Hagen. Immer mehr Hagener können ihre Schulden bei der Stadt nicht mehr bezahlen - die Zahlen steigen. Ein Blick auf die größten Posten:
Auch wenn die Stadt Hagen kein Geld hat – den Überblick über die sich auftuenden Löcher hat sie längst noch nicht verloren. Im Gegenteil: Die Kämmerei kann stets präzise beziffern, wie hoch die Schulden der Kommune bei den Banken sind. Aber genauso exakt hält man im Rathaus nach, mit welchen Beträgen zahlreiche Hagener Bürger und Firmen bei der Kämmerei bei der Begleichung offener Rechnung in der Kreide stehen: Aktuell sind das in Summe fast 45 Millionen Euro, bis zum Jahresende dürften sich etwa 48,9 Millionen Euro an Außenständen aufaddieren – mehr als das Doppelte als noch vor zehn Jahren. Dabei handelt es sich vorzugsweise um offene Steuerzahlungen, Bußgelder, aber auch nicht überwiesene Kita-Beiträge. „Dieser Anstieg der Verbindlichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber der Stadt zeigt die sich verschärfende wirtschaftliche Lage der Menschen in dieser Stadt“, sieht Finanzdezernent Christoph Gerbersmann darin durchaus auch sozialpolitischen Sprengstoff.
Die Bereiche, aus denen die offenen Rechnungen stammen, sind ganz unterschiedlicher Art (siehe Grafik): Das Spektrum reicht von nicht bezahlten Krankentransporten der Feuerwehr über unbeglichene Hundesteuer-Forderungen, offene Knöllchen, ausbleibenden Unterhaltszahlungen bis hin zu offenen Grundbesitzabgaben oder Gewerbesteuerforderungen. Aktuell werden für das Jahr 2023 – Stand: Mitte November – 49.251 Fälle in der ersten Mahnstufe (Mahnschreiben) und 29.912 in der zweiten Mahnstufe (Vollstreckung) bearbeitet. Damit ist schon heute fast das Vorjahresniveau (50.762 und 30.054) erreicht. Bis zum Jahresende wird sogar eine Steigerung der Mahnverfahren um 20 Prozent erwartet, was der eindeutigen Tendenz der Vorjahre entspricht.
Von Gewerbesteuer bis Kita-Gebühren
Aktuell sind insgesamt etwa 44,8 Millionen Euro an Forderungen rückständig. Den größten Brocken mit rund 22,6 Millionen Euro stellt die Gewerbesteuer dar. Darauf folgen offene Kindertagesstättengebühren mit 6,3 Millionen und Forderungen für den Vorschuss Kindesunterhalt in Höhe von 3,4 Millionen Euro.
„Bei den Rückständen von Unternehmen wird deutlich, dass leider nicht alle Betriebe finanzielle Vorsorge getroffen haben, um die fälligen Steuern auch zu zahlen“, erläutert Gerbersmann den stattlichen Batzen an unbeglichenen Gewerbesteuerforderungen. „Es zeigt sich bei einigen Unternehmen, dass diese die Coronazeiten, auch dank staatlicher Unterstützung, viel besser überstanden haben, als vermutet“, weiß der Kämmerer. „Aber leider haben einige Unternehmen hier rechtzeitige Vorauszahlungen versäumt und die notwendigen Finanzmittel für die fälligen Steuern auch nicht zurückgelegt. Dies beschäftigt uns aktuell deutlich.“
Wobei niemand glauben sollte, die Forderungen der Stadt aussitzen zu können. „Das Beitreibungsverfahren ist zumeist zweistufig aufgebaut“, erläutert Stadtsprecher Michael Kaub das Vorgehen. Grundsätzlich werden diese Schulden im ersten Schritt mit einem Mahnschreiben gemahnt. Wird daraufhin die Forderung nicht beglichen, erfolgt in der zweiten Stufe regelmäßig die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen. Dies können unter anderem Konten- und Lohnpfändungen, aber auch Vollstreckung durch den Vollziehungsaußendienst sein. Selbst Eintragungen ins Grundbuch oder Zwangsversteigerung sind vorstellbar, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.
Offene Rechnungen werden konsequent verfolgt
Die Stadt bleibt hier, ganz im Sinne der brav zahlungswilligen Steuer- und Gebührenzahler, hartnäckig: Denn eine sogenannte „Beitreibung“ der Gelder gilt erst dann als aussichtslos, wenn das Ergebnis von Vollstreckungsmaßnahmen kein pfändbares Einkommen oder Vermögen ergibt und weitere Haftungsschuldner nicht vorhanden sind.
„Im Hinblick auf die vergangenen zehn Jahre ist sowohl die Summe der rückständigen Forderungen als auch die Anzahl der Mahnverfahren deutlich gestiegen“, beschreibt Kaub die deutlich sinkende Zahlungsmoral der Hagener in den vergangenen Jahren. Waren im Jahr 2012 noch 21,3 Millionen Euro Forderungen rückständig sind es heute etwa 48,9 Millionen. Auch die Anzahl der Mahnverfahren der Stufe 1 ist im Jahr 2012 von 28.500 auf 50.762 im abgeschlossenen Jahr 2022 gestiegen. Im Jahr 2012 wurden 18.470 Forderungen in die Vollstreckung übertragen. Für das abgeschlossene Jahr 2022 sind 30.054 Forderungen in die Vollstreckung weitergeleitet worden. „Die Tendenz ist steigend aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage mit Kostensteigerungen und der daraus resultierenden Inflation“, so der Stadt-Sprecher.
Kämmerer Gerbersmann weist zudem auf Aufaddierungseffekte hin: „Die steigenden Summen sind auch darauf zurückzuführen, dass die Stadt Forderungen erst dann aufgibt, wenn wirklich dauerhaft nicht mit einer erfolgreichen Beitreibung zu rechnen ist. Dies gebietet aus meiner Sicht der Gleichbehandlungsgrundsatz, führt aber natürlich dazu, dass Forderungen sehr lange in den Büchern der Stadt stehen.“ Die Kämmerei versuche immer wieder in zeitlichen Abständen diese Forderungen beizutreiben, „bis eine dauerhafte Aussichtslosigkeit zum Beispiel auf Grund des Alters der Schuldner festgestellt wird“.