenen Trasse in den hintersten Winkel des Freilichtmuseums bringen soll, die nicht mehr so gut zu Fuß sind.
Landschaftsverband im Hintergrund
Uwe Beckmann und sein Team haben all das geplant, beantragt, in die Wege geleitet. Der Landschaftsverband Westfalen Lippe mit seinen Politikern und seinen Ausschüssen (Beckmann: „Ein toller Arbeitgeber, der viele Fortbildungsangebote bereithält und sich nicht im Alltag einmischt“) hat vieles davon im Hintergrund ermöglicht.
So schläft es nicht, dieses Museum. Es ruht nicht. Auch nicht in den letzten Tagen eines Leiters, der einst an der Ruhr-Universität Technikgeschichte studiert hat, mit Mitte vierzig noch mal ein Jahr Kulturmanagement an der Fernuni und doch feststellen musste, dass als Leiter eines solchen Museums, das viele Besucher ja vor allem als einen Ort sehen, an dem sie ihre Freizeit, ein paar schöne Stunden verbringen, für das wissenschaftliche Arbeiten, für das Forschen, kaum noch Zeit bleibt. „Das Museum ist vielfältig, ist mit all seinen Veranstaltungen, von denen wir wissen, dass sie Besucher anziehen, abwechslungsreich. Wenn das anders gewesen wäre“, sagt Beckmann, „dann wäre ich hier vermutlich nicht fast 35 Jahre geblieben.“
Museum als Freizeiteinrichtung
Das alles hat auch mit dem Selbstverständnis des Freilichtmuseums zu tun, das auch durch seinen ehemaligen Leiter getragen wird: „Wir sind eine Freizeiteinrichtung. Menschen kommen, um Freunde zu treffen, um etwas Leckeres zu essen und ein paar schöne Stunden zu verbringen“, sagt Uwe Beckmann, „wenn sie dann im besten Fall inhaltlich noch ein bisschen etwas mitnehmen... Mehr können wir doch gar nicht wollen. Wir fragen hier bei niemandem sein historisches Wissen nach seinem Museumsbesuch ab. Wir wollen, dass die Besucher sich willkommen fühlen.“
Im Ehrenamt beim VfL Bochum
Ein Riesenschritt ist nicht nur der über eine Pfütze auf dem Drei-Türme-Weg hinweg, sondern der aus einem Arbeitsalltag, der selten nach acht Stunden ein Ende gefunden hat, hinein in ein Privatleben, in dem es plötzlich Zeit zu füllen gibt. Ein Riesenschritt nicht nur für Uwe Beckmann, sondern auch für seine Frau: „Die muss sich jetzt erst einmal daran gewöhnen, dass da jetzt jemand rumläuft, der da vorher nicht gewesen ist“, sagt Beckmann mit Blick auf Loriots Klassiker „Papa ante portas“. Und weiter: „Ich habe tatsächlich ein paar Wochen gebraucht, um erst einmal ein bisschen runterzukommen. Es ist irgendwie auch ein schönes Gefühl, wenn man nicht mehr Sonntagsnachmittags darüber nachdenkt, wie man ab Montag die Woche organisiert.“
Beckmann will künftig Türen öffnen. Neue Türen. Für sich selbst. Und für andere. „Ich werde mich ehrenamtlich beim VfL Bochum engagieren“, sagt er. Was in einem professionellen Fußballverein, der in der ersten Bundesliga unterwegs ist, fast widersinnig klingt, ergibt Sinn, wenn Beckmann (VfL-Vereinsmitglied und Inhaber einer Dauerkarte) die Hintergründe erläutert. „Es ist ein Projekt in Planung, bei dem man mit einem Koffer voller Erinnerungen demente Menschen besucht.“ Der Bochumer Ruhrgebietsfußball hat eine Botschaft. Und Beckmann will sie zu jenen bringen, die in der Jetzt-Zeit, in der der VfL mal wieder um den Klassenerhalt kämpft, nicht mehr ankommen werden.
Spaziergang am Arbeitsplatz
Freilichtmuseum war nicht Klassenerhalt. Freilichtmuseum war etwas Besonderes. Für Beckmann eher Champions League. „Es ist einer, wenn nicht gar der schönste Arbeitsplatz in Hagen“, sagt der Ex-Museumsleiter über das lange Tal, durch das sich ein Bach hinab an all den Mühlen schlängelt. „Da kann man sich auch mal einen Moment Zeit nehmen und am Arbeitsplatz spazieren gehen.“
Das Bild des wunderbaren Tals hat er noch im Kopf. Sehen kann man es vom Drei-Türme-Weg aus nicht.