Hagen. Viel Blut und manchmal auch Drama: An der Krankenhaus-Pforte sitzen Menschen, die viele spannende Geschichten zu erzählen haben.
Telefonist ist eine Tätigkeit, die heutzutage von immer weniger Menschen ausgeübt wird. In Krankenhäusern geht ohne Empfangsmitarbeiter, wie die Berufsbezeichnung heute in der Regel korrekt lautet, allerdings nichts. Leonard Bers (24) und Manuela Jerusel (62) sind in dieser Funktion für die Katholischen Kliniken in Hagen tätig. Im Gespräch berichten sie aus ihrem Arbeitsalltag, der vor allem sehr abwechslungsreich ist.
Beide Empfangsmitarbeiter, die in allen Hagener Einrichtungen des Trägers zum Einsatz kommen, haben unterschiedliche Geschichten: Im Fall von Leonard Bers zum Beispiel ist die Tätigkeit ein Sprungbrett für eine völlig andere Karriere im Gesundheitswesen, auch wenn er es ursprünglich völlig anders geplant hatte. „Ich wollte nach meinem Abitur eigentlich auf Lehramt studieren, habe aber keinen Studienplatz bekommen“, sagt der 24-Jährige, der direkt nach seinem Schulabschluss eine Banklehre gemacht hat - und seit 2021 als Empfangsmitarbeiter bei den Katholischen Kliniken arbeitet.
Über Empfang ins Duale Studium
Kürzlich habe er dann von seinem Arbeitgeber das Angebot erhalten, eine duale Ausbildung vor Ort zu machen. Der Iserlohner musste nicht lange zögern, um „ja“ zu sagen. Denn die Arbeit im Gesundheitssektor macht ihm Spaß: „Deswegen musste ich das einfach annehmen“, sagt Bers, der ab Oktober dann sowohl das Fach Digital Health Management studieren wird, aber eben auch zwei betriebliche Tage pro Wochen hat.
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Zusätzlich, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, wird er aber während der Ausbildungszeit auch weiterhin an der Pforte sitzen: „Das Krankenhaus zahlt meine Studiengebühren“, sagt er, während er das Gespräch für ein Telefonat, das gerade am Empfang des Zentrums für Seelische Gesundheit in Elsey entgegennimmt, unterbricht.
Ziemlich gut vernetzt
Die Arbeit am Empfang mache ihm Spaß, erzählt der angehende Student anschließend weiter. Er schätzt den Kontakt zu Menschen und die Tatsache, dass der Beruf recht abwechslungsreich ist. „Man ist mit dem ganzen Krankenhaus recht gut vernetzt und hat mit vielen mal zu tun“, sagt er. Aber man sieht eben auch das Ergebnis vieler Unfälle: Blutige Nasen, Brüche und vor allem verletzte Kinder sehen er und seine Kollegen im Josefs-Hospital alltäglich. „Manchmal fühlt man da schon mit“, erklärt Bers.
Seine Kollegin Manuela Jerusel hat noch mehr Erfahrung als Empfangsmitarbeiterin. Sie arbeitet seit 31 Jahren in dem Bereich und hat so manche schwierige Situation schon erlebt. Gerade in der Klinik in Elsey, aber auch in den anderen Krankenhäusern, gehören Diskussionen mit Patienten und Angehörigen zum Tagesgeschäft.
Menschen kommen in einer Ausnahmesituation in die Klinik
Meistens beruhigt sich die Situation dann wieder. Für das Verhalten von Patienten und Angehörigen haben die beiden grundsätzlich Verständnis, auch wenn sie sich als falsche Adressaten für die mitunter auch aggressiven Vorwürfe sehen: „Man muss sich bewusst machen, dass die Menschen in einer Ausnahmesituation hierher kommen“, erzählt die erfahrene Empfangsmitarbeiterin. Manche Angehörige hätten ihren kranken Verwandten das letzte Mal zuhause gesehen, manchmal leblos. „Da liegen die Nerven schonmal blank“, sagt Jerusel.
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Aber wenn sie und ihre Kollegen bei einem Problem nicht weiterhelfen können, kriegen sie ein ums andere Mal eben auch den Frust der Menschen ab. In der Corona-Zeit, so berichten sie, war die Stimmung überaus angespannt, nicht zuletzt wegen der teils harten Besuchsbeschränkungen in Krankenhäusern.
Niemand wird weggeschickt
Ein anderes Reizthema, das sich aber bald erledigt haben dürfte, sind Notfallpatienten, die wegen akuter psychischer Probleme in Elsey ohne Voranmeldung vorbeikommen. Aktuell werden solche Patienten ausschließlich im Johannis-Hospital in Boele aufgenommen: „Prinzipiell ist es so, dass wir hier niemanden einfach so wieder wegschicken. Wir versuchen dann, mit Absprache des diensthabenden Arztes, einen Transport nach Boele zu organisieren“, erklärt Jerusel.
Das Verständnis dafür hält sich dann manchmal in Grenzen, auch wenn die Empfangsmitarbeiter daran nichts ändern können. Unter anderem bei Suchtkranken sorgt die Regelung für viel Frust: Einstweilen drohen solche Situationen dann zu eskalieren: „In den schlimmsten Fällen haben wir auch schon die Polizei gerufen“, erklärt die Empfangsmitarbeiterin, die aber betont: „Im Grunde geht hier insgesamt alles ziemlich ruhig zu“. Zudem wird die Notfallaufnahme nach der Schließung des Boeler Krankenhauses ohnehin etwa zum Jahresende in Elsey eingegliedert. Insofern dürfte sich dieses Problem dann erübrigt haben.
Irgendwas passiert immer
Jerusel und Bers werben jedenfalls für ihren Beruf, in dem sie eben sehr viel erleben: „Darüber könnte ich fast ein Buch schreiben“, sagt Jerusel und schmunzelt. Für viele seien die Nachtdienste, aber auch die Wochenend- und Feiertagsdienste, die mit der Arbeit am Empfang des Josefs-Hospitals verbunden ist, abschreckend.
Bers sieht darin einen Vorteil, zumindest ab Oktober, wenn sein neuer Lebensabschnitt beginnt: „Wenn es mal ruhig sein sollte, kann ich in der Zeit fürs Studium lernen, wenn es mal Leerlauf geben sollte“, sagt er. Auch wenn das nicht so häufig vorkommt: „Denn irgendwas passiert immer.“