Hohenlimburg. Eine verstorbene Gräfin soll als „Weiße Frau“ durch Schloss Hohenlimburg geistern. Kann das sein? Ein Selbstversuch um Mitternacht:

In dieser Nacht lassen sich die Sterne über Schloss Hohenlimburg nicht zählen. Wolken hängen wie ein weißer Teppich am Himmel und geben kaum Mondlicht auf die Höhenburg. Schaurig-schön, könnte man sagen. Ich schaue auf die Uhr, kaum dreißig Minuten sind es noch bis Mitternacht. Werde ich zur Geisterstunde hier Geister zu sehen bekommen? Treffe auch ich die Weiße Frau, die hier spuken und so manchem Schlossbesucher schon begegnet sein soll? Ein Selbstversuch.

Zur Geisterstunde auf Schloss Hohenlimburg. Hinter dem Torhaus strahlt der Mond durch die Wolken auf das Torhaus.
Zur Geisterstunde auf Schloss Hohenlimburg. Hinter dem Torhaus strahlt der Mond durch die Wolken auf das Torhaus. © Hagen | Michael Kleinrensing

+++ Auch interessant: Schloss Hohenlimburg: Hier alle Infos zum Weihnachtsmarkt +++

Geisterjäger im Schloss

Vorweg: Diese Geschichte läuft im Rahmen der Angst-Serie dieser Zeitung. Ich glaube nicht an Geister, lerne aber in der Recherche zu diesem Thema schnell: Es kommt auf die Brille an, durch die man seine Welt betrachtet. „Prüfen sie zunächst, ob das, was sie wahrnehmen, auch eine rationale Erklärung haben kann“, rät Melanie Schindler im Vorfeld des nächtlichen Spaziergangs durch Schloss Hohenlimburg. Schindler gehört zum Team der Ghosthunter NRW, den Geisterjägern. „Auch seien sie offen und ziehen Sie die Möglichkeit in Betracht, dass es verstorbene Menschen gibt, die sich hier bemerkbar machen.“ Das dem so ist, davon sind die Ghosthunter überzeugt.

„Ghosthunter NRW“

Die selbst ernannten Geisterjäger waren vor fünf Jahren des Nachts auf Schloss Hohenlimburg und haben Phänomene in Bild und Ton festgehalten, die sie nicht für normal halten. Ein Foto, auf dem sich angeblich „die Weiße Frau“ in einer Vitrine spiegelt, ist für Jedermann im Netz einsehbar. Ich bleibe skeptisch, will aber mein Bestes versuchen. Wer weiß, was ich in dem jahrhundertealten Gemäuer erlebe?

Der Mond leuchtet durch die Fahne hoch über dem Schloss.
Der Mond leuchtet durch die Fahne hoch über dem Schloss. © WP | Michael Kleinrensing

Rainer Scholz hat „die weiße Frau“ bisher noch nicht gesehen. Dabei ist er seit Jahrzehnten in den Mauern auf Schloss Hohenlimburg unterwegs, auch häufig zu später Stunde. Als Nachtwächter bietet Scholz regelmäßig Führungen durch die Höhenburg an. Er begleitet auch mich auf meinem Selbstversuch.

Lichter mit Bewegungsmelder

Zurück auf Schloss Hohenlimburg, wo eine halbe Stunde vor Mitternacht die Wolken am Himmel hängen. Zweifellos: Es ist eine besondere Atmosphäre, die diese Mauern im Dunkel der Nacht ausstrahlen. Wir stehen vor dem Torhaus, blicken das von vielen Fenstern durchzogene Mauerwerk hinauf. Blitzt da ein Licht hinter einem Fenster auf? Nachwächter Rainer Scholz nickt. Manchmal komme das vor.

Nachtwächter Rainer Scholz schließt hinter sich das schwere Außentor von Schloss Hohenlimburg.
Nachtwächter Rainer Scholz schließt hinter sich das schwere Außentor von Schloss Hohenlimburg. © WP | Michael Kleinrensing

Offene Fenster und Lichter

„Auch im Dachboden ging eine zeitlang nachts immer das Licht an“, berichtet er von seinen Erlebnissen bei früheren Führungen. „Dort hatten wir auch mal ein Fenster, das stand bei Nachwächterführungen immer wieder auf - obwohl der Hausmeister vorher sagte, er hätte es geschlossen.“ Ich stutze. Spukt es hier vielleicht doch?

Nüchterner Schlossführer

Rainer Scholz lächelt. „Das Gruseln ist des Menschen schönster Teil“, sagt er mit der Nüchternheit eines Menschen, der seit vielen Jahren nächtliche Führungen durch dieses Gebäude macht. Statt von Spuk spricht er lieber von „verschiedenen Effekten.“ Ein halber Baumstumpf in einem Gebüsch neben dem Schloss sehe im richtigen Dämmerlicht im Winter so aus wie ein Mönch. „Der Kopf macht da sehr viel.“

Der Weg hinaus auf den Schlosshof kurz vor Mitternacht.
Der Weg hinaus auf den Schlosshof kurz vor Mitternacht. © WP | Michael Kleinrensing

Auch für Lichter im Schloss, die plötzlich aufleuchten, und offen stehende Fenster lassen sich weniger schaurige Erklärungen finden. Schließlich sind besagte Lampen mit Bewegungsmeldern ausgestattet und es lebt allerlei Getier auf diesem Schloss. „Wir haben zum Beispiel einen Schlossmarder, der hier durch die Gegend läuft“, berichtet Scholz. Der habe ihn auch einmal nachts im Hof erschreckt, „als er von einer schwarzen Katze gejagd wurde und mir plötzlich entgegenkam.“

Tödliche Bäume

Dennoch: Wer sich einlassen will auf das Übernatürliche und jenseitige Welten, dem bietet das Schloss allerlei Erzählungen, die den Kopf in Bewegung bringen. Wie die beiden Eiben, deren dunkle Kronen im Schlosshof gen Himmel ragen. Uralte Nadelbäume einer Art, deren Samen bei Verzehr schon in geringer Menge tödlich sein können für Mensch und Tier. Einer Art, um die sich wohl nicht zuletzt deshalb auch viele Mythen ranken. Im alten Rom galten Eiben als die Bäume, die die Unterwelt bewachen.

Der Hof von Schloss Hohenlimburg unter dem von Wolken behangenen Himmel - links im Bild ragt die hohe Baumkrone einer Eibe hervor.
Der Hof von Schloss Hohenlimburg unter dem von Wolken behangenen Himmel - links im Bild ragt die hohe Baumkrone einer Eibe hervor. © WP | Michael Kleinrensing

Legenden und Mythen

„Abwärts senkt sich der Weg, von trauernden Eiben umdüstert, führt er durch Schweigen stumm zu den unterirdischen Sitzen“, zitiert Rainer Scholz den römischen Dichter Ovid. Im Schlosshof flankieren sie wie Wächter den Kenotaph. Ein Denkmal für längst verstorbene Grafen dieses Schlosses, geformt als steinerner Sarg. Ich erinnere mich gut, dass ich als Kind bei einem Schulausflug diesen Sarg sehr schaurig fand. Heute, bald drei Jahrzehnte später, überwiegt die Faszination vor der Geschichte.

Der Kenotaph im Hof von Schloss Hohenlimburg - ein steinernes Denkmal im Grabform. Verstorbene sind in diesem Sarg nicht beigesetzt.
Der Kenotaph im Hof von Schloss Hohenlimburg - ein steinernes Denkmal im Grabform. Verstorbene sind in diesem Sarg nicht beigesetzt. © WP | Michael Kleinrensing

Besuch bei „Weißer Frau“

Ich blicke auf das Schloss, aus den Fenstern schimmert es grün. Kein Spuk, vielmehr der grüne Schein der Notausgang-Schilder in dem Gebäude. Deutsche Fluchtwegkennzeichnung trübt den schaurigen Charme. Wir gehen weiter in das Schloss, hin zu der Frau, die ich um Mitternacht zu treffen hoffe. Weniger als zwei Minuten vor Mitternacht stehen wir im Fürstensaal. Mehrere Gesichter schauen uns stumm von den Gemälden an den Wänden an – darunter auch das Augenpaar von Johannetta Elisabeth von Nassau-Dillenburg. Jener Gräfin, die vor rund vierhundert Jahren auf Schloss Hohenlimburg regierte und zu Lebzeiten viele Schicksalsschläge verkraften musste. Jene Gräfin, deren unruhige Seele deshalb bis heute als „weiße Frau“ durch die Gemäuer spuken soll.

Das Gemälde von Gräfin Johannetta Elisabeth von Nassau-Dillenburg im Fürstensaal von Schloss Hohenlimburg. Sie soll als weiße Frau durch die Gemäuer spuken.
Das Gemälde von Gräfin Johannetta Elisabeth von Nassau-Dillenburg im Fürstensaal von Schloss Hohenlimburg. Sie soll als weiße Frau durch die Gemäuer spuken. © WP | Michael Kleinrensing

+++ Lesen Sie auch: Grafschaft Limburg: Als der Adel in Hohenlimburg regierte +++

Es ist null Uhr. Ich höre in die Dunkelheit, sehe mich um. Keine Erscheinung zu sehen, kein Geräusch zu hören. Gräfin Johannetta blickt weiter stumm aus ihrem Gemälde. Ich habe versucht, mich auf das Unnatürliche einzulassen - aber es blieb mir in dieser Nacht verschlossen. Moment. Verfolgt mich da doch der Blick jener Frau aus dem Gemälde? Nein. „Das ist ein Effekt, der auf die Maltechnik zurückzuführen ist“, klärt Nachtwächter Rainer Scholz auf.

Nicht erklärbar

Wie blickt die Fachmedizin auf Geister-Angst? „Paranormale Erscheinungen lasse sich wissenschaftlich nicht erklären. Wenn es eine Erklärung gibt, dann sind sie entzaubert“, sagt Dr. Philipp Görtz, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Katholischen Krankenhäuser Hagen (KKH). Grundsätzlich werden paranormale Erscheinungen von der Fachmedizin aber nicht verteufelt. Im gewissen Umfang gehörten magisches Denken und Aberglaube auch zur menschlichen Entwicklung dazu, erläutert Dr. Christian Dürich, Leiter der Klinik für Psychosomatische Medizin der KKH.

Der Glaube an Engel, Hausgeister und verstorbene Verwandte, die einem nahe sind - und in beschränktem Umfang auch die Wahrnehmung davon - könnten normale Vorgänge sein. So berichtet auch Dr. Philipp Görtz von Erfahrungen mit Patienten, die von paranormalen Erscheinungen sprechen. „Es gibt Patienten, die zum Beispiel ihren verstorbenen Ehemann zuhause gesehen haben.“ Dies könne auch ein Teil von Trauerbewältigung sein, solange es für den Einzelnen nicht belastend wird.

Symptom von tieferer Angst

Hinter der Angst vor Geistern kann im Einzelfall aber auch eine tiefere Angst stecken. Wenn paranormale Erscheinungen die Betroffenen stark seelisch belasten oder psychosozial beeinträchtigen, dann sollte eine mögliche psychologische Erkrankung geprüft werden, raten die Fachmediziner. „Hierzu gehört auch die Abklärung hirnorganischer Beeinträchtigungen oder möglicher Drogenkonsums“, so Dr. Christian Dürich. Derweil sei die Angst vor Geistern kein klassisches Symptom von Psychosen und Traumata, könnten individuell aber vorkommen. Stellen Ängste vor Geistern Krankheitsbilder dar, die behandelt werden müssen, sollte sie hinsichtlich der zugrundeliegenden Störung behandelt werden, sagt Dr. Dürich. Je nach Grundkrankheit könne man entweder mit Medikamenten ansetzen oder mit Psychotherapie.

Ängsten stellen

Auch könnten beide Ansätze kombiniert werden. Bei allen Arten von psychiatrischen Erkrankungen könnten auch Halluzinationen auftreten, so Dr. Philipp Görtz. „Bei Demenz treten zum Beispiel häufig Halluzinationen auf, die belastend für die Betroffenen sind.“ Grundsätzlich könne man Geister, um sie zu entzaubern, auch einer Realitätsprüfung unterziehen. Geräusche im Haus müssen zum Beispiel kein Poltergeist sein, sondern können auch andere Gründe haben. „Wenn es gelingt, alternative Erklärungen zu finden, kann das die Angst reduzieren“, sagt Dr. Görtz. Auch Expostitionstraining könne helfen. Heißt: Sich seinen Ängsten stellen und bewusst in die Situation begeben, die Angst macht.