Hagen. 33 Jahre hat Roland Kunigk in der Begegnungsstätte „Corbacher 20“ gearbeitet. Ein Blick auf einen besonderen Menschen an einem besonderen Ort.
Haspe, sagt er… Haspe sei doch wie ein kleines Dorf. Die Wege seien noch kurz. Und die Menschen, sie kennen sich. Haspe „ist“ wie ein kleines Dorf. Und einer, der sich im Mittelpunkt dieses Dorfes bewegt, ohne dass er im Mittelpunkt stehen will, geht. Roland Kunigk, ein Sozialarbeiter im ursprünglichsten Sinne dieses Worte, ein fast 65-Jähriger, der sich in den letzten 33 Jahren dem Stadtteil, den Menschen und der sozialen Arbeit ganz im Westen von Hagen verschrieben hat, hört auf.
„Corbacher 20“ heißen die Räume, die die den Mittelpunkt seines Wirkens gebildet haben, ganz schlicht. „Corbacher 20“ nach der Adresse, an dem sich das einstige Wirtshaus befand. Und im Grunde ist es das geblieben – ein Gasthaus. Ein Haus, in dem Gäste willkommen sind. Ganz gleich, wie alt sie sind. Ganz gleich, welche Geschichte sie haben. Ganz gleich, welcher sozialen Schicht sie angehören mögen.
„Corbacher 20“ – wie ein gutes Gasthaus
Sie alle kommen, weil die Türen der Corbacher 20 offen stehen. Die Türen einer Beratungs- und einer Begegnungsstätte, in der sich – wie in einem guten Gasthaus, in einer typischen Kneipe –, die verschiedensten Menschen begegnen. Kunigk ist hier neben seiner jungen Kollegin Laura Kujath Wirt und Gastgeber – ein Urgestein – mit Gevelsberger Wurzeln, den es privat aber mittlerweile in ein kleines Dörfchen Namens Ihmert bei Hemer verschlagen hat.
Dieses Dorf Haspe aber ist für ihn in all den Jahren ein Anziehungspunkt gewesen. „Es ist einfach schön hier“, sagt Kunigk, kein Lautsprecher, wie es sie im Stadtteil auch gibt, dafür ein Mann der ruhigen, der besonnen Worte und des Ausgleichs. Wenngleich auch er über die Jahre hinweg festgestellt hat, wie sich dieser Ort, der schon immer durch Arbeiter und Zuwanderung geprägt war, gewandelt hat. „Corona, die Pandemie – das hat hier noch einmal Strukturen zerstört.“
Der Wandel einer Lebensader
Kunigk sagt das und meint damit die Voerder Straße, die als eigentliche Lebensader weitestgehend für Autos gesperrt parallel zur Corbacher Straße verläuft. „Die Leerstände haben noch einmal zugenommen.“ Aber er sagt das und meint auch die Menschen, die sich hier engagieren. „Viele Vereine sind überaltert. Sie haben nicht wieder angefangen.“
Die Vereine hat Kunigk in einem Arbeitskreis versammelt. „AK 90“ heißt dieser Zusammenschluss, der ganz maßgeblich ein interkulturelles Fest organisiert. Ein Fest, das zeigt, wie bunt dieser Stadtteil ist. Es passt hierher, in den Westen der Stadt. „Die Menschen hier sind ganz verschieden“, sagt Kunigk, „es hat immer Spaß gemacht, auch in diesen Stadtteil hineinzuwirken.“
Wenn Menschen Nummern werden
Dabei haben die Veränderungen im Dorf auch durchgeschlagen auf die Arbeit in einer Beratungsstelle, die von einem ökumenischen Verein (Verein für christliche Sozialarbeit Haspe) getragen wird. Nur ein Beispiel: „Früher gab es in Haspe noch ein Sozialamt“, sagt Roland Kunigk, „man kannte Sachbearbeiter noch persönlich. Heute gibt es nur noch das Jobcenter in Hagen, Menschen werden zu Nummern, und wenn man telefonisch etwas klären möchte, hängt man manchmal eine halbe Stunde in der Warteschleife. Für Leute, die kein Guthaben mehr auf ihrer Prepaid-Karte haben, ist das ein echtes Problem.“
Kunigk, der einst als Gemeinwesenarbeiter in einer Dortmunder Obdachlosen-Siedlung in sein Berufsleben gestartet ist, hat viele Veränderungen erlebt. Am kommenden Freitag nun wird er verabschiedet. In Wochenende, in den Ruhestand.
Im Wohnmobil auf Reisen
Die Corbacher 20 bleibt weiter geöffnet. Ein gutes Gasthaus, vor dem Roland Kunigk gerade sein Wohnmobil geparkt hat. Ein Fingerzeig auf das, was kommt: „Ja, ich werde was vermissen“, sagt er, der Sozialarbeiter im ursprünglichsten Sinn, der in all den Jahren tausenden Menschen in Haspe geholfen hat. „Aber ich werde mit meiner Frau viel reisen. Wir haben ein Häuschen mit Garten, dem ich mich auch mal unter der Woche widmen werde. Und ich werde weiter früh aufstehen – allerdings nicht, wenn der Wecker klingelt.“