Elsey. Karsten kämpft seit 30 Jahren mit seiner Drogensucht. Immer wieder wird er in der Klinik Elsey behandelt. Heute erzählt er seine Geschichte:

Er kennt die Suchtstation im Krankenhaus Elsey, heute das Zentrum für Seelische Gesundheit, seit seinem 23. Lebensjahr, denn Karsten ist süchtig. Heute ist er 53 Jahre alt und blickt zurück in die Zeit als junger Erwachsener, wo erstmals Heroin in sein Leben trat. Es sollte sein Leben langsam, aber stetig verändern – und bis heute prägen.

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Das Trauen in die Öffentlichkeit

Karsten hat sich bereit erklärt, seine Geschichte dieser Zeitung zu erzählen, er möchte aber anonym bleiben. Verständlich, klebt an Lebenswegen, wie er sie hinter sich hat, doch viel Scham. Persönliche Erfahrungen mit der Sucht trägt man nicht gerne in die Öffentlichkeit. Karsten hat den Mut, das zu tun – auch damit die Öffentlichkeit versteht, was Sucht bedeutet, wie man sie erkennt und bekämpfen kann.

Drogen über Clique

Dabei war es kein Kampf, damals Anfang der 1990er-Jahre, als die ersten Drogen in sein Leben traten. Es waren auch viele schöne Zeiten, das sagt Carsten ganz offen. Als Jugendlicher hat er gelegentlich Haschisch geraucht. Mit 20 Jahren dann, über seine Clique, kam das erste Mal Heroin dazu.

Unter den Drogen wird es zu den „Downern“ gezählt, den „dämpfenden Substanzen“. Heroin entspannt, macht müde und kann Ängste auflösen – solche Erläuterungen findet man heute auf Aufklärungsseiten im Netz, wenn man nach Heroin googelt. Damals gab es diese Aufklärung nicht. „Es hieß damals, da passiert nichts, das ist harmlos – aber wir hatten überhaupt keine Ahnung.“

Karsten zog eine kleine Nase. Der Effekt hielt sich in Grenzen und süchtig war er danach auch nicht. Vielleicht ein bis eineinhalb Jahre später dann die nächste Nase. „Dann hat es geschmeckt und die Abstände zum nächsten Zug wurden immer kleiner.“

Erster Entzug

Drei Jahre sollte es dauern, bis die Sucht in seinem Leben angekommen ist. Was langsam und harmlos begann, wurde an einem Sonntagmorgen für Karsten zum ersten Mal eine ernste Sache. “Ich wollte zum Fußball, aber mir ging es beschissen. Ich konnte mich nicht bewegen und mir tat alles weh. Ich dachte, ich hätte eine Grippe.“ Ein Freund rief an, fragte, wo er bleibe. Karsten schilderte seine Symptome. „Er sagte, du hast keine Grippe, du hast einen Entzug.“ An jenem Tag wurde ihm bewusst, dass er abhängig war.

Die erste Reaktion: Selbstheilen, ohne Hilfe von Außen. Ein halbes Jahr dachte er, er kann es alleine schaffen. „Das war ein Irrglaube“, sagt Karsten heute. „Man kann es nicht kontrollieren.“ Es folgte ein schwieriger Schritt: Zu Erkennen, dass es alleine nicht geht. Ein Prozess, der Zeit brauchte. Zwischen jenem Sonntagmorgen ohne Fußball und dem ersten Gang ins Krankenhaus verging ein halbes Jahr.

Karsten ging in das Krankenhaus Elsey. Suchtstation. Entgiftung. Kalter Entzug. Ein sehr schmerzhafter Prozess, so beschreibt es Karsten heute. „Ich habe oft abgebrochen und mir den Stoff besorgt“, sagt er.

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Belohnungssystem aktiv

Sein Leben änderte sich. Kriminalität, falsches Umfeld, Arbeitslosigkeit. Heroin half, ebenso wie andere Drogen. Irgendwann kam Alkohol dazu. Die Stoffe geht ins Gehirn, stimulieren das Belohnungssystem. “Du hast das sofort das Gefühl, alles läuft super“, sagt Karsten. „Aber zu akzeptieren, dass im Leben alles länger dauert und das Warten dazugehört – sei es in Ämtern, bei der Arbeit im sozialen Umfeld – das muss man erstmal wieder lernen.“

Seit 40 Jahren gibt es eine Suchtstation im Krankenhaus Elsey. Seit sieben Jahren ist hier das „Zentrum für seelische Gesundheit“ ansässig – eine Fachklinik für Psychiatrie und Suchterkrankungen. Aktuell werden die Stationen weiter modernisiert.
Seit 40 Jahren gibt es eine Suchtstation im Krankenhaus Elsey. Seit sieben Jahren ist hier das „Zentrum für seelische Gesundheit“ ansässig – eine Fachklinik für Psychiatrie und Suchterkrankungen. Aktuell werden die Stationen weiter modernisiert. © Westfalenpost | Marcel Krombusch

In den Jahren kam er immer wieder auf die Suchtstation zurück, nahm neue Anläufe, um die Sucht zu bekämpfen. Manchmal war er Jahre ohne Rückfall, dann ging es wieder los. „Man kann fallen“, weiß Karsten heute. „aber dann darf man sich nicht schämen und sollte sich wieder Hilfe holen.“

Probleme offen ansprechen

Achtsam sein, Probleme offen auszusprechen und sich Hilfe zu suchen – Rezepte, mit dem Karsten heute gut fährt. Auch ein stabiles Umfeld hilft: Seit einem halben Jahr hat er eine neue Freundin, die ihn unterstützt. Komplett von den Drogen entfernen, das bleibt das große Ziel. „Eine Lebensaufgabe“, so beschreibt Karsten es heute, nach dreißig Jahren mit der Sucht. Sein letzter Entzug im Zentrum für Seelische Gesundheit ist gerade vorbei. Es ging nicht mehr um Heroin, diesmal war es der Alkohol. Längst nicht mehr im kalten Entzug, sondern auch mit Bewegungstherapien und Ersatzstoffen.

Kleine Schritte

Mit dem Umbau des Krankenhauses zieht auch die Station um, auf der er behandelt wurde. „Ich bin froh, dass ich diese Station nie wieder sehen werde“, sagte Karsten in der Abschiedsrunde. Ob er die Station wirklich nie wiedersieht, das wird die Zukunft zeigen. “Soweit möchte ich auch nicht denken. Wer süchtig ist, der sollte kleine Schritte machen und von Tag zu Tag denken“, sagt Karsten. „Wir wollen alles auf einmal, aber das geht nicht.“