Haspe. Der Umzug des Biergartens auf den Kirmesfestplatz hat den Hasper Brauchtumsfreunden nicht geschadet. Aber es gibt dennoch reichlich Zweifel.
An den traditionellen Kirmes-Festtage den Biergarten mal nicht im Schatten des Gotteshauses an der Frankstraße aufzubauen, erschien dem Hasper Heimat- und Brauchtum-Verein (HHBV) über Jahrzehnte als unvorstellbar, ja geradezu als Sakrileg. Doch nach dem Post-Corona-Restart des diesjährigen Juni-Spektakels auf dem Ernst-Meister-Platz, wo die Brauchtumsfreunde ihre urige Genusszone mitsamt der Bühne erstmals am Kopfende des Kirmesplatzes aufbauten, gibt es beim Vorstand ein einhelliges Fazit: Experiment geglückt, Resonanz besser, Kasse geschont – Wiederholung gewollt. Allerdings hinterfragt das Team um den genesenen, aber bald in die zweite Reihe zurücktretenden Präsidenten Jörg Bäcker mit der gleichen Entschiedenheit die Zukunftsfähigkeit des klassischen Kirmesgeschehens. Der Grund: Das Gros der alteingesessenen Hasper fühlt sich durch den alljährlichen Niveau-Limbo des Angebots längst nicht mehr abgeholt.
Angesichts der immer komplexeren und kostspieligeren behördlichen Auflagen und Fallstricke war es den Brauchtumsfreunden zuletzt gar nicht mehr so schwer gefallen, sich bei den Schaustellern unterzuhaken und auf die Festmeile an der Tillmannsstraße umzusiedeln. Vor dem Hintergrund der immer mäßigeren Publikumsresonanz war es ohnehin kaum noch gelungen, eine echte Verbindung zwischen Karussell- und Budenzauber sowie dem HHBV-Angebot am Kirchplatz zu knüpfen. Zumal es auch den Schaustellern kaum noch gelang, den Hasper Kreisel mit ausreichend Attraktionen zu bestücken und somit die Kirmesbesucher zum Flanieren zu animieren.
Wiederholung gewünscht
Vor diesem Hintergrund erschien es nur folgerichtig, die verbliebenen Angebote rund um den Ernst-Meister-Platz zu komprimieren, um zumindest den Anschein einer gewissen Publikumsresonanz zu bewahren. Durchaus mit Erfolg, so zumindest die Bilanz durch die HHBV-Brille: „Natürlich gibt es einige Kleinigkeiten, die noch verbessert werden müssten“, so Organisationschef Thomas Wolter, „aber letztendlich hat sich der neue Standort bereits bewährt.“ HHBV-Vizepräsident Thomas Eckhoff ergänzt: „Ein bisschen Finetuning wird im nächsten Jahr vonnöten sein, aber grundsätzlich können wir von einem großen Erfolg sprechen. Denn: Obwohl die Kirmes in diesem Jahr etwas kürzer war, können die Gästezahlen sich sehen lassen.“
Diese erfreuliche Entwicklung bestätigt auch HHBV-Finanzchefin Claudia Kempa: „Die Biergarten-Kosten waren in den vergangenen Jahren stets so immens, dass am Ende ein großes Minus zu verbuchen war. Dies lief 2023 völlig anders – wir gehen davon aus, dass wir ein deutlich kleineres Defizit einfahren werden. Immerhin haben wir in diesem Jahr an vier Tagen mehr Einnahmen erzielt als in den fünf Tagen des vergangenen Jahres.“ „Alles in allem“, fasst Eckhoff zusammen, „sehen wir deshalb hauptsächlich Vorteile, so dass uns der Beschluss leicht gefallen ist, den Biergarten auch im kommenden Jahr wieder eng mit dem Kirmesgeschehen verzahnen zu wollen.“
Festzug mit viel Leidenschaft
Parallel hatte der HHBV-Vorstand den Eindruck, dass auch der 142. Kirmeszug nach der Pandemie-Pause wieder mit Leidenschaft und originellen Ideen glänzte. Eine Bilanz, die ähnlich positiv die Stadtredaktion bereits am Tag des Umzuges mit gut 60 Wagenbauern, Fußgruppen und Kapellen in ihrer Kritik formulierte. Die Hasper Brauchtumsfreunde mit dem ULK-Gen (Unsinn, Leichtsinn, Kneipsinn) bewiesen wahrlich voller Vielfalt und bodenständigem Esprit, dass sie in den Corona-Jahren nichts verlernt, sondern die Zwangspause vielmehr kreativ genutzt haben.
Wesentliches Sorgenkind, so müssen in der Rückschau auch die Hasper Brauchtumsfreunde konstatieren, bleibt somit das Wirken der Schausteller. Denn das eigentliche Kirmesangebot 2023 erinnerte eher an eine Invasion der Greifarm-Automaten und Tinnef-Buden als an eine Meile der Versuchungen und Verlockungen. Das fett- und zuckerlastige Kulinarik-Niveau musste sogar den Vergleich mit den Mitropa-Speisewagen der DDR-Reichsbahn fürchten.
Kirmesangebot wenig verlockend
Erneut gelang es kaum, die etablierten Hasper Familien und Alteingesessenen, die vorzugsweise auf den Höhen des Ennepe-Tals wohnen, auf den Kirmesplatz zu locken und zum Geldausgeben zu verführen. Stattdessen tummelten sich dort vorzugsweise weniger solvente Teenies in Flirtlaune, Möchtegern-Halbstarke und leider auch wenig vertrauenserweckende Gestalten, die die Wolkenschieber vermutlich eher für eine himmlische Schlepperbande halten, wie die Stadtredaktion es bereits vor zwei Monaten auf den Punkt brachte.
Schausteller-Chef Dirk Wagner signalisierte seinerzeit angesichts der deutlichen Worte zwar über Dritte seine Verärgerung, ließ jedoch die ungeschminkten Beschreibungen inhaltlich unwidersprochen. Bei einer noch anstehenden, bilanzierenden Gesprächsrunde bei Bezirksbürgermeister Horst Wisotzki will aber auch der HHBV die Angebote der Schausteller und das damit einher gehende Niveau des Kirmespublikums thematisieren.
Der Hasper Dachverband steht ohnehin vor einschneidenden Weichenstellungen: Mit Präsident Jörg Bäcker und Vizepräsident Thomas Eckhoff werden zumindest zwei Zugpferde bei den nächsten Vorstandswahlen nicht wieder antreten. Doch bei der zweitägigen Klausurtagung im November soll es nicht bloß um personelle Weichenstellungen gehen, sondern auch die Zukunft der Kirmes in der bestehenden Form diskutiert werden – Zündstoff, bei dem die Zeit auf dem auf zwei Tage angesetzten Treffen rasant verrinnen dürfte.