Hagen. MS und Parkinson sind bis heute nicht heilbar. Die Klinik in Ambrock begleitet Erkrankte im Laufe ihres Lebens immer wieder – und gibt Einblicke.
Das weiße Haus im Grünen mit eigner Parkanlage strahlt Ruhe aus. Es ist die Fachklinik für neurologische und neurochirurgische Rehabilitation und für Pneumologie (Lungenheilkunde) in Hagen. Bereits seit 1994 können Patientinnen und Patienten dort Therapien rund um Gehirn, Rückenmark und Nerven nutzen. Vorteil der Klinik im Hagener Süden: Im Vergleich zu anderen Häusern werden besondere zusätzliche Therapien in der Neurologie angeboten.
„Nicht überall üblich sind z.B. Kunst- und Musiktherapie, Heilpädagogik und das therapeutische Reiten bzw. die Hippotherapie. In dieser Bandbreite sind wir schon einmalig“, berichtet Dr. Christoph Schäfer, Chefarzt des neurologischen Klinikbereichs, nicht ohne Stolz. „Das hat auch dazu geführt, dass sich ein gewisser Patientenstamm aus dem Bereich MS und Parkinson gebildet hat, der seit vielen Jahren wieder kommt“, ergänzt Dr. Schäfer.
Sowohl bei Multipler Sklerose (MS) als auch bei Parkinson haben Prominente wie Howard Carpendale, Malu Dreyer, Frank Elsner und Ottfried Fischer ihre Erkrankungen öffentlich gemacht, um andere Menschen dafür zu sensibilisieren. Das tückische an MS und Parkinson ist, dass eine vollständige Heilung bis heute nicht möglich ist. „Wir begleiten die Menschen im Laufe ihres Lebens immer wieder“, erklärt Dr. Schäfer.
Krankheit der 1000 Gesichter
Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Eine familiäre Häufung kann auftreten. Das Immunsystem ist fehlgesteuert und attackiert das eigene Nervensystem. Dadurch kommt es zu Entzündungen im Gehirn bzw. Rückenmark. Sie wird auch die Krankheit der 1000 Gesichter genannt, da die verschiedenen neurologischen Symptome sehr unterschiedlich sein können, je nachdem, wo die Entzündung aufflammt. Krankheitsbilder sind z.B. Empfindungs- und Bewegungsstörungen, aber auch Schwindel, Sprach- und Schluckstörungen „Typisch bei MS ist der schubförmige Verlauf, der immer wieder zu neuen neurologischen Symptomen führt“, erläutert Dr. Schäfer.
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Der überwiegende Anteil der MS-Erkrankten sind Frauen. Der Häufigkeitsgipfel liegt im 25. Lebensjahr, also bereits in jungen Jahren. Frühzeichen können mit Sehstörungen beginnen. „Wer in jungen Jahren eine Sehstörung bekommt, die sich durch eine Brille nicht beheben lässt, sollte einen Neurologen aufsuchen“, empfiehlt Dr. Schäfer. Weiterhin bemerken Betroffene am Anfang Gefühlsstörungen, die oft einseitig auftreten. Warnzeichen sind auch spürbare Leistungsknicke, die Konzentrationsfähigkeit bricht ein. „Spätestens bei halbseitigen Lähmungserscheinungen sollten die Alarmglocken angehen“, ergänzt Dr. Schäfer, „insbesondere bei MS gilt, je früher die Therapie beginnt, desto länger ist die behinderungsarme Zeit.“
Symptome frühzeitig erkennen
Bei der Parkinson-Krankheit handelt es sich um eine langsam fortschreitende Erkrankung des Gehirns, bei der eine kleine Gruppe von Zellen im Gehirn beschädigt wird und ihre Funktion verliert. Diese Zellen produzieren den chemischen Stoff Dopamin, der als Botenstoff u.a. für die Steuerung von Körperbewegungen notwendig ist. Zu wenig Dopamin hat äußerst unangenehme Symptome zur Folge, darunter Zittern, Sprechstörungen und Muskelsteifheit in Armen und Beinen. Die typische Gangstörung ist die Folge. Es dauert es oft Jahre, bis die Symptome erkannt und die Krankheit diagnostiziert wird. Jeder kann Parkinson bekommen. Die Krankheit häuft sich jedoch erst später, im Alter ab etwa 50 Jahren. Sie kann jedoch auch im jungen oder mittleren Erwachsenenalter auftreten. Ein kleiner Prozentsatz von ca. 25 Prozent hat dabei erblich bedingten Parkinson.
Wichtig ist es, auf erste Symptome von Parkinson zu achten, die Behandlung sollte so früh wie möglich beginnen. „Ein Frühsymptom ist eine Riechstörung“, informiert Dr. Schäfer, „ein weiteres Frühzeichen kann eine dauerhafte depressive Verstimmung sein. In 40 Prozent der Fälle gehen Parkinson und eine Depression miteinander einher. Diese Symptome treten häufig deutlich früher auf als z.B. die Gangstörung oder das Zittern. Erkennbare Veränderungen starten in der Regel einseitig, z.B. mit einer Veränderung im Schriftbild, die Schrift wird kleiner. Auch die Mimik und der Blick verändern sich. Typisch ist auch eine etwas beschleunigte, nuschelnde Sprache. Das „Zittern“ taucht nur in etwa 50 Prozent der Fälle auf“, sagt Dr. Schäfer.
Medikamente können Verlauf verlangsamen
Zu Beginn der Erkrankungen gibt es unterschiedliche Medikamente, die den Verlauf verlangsamen. Anfangs kann z.B. Parkinson sehr gut medikamentös behandelt werden, „Honeymoon-Phase nennt man diesen Zeitraum“, erklärt Dr. Schäfer. Später lässt die Wirkung der Medikamente bei Parkinson nach. Besonders bei MS aber habe die medikamentöse Behandlung enorme Fortschritte gemacht. „Wir führen in der Klinik bei Bedarf Medikamenteneinstellungen und -umstellungen durch. Das geht gerade bei Parkinson in der Reha häufig besser als im Akutbereich, da das Feintuning viel länger als ein normaler Krankenhausaufenthalt dauert“, ergänzt Dr. Schäfer „der Patient benötigt im Krankheitsverlauf sowohl ärztlich neurologische als auch therapeutische Behandlung“.
Dabei ist besonders Bewegung und bewegungsorientierte Therapie gefragt, um die Mobilität und die Alltagsfähigkeiten zu verbessern, aber auch andere individuelle Therapien wie z.B. Ergotherapie (Verbesserung der Selbstversorgung und Produktivität im Alltag) und Sprachtherapie. Während der Therapie in der Klinik, die Wochen aber auch Monate dauern kann, ist der Patient in der Lage, das Vertrauen zu seinem Körper und zu seiner Motorik wiederzugewinnen. Ziel ist es, den Menschen eine möglichst lange aktive und selbstbestimmte Teilhabe am Leben zu ermöglichen.