Hagen. Weil ihr Engagement in anderen Organisationen sich nicht mit CDU-Statuten vereinbaren lässt, soll Migrantin Özlem Başöz aus Hagen gehen.

Der Hagener CDU steht politisch und medial unschönes Getöse rund um ein Parteiausschlussverfahren ins Haus: Aufgrund ihrer führenden Rolle in der ATIB-Bewegung (Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa) sowie beim Zentralrat der Muslime in Deutschland soll die Hagener CDU-Frau Özlem Başöz (40) die Union unfreiwillig verlassen. Der Hagener Kreisvorstand hat Parteichef Dennis Rehbein einstimmig und offiziell damit beauftragt, das formale Ausschlussverfahren einzuleiten. „Das macht mich sehr traurig“, zeigt sich die Betroffene im Gespräch mit der Stadtredaktion enttäuscht.

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Dabei ist Özlem Başöz, bereits seit 2010 Mitglied der Hagener CDU und zurzeit stellvertretende Ausschussvorsitzende im Integrationsrat der Stadt Hagen, im Gegensatz zu den republikweit schlagzeilenträchtig auftretenden Schicksalsgenossen Thilo Sarrazin (SPD) und Hans-Georg Maaßen (CDU) bislang weder durch radikales Handeln noch durch grenzwertige Äußerungen aufgefallen. Allerdings wird die ATIB von Verfassungsschützern der rechtsextrem-nationalistischen Ülkücü-Bewegung (Graue Wölfe) zugerechnet und ist zugleich als Gründungsmitglied des Zentralrats der Muslime die dort mitgliedsstärkste Organisation in dem Dachverband. Dieses Doppelengagement, so ein Beschluss des CDU-Bundesparteitages 2014, sei mit den Statuten der Partei nicht zu vereinbaren.

Landespartei macht Druck

Darauf aufmerksam gemacht wurde die Hagener CDU zu Jahresbeginn von Landesgeschäftsführer Thomas Breuer, den seinerzeit eine argwöhnische Presseanfrage erreichte: „Ich kannte die Dame bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht persönlich, habe aber seitdem mehrfach mit ihr telefoniert“, berichtet Rehbein auf Anfrage. „Im Gespräch mit mir hat sie sich ausdrücklich von allen radikalen Kräften distanziert und ihre Rolle als ATIB-Generalsekretärin damit begründet, dort mäßigend einwirken zu wollen.“

Bereits vor sieben Jahren engagierte sich Özlem Başöz (3.v.re.) zusammen mit mehreren weiteren Vertretern anderen Konfessionen für einen Runden Tisch der Religionen in Hagen. Mit im Bild (v.li.) Petra Held, Peter Mook, Verena Schmidt, Raphael Gehrmann, Dirk Thorbow und Güler Kahraman
Bereits vor sieben Jahren engagierte sich Özlem Başöz (3.v.re.) zusammen mit mehreren weiteren Vertretern anderen Konfessionen für einen Runden Tisch der Religionen in Hagen. Mit im Bild (v.li.) Petra Held, Peter Mook, Verena Schmidt, Raphael Gehrmann, Dirk Thorbow und Güler Kahraman © Stadt Hagen

Diese Haltung bestätigt Başöz, die während des Studiums über Freunde in der Jungen Union inhaltlich den Weg zur CDU fand, im persönlichen Gespräch ausdrücklich: „Ich habe mich in der CDU stets politisch zu Hause gefühlt. Gleichzeitig ist es eine Art Revolution, wenn ich als Muslima ohne Kopftuch in führender Rolle und als Repräsentantin bei ATIB und dem Zentralrat der Muslime mein Können zeige“, möchte die deutsche Staatsbürgerin der Gesellschaft gezielt den Spiegel vorhalten. Denn auch bei diesen Organisationen habe sich die Kultur verändert und diese würden längst nicht mehr von erzkonservativen Männern dominiert.

Seit 1985 in Deutschland

Die 40-Jährige stammt ursprünglich aus Kayseri in Kappadokien in der Zentraltürkei, kam bereits im Alter von zwei Jahren im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Deutschland und legte ihr Abitur an der Fritz-Steinhoff-Gesamtschule in Helfe ab. Die studierte Diplom-Pädagogin (TU Dortmund) arbeitet im Öffentlichen Dienst in der psychosozialen Arbeit und Jugendhilfe in Lüdenscheid, ist aber seit ihrer Jugend in Hagen lokal- und kulturpolitisch engagiert, unter anderem bei der örtlichen ATIB.

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„Ich hatte mit Radikalismus noch nie etwas zu tun“, betont Özlem Başöz: „Für mich sind alle Menschen gleich, wenn sie mir als Menschen gegenübertreten. Ich möchte im Dialog zusammenführen und nicht Unterschiedlichkeiten herausarbeiten“, versteht sie ihre Rolle eher integrativ und möchte sich für ein vorurteilsfreies Zusammenleben der Migranten und der Mehrheitsgesellschaft engagieren und dies auch mitgestalten. Mit dieser Haltung habe sie als ATIB-Generalsekretärin die volle Rückendeckung des aktuellen Vorstandes, der zurzeit parallel auf juristischem Wege versuche, die Vorbehalte der Verfassungsschützer aus der Welt zu schaffen. „Dabei will ich gar nicht verleugnen, dass es in unseren Reihen auch radikale Kräfte gibt, aber diese sind nicht in der Führung der ATIB zu finden, sondern Einzelfälle, die keine Verantwortung und Mandat tragen. Das ist in einer zivilgesellschaftlichen Organisation auch nichts Besonderes, schauen Sie sich bitte dazu die Parteien an, die uns in den Parlamenten vertreten. Außerdem sind Einzelfälle kein Anlass für einen Generalverdacht.“

NRW-CDU sieht keinen Spielraum

Nähe zu den Grauen Wölfen

Seitens des Verfassungsschutzes wird die ATIB-Bewegung den „Grauen Wölfen zugeordnet und gilt zugleich als Gründungsorganisation des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD). Kernelemente rechtsextremistischer Agitation wie ein übersteigerter Nationalismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus und Antisemitismus prägten die Ideologie der türkischen „Ülkücü“-Bewegung, so die aktuelle Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Ihre in Deutschland etwa 11.000 Anhänger, die „Ülkücüler“ oder auf Deutsch „Idealisten“, sind bislang umgangssprachlich eher als „Graue Wölfe“ bekannt, der als Symbol der Gruppe dient.

Die Ideologie der rechtsextremistischen türkischen „Ülkücü“-Bewegung entstand Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei. Sie ist historisch geprägt und basiert unter anderem auf den Erinnerungen an das ehemalige Osmanische Reich. Die „Ülkücü“-Ideologie fußt dabei auf einer nationalistischen, antisemitischen und rassistischen rechtsextremistischen Ideologie, deren Wurzeln im Panturkismus liegen, so die historische Einschätzung der Behörden. Die ideologische Bandbreite der Bewegung reicht von einem nationalistischen Kemalismus bis in den Randbereich des Islamismus. „Dabei beinhaltet die Ideologie neben übersteigerten nationalistischen auch antisemitische und rassistische rechtsextremistische Elemente“, urteilen die Verfassungsschützer.

Eine Thematik, bei der die NRW-CDU äußerst sensibel reagiert. Zumal immer wieder Vorwürfe auftauchen, es fehle in den eigenen Reihen an der notwendigen Distanz beim Umgang mit radikalen, im Fokus des Verfassungsschutzes stehenden Organisationen. Entsprechend sieht Roland Rochlitzer, Justiziar der NRW-CDU, im Fall der Personalie Özlem Başöz auch keinerlei Ermessensspielraum und erteilte der Hagener CDU nach Informationen der Stadtredaktion eine zwingende Handlungsempfehlung, das Parteimitglied vor eine Entscheidung zu stellen: CDU oder ATIB und Zentralrat der Muslime – beides sei nicht möglich.

„Verfassungstreue ist ein demokratischer Wert, der sehr hoch zu bewerten ist“, betont der Hagener Parteichef Rehbein. Entsprechend wird zurzeit in den Hagener CDU-Kulissen das formaljuristische Ausschlussverfahren – ein Fall für das lokale Kreisparteigericht – in enger Abstimmung mit den Düsseldorfer Parteifreunden auf den Weg gebracht.

Özlem Başöz ahnt natürlich, dass sie sich in den nächsten Tag entscheiden muss, für welche politischen Organisationen sie sich in Zukunft weiter engagieren möchte. Entsprechend sucht sie bereits die juristische Begleitung: „Schließlich möchte ich durch mein Wirken junge Mädchen und heranwachsende Frauen ja motivieren, in dieser Gesellschaft für ihre Rechte einzustehen.“