Hagen. Wer würde eigentlich den überfluteten Turm der Arbeitsagentur in Hagen kaufen wollen? Es gibt offensichtlich Interessenten.
„Hochhaus zu verkaufen – wer traut sich an den Turm?“ titelte die Stadtredaktion vor einem halben Jahr mit Blick auf das imposante Objekt der Arbeitsagentur. Denn die Bundeszentrale in Nürnberg hatte 80 Wochen nach der auch für dieses Objekt fatalen Jahrhundertflut entschieden, die stark in Mitleidenschaft gezogene, 17-stöckige Dependance in Hagen für ein halbes Jahr bei potenziellen Investoren zum Verkauf anbieten zu wollen. Inzwischen sind fast sechs Monate vergangen und Katja Heck, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit in Hagen bestätigt, dass sich seitdem durchaus mehrere seriös anmutende Interessenten gemeldet hätten, deren Anfragen sie direkt in die fränkische Zentrale weitergeleitet habe.
Provisorische Bleibe in Haspe
Zurzeit findet sich das Beratungscenter der Agentur für Arbeit in Haspe an der Berliner Straße in den ehemaligen Räumlichkeiten der Firma Nordwest. Ein Provisorium das – egal wie es an der Körnerstraße weitergeht – sicherlich noch über Jahre Bestand hat.
Dieses Domizil mit Bushaltestelle vor der Tür ist die aktuelle Anlaufstelle für Kunden mit Termin für ein Beratungsgespräch. Auf fünf Etagen kann die Behörde dort nach Monaten des Home-Office-Ausweichens und Vagabundierens wieder mit etwa 300 Mitarbeitern den vollen Service anbieten.
Für persönliche Arbeitslosmeldungen, Anliegen ohne Termin oder auch für Notfälle ist weiterhin das Kundencenter in der Mariengasse 3 in der Innenstadt die richtige Anlaufstelle. Hier wurde im ehemaligen St.-Marien-Hospital zuletzt eine Onkologische Praxis für die Bedürfnisse der Agentur umgebaut.
Das Hagener Jobcenter, das sowohl in dem Hochhausturm als auch in der Dependance am Berliner Platz ebenfalls unter den Folgen des Hochwassers litt, hat derweil neue Räume am Graf-von-Galen-Ring 39 bezogen. Auf sieben Etagen erledigen dort etwa 80 Mitarbeiter das klassische Kundengeschäft. Im Entree werden derweil erste leistungsrechtliche Fragen abgewickelt.
In der angrenzenden Immobilie Graf-von-Galen-Ring 47 (zuletzt mit Discothekennutzung) entsteht zurzeit die Jugendberufsagentur, die zurzeit in der Goldbergstraße 13-15 untergebracht ist. Hier wird ein Eröffnungstermin Ende 2023 anvisiert
Dabei soll, so die Recherchen der Stadtredaktion, das konzeptionelle Ideenspektrum von einer Sanierung der 75 Meter hohen Immobilie über einen Teilabriss bis hin zu einer vollständigen Planierung des Areals reichen, um dort ganz neue Handels-, Dienstleistungs- und Wohnkonzepte zu realisieren. Parallel dazu lässt die Bundesagentur zurzeit auch noch ein Verkehrswertgutachten erstellen, um auf Grundlage dieser soliden Zahlenbasis und der Kaufofferten letztlich über die Zukunft der stadtbildprägenden Immobilie, die weiterhin voll unterhalten wird, final zu entscheiden.
Alternativ-Objekte gesucht
Die Hagener Agentur-Chefin, die mit dem Gros ihres Teams vorläufig Unterschlupf in der ehemaligen Nordwest-Immobilie in Kückelhausen an der Berliner Straße gefunden hat, sucht derweil weiterhin nach einem Alternativ-Objekt für ihre Behörde in zentraler Lage, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig und vor allem den modernen Beratungsbedürfnissen entsprechend ihren Service für die Jobsuchenden anbieten können. „Für unseren Raumbedarf von 7000 Quadratmetern plus X gibt der Markt in Hagen fast nichts her“, so die bislang ernüchternde Bilanz von Katja Heck, die zugleich Wert auf Parkflächen und eine günstige ÖPNV-Anbindung legt.
Konkrete Offerten soll es bislang lediglich für eine Ansiedlung in der ehemaligen St.-Marien-Hospital-Immobilie sowie für die in Sanierung befindliche Immobilie der einstigen Schraubenfabrik Bauer & Schaurte (früher Funcke & Hueck) am Zusammenfluss von Ennepe und Volme geben. Verworfen wurde derweil bei der Marktsondierung bereits die Idee, die leerstehende Kaufhof-Immobilie zu nutzen – hier passt das bestehende Flächenangebot so gar nicht zu den Anforderungen der Arbeitsagentur.
Entscheidung nach dem Sommer
Parallel läuft zwei Jahre nach der Jahrhundertflut, die für den Turm den technischen Knockout bedeutete, weiterhin das von der Zentrale in Nürnberg angestoßene Bieterverfahren für potenzielle Interessenten an dem Agentur-Turm. Die Ergebnisse sollen, auch mit Blick auf mögliche Alternativ-Standorte für die Hagener Arbeitsagentur, dann angesichts des Millionen-Volumens der Entscheidung nach der Sommerpause vom Bundesvorstand getroffen werden.
Ursprünglich hatte die Bundesagentur den bei der Jahrhundertflut vom 14. Juli 2021 entstandenen Schaden an dem anthrazitfarbenen Verwaltungsgebäude, das die Silhouette der Hagener Innenstadt seit über vier Jahrzehnten prägt, noch auf relativ überschaubare 12,5 Millionen Euro geschätzt. Die über die Ufer getretene Volme hatte immerhin die gesamte Tiefgarage des Gebäudes und fast das Erdgeschoss geflutet. Die vorzugsweise im Untergeschoss installierte Gebäudetechnik wurde dabei ebenfalls ein Opfer von Wasser und Schlamm.
Um das Objekt, das bereits im Vorfeld ohnehin schon unter einem nicht ganz unerheblichen Sanierungsstau litt, wieder zukunftssicher zu sanieren und zu modernisieren, wäre es zudem geboten gewesen, die Technik künftig auf dem Dach des angegliederten Berufsinformationszentrums (BIZ) zu platzieren, so dass der Preis – vorbehaltlich der aktuellen Baukostensteigerungen – absehbar auf mehr als 15 Millionen Euro gestiegen wäre.
Angesichts der aktuellen Lieferengpässe, des Fachkräfte- und Handwerkermangels sowie der immensen Preisaufschläge in der Branche garniert mit einer galoppierenden Inflation überschlugen sich in den vergangenen Monaten jedoch immer wieder die internen Schätzungen im Fachbereich für Infrastruktur in der Nürnberger Zentrale. Zuletzt, so ergab sich nach Informationen der Stadtredaktion aus den Gutachten der Fachleute, stand unter der Kostenkalkulation zur zukunftsgerechten Sanierung des Turms ein völlig utopisch anmutender Betrag jenseits der 40-Millionen-Euro-Schwelle. Utopisch deshalb, weil nach Informationen der Stadtredaktion parallel eine erste Grob-Kalkulation auf dem Tisch lag, dass ein Rückbau des Hochhauses – egal ob Abriss oder Sprengung – mit einem maßgeschneiderten Agentur-Neubau an gleicher Stelle für „lediglich“ 26 Millionen zu haben wäre.
Endgültige Abwägung
Mit Priorität verfolgen die Nürnberger jetzt jedoch zunächst einmal die Idee, einen Käufer für den mächtigen Turm zu finden. Ob sich dieser tatsächlich mit einem akzeptablen Angebot findet und welche Rolle an dem Standort bei einem künftigen Nutzungskonzept die Agentur für Arbeit dort noch spielt, wird der Abwägungsprozess in den nächsten Wochen ergeben müssen. Eine schriftliche Anfrage der Stadtredaktion an die Bundesagentur zum Stand des Verfahrens blieb unbeantwortet. In jedem Fall ergibt sich aus all diesen Gedankenspielen, dass die provisorische Unterbringung der Behörde in Haspe noch für Jahre Bestand haben dürfte.
Der imposante Turm in Hagens Mitte mit einer Gesamtfläche von gut 19.000 Quadratmetern, dessen Grundstein am 14. Februar 1980 gelegt wurde, musste über die Jahrzehnte immer wieder aufwendig dem Standard der Zeit angepasst werden. Schon vor dem verheerenden Juli-Hochwasser gab es Feuchtigkeits- und Frostschäden, aber auch die Unzuverlässigkeit der Aufzüge sowie die Kapriolen der im Turm verbauten Klimatechnik waren seitdem immer wieder Stadtgespräch. Zuletzt wurde noch an der Kuppel in luftiger Höhe herumgedoktert, weil Feuchtigkeit über das Dach in das Gebäude eindrang. Diese Arbeiten wurden jedoch nie abgeschlossen – die Flut war schneller.