Hagen. Zurecht kümmern sich Familien meist liebevoll um ihr behindertes Kind. Die WP hilft, dass auch Eltern und Geschwisterkinder mal durchatmen können

„Das behinderte Kind steht immer im Mittelpunkt, bestimmt das komplette Leben der Familie. Und die Geschwisterkinder? Die stehen immer im Schatten.“ Julia Koslowski weiß, wie wichtig, aber auch wie aufreibend die Betreuung eines behinderten Menschen sein kann.

Umfeld darf nicht auf der Strecke bleiben

„Natürlich ist es richtig, dass sich bestmöglich um den körperlich oder geistig eingeschränkten Menschen gekümmert wird, doch das Umfeld darf dabei nicht auf der Strecke bleiben“, sagt die Sozialarbeiterin. Julia Koslowski leitet seit Jahren den „Familienunterstützenden Dienst“ (FUD) der Caritas in Hagen.

In der diesjährigen Weihnachtsaktion der WESTFALENPOST, die unter dem Motto „Mehr Freiraum für Familienglück – erfüllendes Leben mit besonderen Kindern“ steht, berichtet das Redaktions-Team über Familien mit behinderten Kindern, über ihre Probleme, aber auch Freuden. Wir erzählen von Menschen, die sich ehrenamtlich und mit großer Hingabe um besagte Familien kümmern, und wir bittet um Spenden für die wichtige Einrichtung des „Familienunterstützenden Dienstes“.

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Arztbesuche werden ermöglicht

„Wir helfen ganz handfest, gehen zum Beispiel mit dem behinderten und dem Geschwisterkind gemeinsam auf den Spielplatz, während die Mutter einen Arzttermin wahrnehmen kann. Oder wir begleiten einen behinderten Menschen zu einem Amt oder gehen mit ihm ins Kino oder zum Schwimmen“, sagt die Sozialarbeiterin.

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Mit „wir“ spielt sie auf das Team, das aus acht ehrenamtlichen Helfern besteht, an. „Früher hatten wir 25 Helfer, doch in und nach der Corona-Zeit ist die Zahl stark eingebrochen. Wir brauchen dringend Leute.“

Die Stadtredaktion Hagen hat auch in diesem Jahr wieder ein Spendenkonto eingerichtet.
Die Stadtredaktion Hagen hat auch in diesem Jahr wieder ein Spendenkonto eingerichtet. © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Lange Warteliste

Zurzeit betreut der FUD etwa ein Dutzend Familien, „doch mindestens zweimal pro Woche rufen mich weitere verzweifelte Familien, die dringend Hilfe brauchen, an. Auf unserer Warteliste stehen aber bereits mehr als 20 Familien, die Unterstützung benötigen. Doch unsere Kapazitäten sind ausgeschöpft“, sagt Julia Koslowski mit enttäuschter Stimme.

Die Unterstützung für die Familien fällt unterschiedlich aus – manche brauchen nur alle 14 Tage für zwei, drei Stunden ein wenig Hilfe, andere beinahe täglich. „Wenn ein behindertes Kind zum Beispiel mehrmals wöchentlich zur Therapie oder Frühförderung gebracht werden muss und parallel die Geschwister betreut werden wollen, ist das schon immens zeitaufwenig“, weiß Julia Koslowski.

Große finanzielle Lücke

Viele Dienste, die der FUD übernimmt, werden mit der Pflegekasse über die Entlastungsleistung abgerechnet, dennoch bleibt eine große finanzielle Lücke. „Familien müssen zum Beispiel Eintrittsgelder für den Zoo, fürs Kino oder Schwimmbad selbst bezahlen, weil es dafür keine Mittel gibt. Dabei ist die Teilnahme am normalen Leben für Behinderte und ihr Umfeld so wichtig“, sagt die Sozialarbeiterin und fügt an: „Wir würden die Eintrittsgelder gern übernehmen, aber dazu fehlt uns das Geld.“

Außerdem würde das FUD-Team gern Gruppenangebote in ihren Räumlichkeiten in der Lützowstraße 82 anbieten. Geschwisterkinder könnten dort neue Freundschaften knüpfen, gemeinsam kochen, basteln und spielen. Und Eltern hätten die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und Kräfte (durch zum Beispiel Entspannungsübungen) zu tanken. „Dazu müsste unser etwa 30 Quadratmeter großer Raum allerdings in einen Multifunktionssaal umgestaltet werden“, erläutert Julia Koslowski.

Klapptische und mehr werden benötigt

Im Klartext: Es werden Klapptische benötigt, damit in dem Raum auch Bewegungskurse angeboten werden können, ferner müssten ein Schrank, in dem Spielzeug und Spiele Platz finden sowie Turnmatten und Bastelmaterial angeschafft werden.

„Familien, die zu Hause ein behindertes Kind betreuen, sind häufig isoliert, da sie einfach keine Zeit haben, Kontakte zu anderen zu pflegen und da sie auch oft nur mit ihren eigenen Themen beschäftigt sind“, kennt die Sozialarbeiterin die Probleme ihrer „Schützlinge“.

Wie sich ihr Helfer-Team zusammensetzt? „Es besteht aus ganz unterschiedlichen Leuten. Zum Beispiel aus Studierenden, aus Menschen, die einen Beruf (nicht selten einen mit pädagogischem Hintergrund) ausüben, und aus Älteren, die größtenteils noch berufstätig sind. Die Jüngsten sind um die 20, die ältesten über 60.“

Freundschaften entstehen

Für ihren Einsatz bekommen die Freiwilligen lediglich eine Aufwandsentschädigung (Julia Koslowski: „Des Geldes wegen macht bei uns niemand mit“); in der Regel hat jeder Helfer eine feste Familie, die er betreut, „das ist schön, da dadurch auch Freundschaften entstehen“.