Breckerfeld. Am äußeren Ende von Breckerfeld erfüllt sich das Ehepaar Braselmann seinen Traum. Es betreibt die Klütinger Alm - ein Ort der Gastlichkeit.
Der Wilde Kaiser hängt in überdimensionaler Postergröße an der Wand. Davor steht eine rustikale Holzbank nebst Tisch. Sigrid und Wolfgang Braselmann haben hier im Schatten jenes Berges, dessen schroffe Gipfel bis in den Himmel zu ragen scheinen, Platz genommen. Das ist alles kein Zufall: das Bild von diesem so beeindruckenden Berg im Osten Tirols, dieses Paar und eines der außergewöhnlichsten Ausflugslokale am äußersten Zipfel von Breckerfeld - die Klütinger Alm.
Es gibt eine Geschichte, die erklärt, warum vor mehr als 17 Jahren der Entschluss gefallen ist, im beschaulichen Klütingen, eine Jausenstation, eine Alm zu eröffnen. In einem kleinen Häuserhaufen zwischen Sauerland, Ruhrgebiet und Bergischem Land, an der äußeren Grenze des Regierungsbezirks Arnsberg, an der man zwar eine Breckerfelder Postleitzahl, aber eine Radevormwalder Vorwahl hat.
Beinahe eine Alm in Österreich übernommen
„Fast hätten wir ja eine Alm im Österreich übernommen“, sagt Sigrid Braselmann, „aber mein Mann und ich mussten uns zu dieser Zeit um unsere Eltern kümmern. Deshalb haben wir diesen Traum platzen lassen.“
Ein Traum, den sie geträumt haben, als sie Jahr für Jahr Urlaub im Örtchen Scheffau gemacht haben. Immer in derselben Unterkunft. „Wir sind im Lauf der Jahre zu den Kindern der Familie geworden“, erzählt Sigrid Braselmann diese außergewöhnliche Geschichte, die sie mit den kinderlosen Besitzern verbindet, „als die beiden, die den Gasthof betrieben haben, nicht mehr wollte, haben sie uns gefragt, ob wir nicht übernehmen wollen.“ Ein Paar aus Klütingen am Wilden Kaiser ...
Pläne für eine eigene Alm in Klütingen
Klütingen, jenen Ort, an dem Wolfgang Braselmann groß geworden ist, an dem er mit seiner Frau gemeinsam einen Hof mit 30 Milchkühen betrieben hat, an dem sich eine Existenz aufgebaut hatten - Braselmanns haben zumindest darüber nachgedacht. Dann aber fiel - vielleicht mit einem weinenden und einem lachenden Auge - der Entschluss, in Breckerfeld zu bleiben. Und hier das umzusetzen, woraus in Scheffau nichts werden sollte.
Bis das erste Helle auf dem Biertisch stehen sollte, vergingen noch Jahre. „Lange Zeit hatten wir Probleme, eine Genehmigung zu bekommen“, sagt Wolfgang Braselmann, der mit seiner Frau inzwischen einen Partyservice eröffnet hatte. 2006 aber war Tag eins auf der Klütinger Alm.
Gruseliger Auftakt auf der Klütinger Alm
„Das war echt gruselig“, blickt Sigrid Braselmann zurück, „wir hatten nur ein paar Hinweisschilder unten an der Talsperre aufgehängt, dazu ein kleiner Bericht in der Zeitung. Aber die Leute haben uns sofort die Bude eingerannt. Wir hatten vier Bierzeltgarnituren aufgebaut, haben dann noch Sitzmöglichkeiten aus dem Wohnzimmer rausgeschafft. Am Ende haben wir nur noch improvisiert.“
Voll wird sie bis heute immer wieder, diese Klütinger Alm, die neben einem Bier- auch über einen Wintergarten verfügt, in dem ein Kamin im Herbst und im Winter für eine wohlig-angenehme Wärme sorgt. Voll wird sie vor allem immer dann, wenn das Wetter die Wanderer lockt. „Das ist an einigen Tagen schon irre, was hier los ist. Dann stehen die Leute draußen bis um die Ecke“, sagt Sigrid Braselmann und zeigt durch das Fenster hinaus bis zum nächsten Haus, in dem ihre Tochter mittlerweile lebt.
Selbgemachte Nudel und Marmelade
Die Klütinger Alm ist Kult. „Das mag auch mit dem Namen zu tun haben“, sagt Sigrid Braselmann, „wo sonst gibt es hier in der Nähe schon eine Alm?“ Eine Alm, die nicht nur wegen ihrer außergewöhnlichen Lage einzigartig ist. Es sind letztlich die Menschen, Sigrid und Wolfgang Braselmann, die von ihrer Tochter Heidi (welchen Namen sollte sie auch sonst haben), die diese Gastronomie ausmachen. Die Menschen und ihre Leidenschaft für das, was sie tun.
Sie bewirtschaften die Alm, sie betreiben den Partyservice, sie machen Nudeln und Marmelade, sie denken sich Aktionen wie den Klütinger Adventskalender aus, der selbstgemachte 24 Köstlichkeiten (u.a. Wildschwein-Wurst und Likör) bereithält und in der Alm oder im Internet geordert werden kann.
Das Wohnmobil-Dinner erfunden
Die Leidenschaft haben sie am Ende von Breckerfeld und kurz vor dem Ende der Welt auch in der Corona-Zeit nicht verloren. „Drei Wochen haben wir da die Füße stillgehalten“, sagt Sigrid Braselmann, „länger haben wir das nicht ausgehalten. Wir haben durch das Fenster mit Abstand verkauft. Und wir haben das Wohnmobil-Dinner in Leben gerufen, bei dem die Gäste über die schmale Straße nach Klütingen rollen und in ihren Campern an der Alm vorfahren, in dem sie nach Bestellung einen Tag zuvor sogar bedient werden.
„Ansonsten haben wir auf der Alm die Selbstbedienung eingeführt“, sagt Wolfgang Braselmann. „Wer bestellt hat, nimmt dann einen Pieper mit zum Tisch, der sich meldet, sobald das Essen abgeholt werden kann.“ Mit dieser unkonventionellen Methode haben Braselmanns darauf reagiert, dass es immer schwerer fällt, in der Gastronomie Personal zu finden.
Keine Speisekarte auf der Alm
Und: Auf der Alm gibt es seit einiger Zeit auch keine Speisekarte mehr. „Die Gerichte, die es am jeweiligen Tag gibt, schlagen wir auf kleinen Tafeln an“, sagt Sigrid Braselmann. Der „Südtiroler Knödelteller“ ist immer wieder darunter. Eine Erinnerung an diese wunderschöne Zeit am Wilden Kaiser, der als Poster an der Wand hängt. „Ich habe in der Küche des Gasthofs ausgeholfen und dort gelernt, wie man Speckknödel zubereitet.“ Nach diesem Rezept, nicht niedergeschrieben, nur überliefert, kocht Sigrid die Knödel bis heute - auf der Klütinger Alm.