Hagen. Im Schatten des viel gepriesenen Westside-Geländes am Hagener Hauptbahnhof kommt jetzt ein weiteres attraktives Areal auf den Markt.

Eine gute Nachricht für den stetig an Gewerbeflächen-Knappheit mangelnden Wirtschaftsstandort Hagen: Während die Hagener Delegation von der Münchner Immobilienmesse „Expo Real“ mit einem Koffer voller Hausaufgaben zurückgekehrt ist, die sich vorzugsweise um die Stadtentwicklungschancen rund um Westside und Varta-Insel drehen, eröffnet sich für Hagen auf einem direkt angrenzenden Areal die Gelegenheit, zwischen Sedanstraße und Volme sich eine weitere attraktive Gewerbe- und Industriefläche zu sichern.

Denn nach dem Produktionsende bei TWB bzw. der Presswerk Hagen GmbH ist das Zwangsversteigerungsverfahren gegen die Grundstücksgesellschaft Prevent Real Estate GmbH & Co. KG, Grundstücksgesellschaft der TWB-Betriebsfläche, beim Amtsgericht Hagen (Az.: 031 K 069/22) eingeleitet worden. Damit besteht für Hagen bei erfolgreichem Mitbieten die konkrete Chance, hier in Zukunft ein prominentes Industrie-Areal mit Gebäuden in einem sofort nutzbaren Zustand sich für die Weitervermarktung zu sichern.

Chance für Stadtentwicklung

Das Verfahren selbst stehe zurzeit allerdings noch nicht zur Terminierung an, erläutert Richter Christian Dembowski, Sprecher des Hagener Amtsgerichts: „Derzeit läuft das Wertfestsetzungsverfahren zum Verkehrswert. Eine Terminierung wird erst nach rechtskräftiger Festsetzung des Verkehrswertes erfolgen.“ Vor diesem Hintergrund lasse sich auch noch nicht beurteilen, in welchem Rahmen sich ein Mindestgebot für die Fläche bewegen könnte.

Stadtbaurat Henning Keune sieht in einem Zugriff der Stadt ebenfalls die Chance, die Hochwasser-Situation in diesem Bereich zu verbessern.
Stadtbaurat Henning Keune sieht in einem Zugriff der Stadt ebenfalls die Chance, die Hochwasser-Situation in diesem Bereich zu verbessern. © WP | Michael Kleinrensing

Stadtbaurat Henning Keune, der zuletzt die Stadt Hagen beim Projektentwickler- und Investoren-Stelldichein in München mit vertreten hat, betont, dass die anstehende Zwangsversteigerung „für die allgemeine Stadtentwicklung von einiger Bedeutung ist, unter anderem auch für die Gestaltung des Volmeufers“. Hier versucht die Umweltverwaltung auch mit Blick auf die Dreiecksfläche am Fuße der Philippshöhe am Zusammenfluss von Ennepe und Volme einige Retentionsfläche zu bewahren, um in diesem Bereich nach der Jahrhundertfluterfahrung bei künftigen Hochwasserlagen besser gewappnet zu sein. Dort sind neben der Gestaltung einer Grünfläche mit Aufenthaltsqualität daher zurzeit keine nennenswerten baulichen Entwicklungen geplant.

Gelände mit Bahnanschluss

Burkhard Schwemin, Prokurist bei Hagen-Areal, betrachtet die Entwicklung an der Sedanstraße ebenfalls als Chance für den Standort: „Es wäre eine Sünde, sich nicht mit dem Gelände zu beschäftigen“, erwartet er angesichts des Zustandes der Produktionshallen durchaus Interesse bei Industrieunternehmen. „Natürlich muss auch der Preis passen, aber das Gelände verfügt ja sogar über einen eigenen Bahnanschluss“, skizziert Schwemin das Zukunftspotenzial des Standortes.

Burkhard Schwemin, Prokurist bei Hagen-Areal, kennt die Qualitäten des Betriebsgeländes.
Burkhard Schwemin, Prokurist bei Hagen-Areal, kennt die Qualitäten des Betriebsgeländes. © WP | Michael Kleinrensing

Zum Hintergrund: Nach dem schleichenden Aus des Hagener Automobilzulieferers Prevent TWB aus der Sedanstraße wurde zuletzt auch der letzte verbliebene Mosaikstein des Eckeseyer Automotiv-Standortes am Zusammenfluss von Volme und Ennepe, die Presswerk Hagen GmbH, geschlossen. Zu Beginn des vergangenen Jahres schlossen sich für die gut 70-köpfige Belegschaft die Werkstore. „Das Hochwasser im Juli 2021 hat uns den Rest gegeben“, hieß es seinerzeit seitens Geschäftsführer Admir Smajlovic.

Hochwasser als Verhängnis

Die Volme-Fluten hatten, wie auch bei den Nachbarn in der Sedanstraße, sämtliche Anlagen der Presswerk-Gesellschaft zerstört. Im Anschluss wurde man mit den Versicherern nicht einig, eine Wiederherstellung der Produktion rückte in weite Ferne, so dass die Kunden letztlich nicht mehr beliefert werden konnten und absprangen. Dabei erfreute sich der parallel zum TWB-Chaos entstandene Betrieb zwei Jahre zuvor noch gut gefüllter Auftragsbücher. Doch angesichts der Corona-Lage, die aufgrund immer komplizierterer Lieferketten die Produktionsbänder der Automobilhersteller immer langsamer laufen ließ, geriet auch die wirtschaftliche Entwicklung bei der Presswerk Hagen GmbH ins Stottern – das Jahrhundert-Hochwasser gab dem Betrieb letztlich den Rest.

Die Tore bei TWB sind geschlossen, doch die Hallen sind in einem guten Zustand.
Die Tore bei TWB sind geschlossen, doch die Hallen sind in einem guten Zustand. © WP | Michael Kleinrensing

Zwei Jahre zuvor erschütterte die Stadt bereits die Nachricht, dass bei TWB, wo seit vielen Jahren Rücksitzlehnen unter anderem für VW, BMW und Ford gefertigt wurden, endgültig das Licht ausgehe. Damit wurde wahr, was rund um die Werkshallen in der Mitarbeiterschaft schon lange befürchtet wurde: Der verlorene Machtkampf der TWB-Eigentümer gegen den Auto-Riesen VW bedeutete das Aus für sämtliche TWB-Mitarbeiter in Hagen. Zum 31. Juli 2020 wurde das Unternehmen offiziell stillgelegt.

Machtkampf mit VW

Anfang 2019 hatte TWB bereits 300 Mitarbeitern in Hagen die Kündigung ausgesprochen. In existenzbedrohende Schieflage war TWB letztlich geraten, weil der Hauptkunde VW alle Geschäftsbeziehungen zu TWB-Besitzer Prevent zum 31. März 2019 gekündigt hat. Hintergrund war ein Machtkampf zwischen Prevent und VW, in dessen Folge auch TWB vom großen deutschen Autobauer kaltgestellt wurde.

Ab Oktober 2019 etablierte sich jedoch eine zweite Belegschaft auf dem Gelände des Automobilzulieferers in der Sedanstraße. Die damals im Stillen gegründete „Presswerk Hagen GmbH“ hatte ihre Arbeit aufgenommen, um einen Teil der Produktion weiter abzuwickeln. Aber auch das Unternehmen TWB existierte daneben zunächst noch eine Zeit lang weiter. Getrennt wurden die parallel laufenden Produktionen seinerzeit durch eine auf den Boden gepinselten Linie, die die Grenze zwischen den beiden Unternehmen markierte.