Hagen. Die Jahrhundertflut zerstörte einen Waldweg im Holthauser Bachtal in Hagen. Jetzt wird eine neue Straße gebaut, viele Holthauser sind entsetzt.
Viele Einwohner von Holthausen haben sich in den letzten Tagen beim Spazierengehen verwundert die Augen gerieben. Am Ende der engen Wohnstraße „Klippchen“, die am Holthauser Bach entlang in den Wald führt, sind Bauarbeiter mit schwerem Gerät aufgefahren. Und haben eine breite Schneise in die dort befindliche Wiese geschlagen. „So breit ist wahrscheinlich keine weitere Straße bei uns im Dorf“, unkt Margirt Partenheimer.
Tatsächlich wird mitten in der Natur, im Landschaftsschutzgebiet, eine neue Straße entstehen. Der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) baut im Auftrag der Stadt für 600.000 Euro eine 4,50 m breite und 735 m lange, asphaltierte Fahrbahn, die oberhalb von Holthausen wieder auf einen Wirtschaftsweg trifft. „Die Kritik an dem Projekt ist mir bekannt“, sagt WBH-Bauleiter Georg Skouras: „Es gibt aber Vorschriften, an die wir uns zu halten haben.“
Forsthaus von Außenwelt abgeschnitten
Grund für den Straßenbau ist das abgelegen im Wald befindliche Forsthaus, rund einen Kilometer vom Wohngebiet in Holthausen entfernt. Dort wohnt Frank Motzek. Bis zur Jahrhundertflut im Juli 2021 war alles gut, Motzek konnte über einen schmalen, am Bachbett vorbei führenden Weg sein Heim erreichen. Doch das Hochwasser zerstörte die Verbindung, Autos können den Weg seither nicht mehr befahren und Motzek bleibt nur ein mehrere Kilometer langer Umweg über einen Wirtschafts- und Forstweg in anderer Richtung, der an der Kattenohler Straße anschließt und über den Kreisel an der Enervie-Zentrale seine Verbindung nach Holthausen ist.
Bei dem Kriminalbeamten, der in Dortmund arbeitet, staute sich, weil sich an der Situation nichts änderte, Frust auf, wie er uns verriet: „Sie werden von einem Monat auf den nächsten vertröstet mit dem Ergebnis, dass nichts passiert“, so der 60-Jährige, der mit seiner Nachbarin weitestgehend autark in dem Haus lebt.
Keine Paketdienste, keine Müllabfuhr
Seit der Flut fehlt der Festnetz-Anschluss des Telefons. Und auch das tägliche Leben ist umständlich, denn Paketdienste fahren das Haus ebenso wenig an wie Müllwagen. Schließlich schaltete Motzek den Petitionsausschuss des Landtages ein: „Da wurde die Stadt Hagen auf einmal flott.“
Denn Motzek hat, wie jeder andere Bürger in Deutschland, ein Recht darauf, sein Haus erreichen zu können. Und auch Rettungs- und Einsatzfahrzeuge müssen im Notfall problemlos zu dem Forsthaus vordringen können.
Deshalb wird jetzt, finanziert aus dem Wiederaufbaufond, den das Land NRW nach der Flut aufgesetzt hat, die neue Straße gebaut. Sie verläuft weiter vom Bachlauf entfernt über die parallel laufende Wiese und mündet dann wieder in den Waldweg, an dem die Einfahrt zum Forsthaus von Frank Motzek liegt. Durch die Verlegung der Straße auf einer Länge von mehr als 500 Metern entstehe ein hohes Entwicklungspotenzial im Bereich des Bachlaufs und eine deutliche Aufwertung des Naturschutzgebietes, heißt es seitens der Stadtverwaltung Hagen. Die neue Straße werde nicht „quer über die Wiese“ verlaufen, hochwertige Strukturen wie Quell- und Feuchtbereiche würden berücksichtigt und umgangen.
Schlammlawine wälzt sich sich hangabwärts
Welche Gefahren bei einem Hochwasser drohen, bekam erst in der vergangenen Woche Marie-Luise Paar-Hausmann zu spüren, die das schmucke Fachwerkhaus am Ende des bebauten „Klippchens“ bewohnt. Bei starken Regenfällen am 5. Juli wälzte sich eine kleine Schlammlawine von der Baustelle aus auf ihr Haus zu, Spuren davon sind noch jetzt zu erkennen.
Trotzdem ist die Dame, die einen herrlichen Garten pflegt, zu Scherzen aufgelegt: „Das wird mein persönlicher Autobahn-Zubringer“, sagt sie über die neue, bereits planierte Straße, die direkt neben ihrem Haus in die Wiesen führt.
Bauleiter Skouras will die Holthauser beruhigen: „Das sieht natürlich derzeit gewaltig aus, wird aber zurückgebaut“, verspricht er. Neben der Fahrbahn werde an beiden Seiten ein jeweils rund 50 cm breiter Randstreifen, bestehend aus einem Schotter-Rasen-Gemisch, angelegt, der der Versickerung von Regenwasser dient, denn Gullys werden im Holthauser Bachtal nicht gebaut. Zudem sollen die Versorgungsleitungen für das Haus von Frank Motzek unterirdisch verlegt werden.