Hagen. Anfang 2024 soll die Mehrwertsteuer für Speisen drastisch angehoben werden. Das sagen Gastronomen in Hagen und Dehoga zu den Plänen der Regierung.
Er spricht Tacheless: „Das ist eine Vollkatastrophe, ein vorprogrammiertes Gastrosterben“, wettert Sam Lobbe. Der Restaurantbetreiber, der vor gut sechs Wochen die „Alte Reichsbank“ in Hagen-Haspe eröffnet hat, spielt auf die angedrohte Rückkehr der Mehrwertsteuer auf Speisen auf 19 Prozent an.
Anhebung für Januar 2024 geplant
Um der arg gebeutelten Gastrobranche während der Coronazeit unter die Arme zu greifen, war die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel auf 7 Prozent reduziert worden, Anfang 2024 – so sieht es die Politik vor – soll die Senkung aufgehoben werden.
Die Begründung seitens der Politik ist klar: es müsse Wettbewerbsgerechtigkeit für alle Branchen gelten.
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Die meisten Wirte sehen die Sache gänzlich anders: „Die Branche geht schon jetzt am Stock, bei einer Rücknahme der ermäßigten Mehrwertsteuer können wir Gastronomen abschließen“, sagt Sam Lobbe erzürnt. Der gelernte Koch hängt, sobald sie eintreffen, Plakate in seinem Restaurant sowie im Biergarten auf. Auf den schwarzen Plakaten ist in roter Schrift zu lesen „7 Prozent in der Gastro müssen bleiben – Wir sind das Wohnzimmer der Gesellschaft!“
Politischer Druck soll aufgebaut werden
Er, Lobbe, hoffe, dass sich zahlreiche Gastronomen an Protestaktionen beteiligen, „politischer Druck muss aufgebaut werden und viele Wirte müssen auf die Barrikaden gehen“.
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Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) NRW sieht dunkle Wolken für die Gastrobranche aufziehen. Nach der Rückkehr zur regulären Mehrwertsteuer befürchtet der Verband NRW-weit rund 2200 Betriebsschließungen mit einhergehenden Arbeitsplatzverlusten.
Außerdem prophezeit Dehoga einerseits starke Umsatzeinbußen für Restaurants und Kneipen, andererseits drastische Preiserhöhungen, die die Gäste hinnehmen müssten.
Thorsten Hellwig, Dehoga-NRW-Sprecher: „Das Ergebnis einer bundesweiten Umfrage zeigt, dass Gastronomen davon ausgehen, dass sie ihre Gerichte 15 Prozent teurer anbieten müssen, wenn das Gesetzt wieder geändert wird. Aus NRW haben sich an der Erhebung, die im Juli durchgeführt wurde, mehr als 1800 Unternehmen beteiligt.“
80 Prozent einbrechende Nachfrage befürchtet
Der Sprecher weiter: „95 Prozent der Unternehmer sehen sich gezwungen, die Preise zu erhöhen und befürchten als Folge dessen eine um fast 80 Prozent einbrechende Nachfrage.“
Aber zurück in die „Alte Reichsbank“ zu Sam Lobbe und seinem Team: „Wenn es um das geänderte Mehrwertsteuergesetz geht, das in gut vier Montanen eingeführt werden soll, bedenkt niemand, dass gerade im Winter frische Produkte wesentlich teurer sind als im Frühjahr/ Sommer. Außerdem erhöht sich im kommenden Jahr der Mindestlohn für Mitarbeiter von derzeit 12 Euro auf dann 12,41 Euro pro Stunde. Welcher Gastronom kann das alles stemmen?“
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Ortswechsel: Marco Ippolito führt seit sechs Jahren das Restaurant „La Trattoria“ in Halden. Auch Ippolito befürchtet die Anhebung der Mehrwertsteuer, reagiert jedoch anders: Wenn es soweit ist, kann ich sowieso nichts dagegen unternehmen, deshalb passe ich mich an.“
Standard noch weiter verbessern
Was der gebürtige Italiener damit meint? „Natürlich muss ich die steigenden Kosten an meine Kunden weitergeben, doch das bedeutet für mich gleichzeitig, dass ich meinen Standard noch weiter verbessern und in puncto Dienstleistung im Detail noch feilen muss.“
Die Gäste, die einen höheren Preis zahlen müssten, sollten das Gefühl haben, dass sich ihre Mehrausgabe lohnt, „und das ist nur über Top-Service zu rechtfertigen“.
Konkret: Wenn die Gesetzesänderung eintrifft, möchte Marco Ippolito sein Servicepersonal eventuell aufstocken und die Gäste mit ,Guddies’ wie einem Gratis-Aperitif oder einem Dessert entschädigen, „ich werde Gastfreundschaft in der ,La Trattoria’ noch größer schreiben“.
Weitere Infos:
In Hagen sind etwa 80 Betriebe – vom kleinen Imbiss bis zum Vier-Sterne-Hotel – dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) angeschlossen.
Dehoga bemängelt auch, dass Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei Essenslieferung seit jeher nur mit 7 Prozent besteuert wird. „Es wäre daher wettbewerbsverzerrend, frisch zubereitetes Essen in der Gastronomie mit 19 Prozent zu besteuern.“ Wenn die Steuermäßigung zurückgenommen wird, habe das, so Dehoga, auch fatale Folgen für das Schul-Catering, das davon ebenfalls betroffen sei.
Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) schlägt „Küchen-Alarm“: Immer häufiger bleibt die Küche in Restaurants kalt oder die Öffnungszeiten werden reduziert. Der Grund: Mitarbeitermangel. Laut Arbeitsagentur Hagen gibt es derzeit in unserer Stadt 16 unbesetzte Stellen für Köchinnen und Köche.