Breckerfeld. Auf einer Weide in Breckerfeld entspringt ein Bach. Wer von seiner Quelle bis zur Talsperre wandert, kommt durch ein geheimnisvolles Tal.
Es rauscht. Mal lauter, mal leiser. Mal stärker, mal ein bisschen schwächer. Aber es rauscht. Es rauscht, weil die letzten Wochen so viel Regen gebracht haben, dass an Wasser kein Mangel herrscht. Es rauscht nieder, dieses Wasser, durch einen Bachlauf. Durch den Hasper Bach, der auf einer gewöhnlichen Kuhweide zwischen Breckerfeld und Zurstraße entspringt, unter der Landstraße 528 her fließt und sich schon nach wenigen Metern in ein stattliches Flüsschen verwandelt.
Wer den Hasper Bach an seinem Oberlauf mit allen Sinnen erleben möchte, der geht zu Fuß. Und vermutlich gibt es für dieses Unterfangen keinen besseren Moment als diesen: Noch am Tag zuvor hat es geschüttet. Der frühe Nebel verzieht sich langsam. Und die (gefühlt seit Wochen) ersten Sonnenstrahlen klettern über die Wipfel empor und finden ihren Weg durch eine immer wieder aufgelockerte Wolkendecke. Was für ein prächtiger Herbsttag.
Wanderung in einem mystischen Tal
Ein Herbsttag wie gemalt für eine kleine Wanderung durch ein mystisches Tal, durch das der Bach seiner Wege und manchmal auch über die Wege fließt. Es rauscht. Was den Gedanken, sich vielleicht die In-Ohr-Kopfhörer auf die Löffel zu setzen, schnell zu einer absurden Idee macht. Wer das mystische Tal mit allen Sinnen erleben will, braucht alle Ohren und alle Augen - gleichermaßen.
Es rauscht. Mal lauter und mal leiser. Was von der Distanz zwischen Bach und Weg, der parallel zum Gewässer durch das Tal führt, abhängig ist. Aber auch davon, ob sich dem Hasper Bach wieder mal ein paar Baumstämme in den Weg geschmissen haben, die er nur rauschend umfließen muss.
Ein Trail am Bach entlang
Der Weg ist kein richtiger Weg. Er ist zumindest keine der Waldautobahnen, die sich mancherorts durch den Forst schlängeln, seitdem der Segen der Flurbereinigung eine Sanierung beschert hat - was Forstwirte freuen mag. Dieser Weg ist mehr ein Trail, ein Pfad, der sich in Wellen in die Landschaft schmiegt. Ein Pfad, den ich als Mountainbiker kenne. Als Wanderer nicht. Wer aber das mystische Tal so richtig wahrnehmen möchte, macht sich besser zu Fuß auf den Weg.
Das Empfinden ist ein anderes. Dass der Bach rauscht, mal mehr, mal weniger, merkt man auf dem Sattel nicht. Eindrücke rauschen vorbei. Wer wandert, wer sich Zeit nimmt zu genießen, Kraft zu tanken und mal ein Bild zu schießen, der geht besser statt zu fahren. Er hört das Rauschen, er sieht den Blätterwald, er blickt auf die kleinen Fichten, die sich im Schutz der Eichen einen Weg nach oben suchen, als wollten sie dem Borkenkäfer sagen: Du kannst uns mal.
Der Nebel tut sein Übriges
Der hat auch in diesem mystischen Tal zugeschlagen. Einige Hänge gleichen einem Armageddon. Der Nebel tut sein Übriges. Mystisch.
Ein Schild weist auf die Entfernungen hin: Zurstraße über den Wanderweg A 8 drei Kilometer, bis zu Mauer der Hasper Talsperre sind es 2,6. Womit wir beim einzigen Problem sind. Wer von oben durch das Tal wandern möchte, findet am Startpunkt keinen Parkplatz. Auch ein Rundwanderweg lässt sich nur schwer finden. 30 Minuten hin, 30 Minuten zurück - vielleicht noch eine Runde um die Talsperre, die der Hasper Bach füllt. Anreise: am besten mit dem Bus (Linie 512) bis zur Haltestelle Grüne.
Ein Künstler hat unter das Schild einen Aufkleber mit einem QR-Code geklebt. Wer diesen mit dem Handy scannt, landet auf einer Seite, auf der er mehr über den Menschen und sein Werk erfährt. Schwere Chemotherapie, danach endlich wieder raus in die Natur, Pareidolie. Damit (wieder was gelernt) bezeichnet man das Phänomen, in Dingen Gesichter zu erkennen. Der Fotograf ist im Wald unterwegs, hat zwei Knopfaugen in der Tasche, markiert Gesichter und zeigt die Bilder auf seiner Homepage. Mystisch.
Die Natur als Künstlerin
Die eigentliche Künstlerin in diesem Tal ist die Natur: Sie wirkt hier - ausdrucksvoll, stark und unendlich kreativ. Es entstehen immer Bilder und Skulpturen - Baumstämme, die in der waagerechten ihre Arme gen Himmel strecken, grüne Teppiche, aus denen kleine Eichen erwachsen, kreisrunde Pilze an einem verwachsenen Stamm. Untermalt werden die prächtigen Installationen von einem Rauschen. Immerzu.
Dass zwei Rehe wie auf Bestellung den Weg kreuzen, durch den Hasper Bach springen, auf der anderen Seite über eine Lichtung springen und schließlich in einem Wäldchen verschwinden, passt in dieses Gesamtkunstwerk. Niemand hat sie bestellt. Wo auch? Sie laufen lautlos ihres Weges und verschwinden.
Das Tal ist ein Ort der Ruhe
Es rauscht immerzu. Mal lauter, mal leiser. Es rauscht auch, weil ich alleine bin. Fast alleine. Aber der Hund redet nicht. Was sollte er auch sagen? Unser gemeinsames Schweigen macht das Tal zu einem Ort der Ruhe. Niemand begegnet uns an diesem mystischen Ort an diesem mystischen Morgen. Es rauscht immerzu.