Hagen-Mitte. Illustratorin Vivian Stegen sticht filigrane Tattoos in Hagen unter die Haut, ist auf großen Festivals und sogar Kreuzfahrtschiffen unterwegs.
Wenn man von außen mit ganz unvoreingenommenem Blick auf die Stadt blickt, „dann kann Hagen echt schön sein“, sagt Vivian Stegen. Sie ist erst vor drei Jahren hergezogen, kannte Hagen vorher nicht. „Jede Stadt hat schlechte Ecken – ich bin jedenfalls total glücklich hier, die Lage ist zentral, es gibt viel Grün“, sagt die 28-Jährige, die auch der Liebe wegen hergezogen ist.
Sie sitzt auf ihrem Hocker vor einem weißen, ordentlichen Schreibtisch in ihrem „Büro“. In zwei weißen Bilderrahmen sind ihre ersten Tattoo-Maschinen eingerahmt, „die waren so laut, da konnte man sich kaum unterhalten, während man tätowiert hat“, erinnert sie sich und lacht. Vivian Stegen tätowiert, „ich bin in erster Linie Illustratorin – die ihre Kunst eben auch unter die Haut sticht“. Ihre Kunst wird verewigt, könnte man sagen, verschwindet nicht irgendwann in einem Karton. Sie sticht nicht in Farbe, nur in schwarz, „oder höchstens mit kleinen Farbakzenten“.
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Oft Wartezeiten von bis zu einem Jahr
Vivian Stegens Tattoos sind hauchzart, gestochen nur mit einer einzigen Nadel. Das Ganze nennt sich „Fineline-Tattoo“ oder Single-Needle-Technik. Weil eben aus feinen, filigranen Linien die Motive entstehen. Diese Art von Tattoos ist seit einigen Jahren im Trend. „Gerade in Großstädten gibt es mittlerweile viele Studios, die sich darauf spezialisiert haben. Oft haben sie sehr lange Wartezeiten von manchmal bis zu einem Jahr“, blickt Vivian Stegen auf die Branche.
Erstes Praktikum mit 16 Jahren
Eine Branche, in der sie schon früh Fußfassen wollte. „Ich fand Tätowieren immer cool, habe schon als Kind immer die bunten Zeitschriften bestaunt. Ich habe immer davon geträumt, mal mit eigener Kunst Geld zu verdienen“, sagt die 28-Jährige. Mit 15 versuchte sie also, ihr erstes Praktikum in einem Tattoo-Studio zu ergattern. „Ich hatte eine Mappe mit Zeichnungen dabei. Man hat mir aber nur gesagt, dass das keine gute Branche für Frauen sei und ich, wenn ich anfangen sollte, nicht einmal was stechen dürfte. Das hat mich deprimiert“, erinnert sich die junge Frau an den ersten Versuch, sich in dem Beruf auszuprobieren.
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Ein Jahr später bekam sie über ihre Mutter die Chance, ein Praktikum in einem Studio zu absolvieren. „Aus einer Woche wurde ein dreiviertel Jahr. Dort habe ich zum ersten Mal Einblicke in Nadel- und Farblehre bekommen. Es war so ein cooles, klassisches Oldschool-Studio, wie man es kennt. Es lief Rockmusik, tätowiert wurden Oldschool-Motive, die Räume waren dunkel gehalten und mit Totenköpfen und Skeletten dekoriert“, sagt Vivian Stegen.
Das kleine private „Studio“ der ausgebildeten Sport- und Fitnesskauffrau („Ich wollte einen Plan B und eine Ausbildung haben“) bildet heute einen kompletten Kontrast zu ihrem ersten Praktikumsplatz. Es ist hell, lichtdurchflutet. Ihre Arbeit ist dominiert von feinen Tattoos mit realistischem Detailreichtum, floralen Designs, Ornamenten.
Auf Kreuzfahrtschiff Kapitän tätowiert
„Vor etwa zweieinhalb Jahren habe ich alles auf eine Karte gesetzt und mich selbstständig gemacht“, blickt Vivian Stegen zurück. Wobei alles auf eine Karte vielleicht nicht ganz richtig ist – „ich studiere parallel noch Kommunikationsdesign. Man weiß ja nie, ob einem nicht einmal was passiert und man plötzlich arbeitsunfähig wird. Für Fineline-Tattoos braucht es viel Konzentration und eine sehr ruhige Hand. Das Stechen ist ja auch keine Sache von Minuten, sondern oft Stunden“, sagt die 28-Jährige.
Als sie sich selbstständig machte, erhoffte sie sich zunächst einmal nicht viel. „Innerhalb von drei Monaten konnte ich davon leben. Ich verkaufe neben Tattoos aber auch Illustrationen“, erklärt sie. Mittlerweile arbeitet sie als Gasttätowiererin auch in Städten wie Köln oder Hamburg und Dortmund, arbeitet mit diversen Studios zusammen, war zuletzt drei Wochen lang als Tätowiererin auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs. „Ich durfte sogar den Kapitän tätowieren“, sagt Vivian Stegen und lacht.
Im kommenden Jahr wird sie viermal mit dem Schiff unterwegs sein. „Ich liebe diese Flexibilität – und dass ich meinen Job machen und dabei die Welt sehen kann“, sagt die junge Frau. Und sie liebt die Kreativität, die ihr Job ihr ermöglicht. „Durch Ideen von Kunden wird auch meine eigene Kreativität angekurbelt und ich entwickle neue Ideen. Ich erstelle dann Motiv-Entwürfe entweder auf dem Tablet oder Freihand am Kunden – und wir entwickeln dann gemeinsam die Idee weiter“, gibt sie Einblicke in den Ablauf.
Mit einem kleinen Thermo-Drucker werden die Motive in verschiedenen Größen ausgedruckt und auf der Haut aufgebracht. Die Linien, die sich dort in leichtem blau abzeichnen, sticht sie dann mit ihrer Maschine nach. Sie selbst ist übrigens nicht tätowiert. „Damals habe ich mir nur ein paar kleine Punkte gestochen“, sagt sie und lacht.
Was ihre Zukunft angeht, lässt sie alles auf sich zukommen. „Irgendwann wäre natürlich schon der Traum, mal ein eigenes Studio zu eröffnen. Aktuell genieße ich aber noch die Flexibilität, die mir das kleine Studio zuhause bietet.“