Haspe. Wie die Beratungs- und Begegnungsstätte Corbacher 20 in Hagen-Haspe trotz Corona Bedürftigen hilft.

„Ein Jahr hat für uns finanziell noch nie so schlecht begonnen“, sagt Heinrich Baumann ohne Umschweife und spielt damit auf die dramatische Situation der Beratungs- und Begegnungsstätte Corbacher 20 in Haspe an. Der Pfarrer, der seit nunmehr gut zwei Jahren im Ruhestand, aber immer noch als Vorstandsvorsitzender der Einrichtung aktiv ist, runzelt die Stirn. Die Coronazeit macht ihm, wenn er in die Bücher der Corbacher 20 schaut, arg zu schaffen.

Der Bereich Firmenspenden und Kollekte aus Gottesdiensten ist extrem geschrumpft

„Im Bereich Privatspenden - meist Kleinspenden - kommen immer noch etwa 70.000 Euro pro Jahr zusammen. Doch der Bereich Firmenspenden, Stiftungsgelder, Erlöse aus Benefizveranstaltungen und die Kollekte aus Gottesdiensten ist in den letzten Monaten ex­trem geschrumpft.“

Heinrich Baumann spricht in Zahlen: „Wir liegen jetzt schon im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres 15.000 Euro zurück. Wenn sich Corona noch länger hinzieht, befürchten wir zum Ende des Jahres ein Minus von 60.000 Euro in unserer Kasse.“

Heinrich Baumann ist Vorstandsvorsitzender in der Corbacher 20 in Hagen-Haspe.
Heinrich Baumann ist Vorstandsvorsitzender in der Corbacher 20 in Hagen-Haspe. © WP | Michael Kleinrensing

Was Baumann zusätzlich Sorgen bereitet? „Wir haben uns immer zwei Komponenten - Beratung und Begegnung - auf die Fahne geschrieben, doch durch Covid 19 ist die zweite Säule, sprich, die Begegnung, massiv ausgebremst.“

Dennoch lassen sich auch die hauptamtlichen Mitarbeiter Roland Kunigk und Birgit Kleine nicht unterkriegen und setzen sich für die Menschen – sozial schwach Gestellte, Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, alte oder einsame Menschen, die größtenteils aus dem Stadtteil Haspe kommen – auch weiterhin mit großer Hingabe ein. „Wir versuchen, den Kontakt per Telefon zu halten oder sprechen mit den Menschen, die sich gern mit uns persönlich austauschen möchten, durchs offene Fenster“, sagt Sozialpädagoge­ Roland Kunigk.

Lebensmittelausgabe für Notfälle

Gruppentreffen finden aufgrund der Pandemie-Auflagen seit Monaten nicht statt, „aber unsere Lebensmittelausgabe für Notfälle halten wir bei“, versichert Sozialarbeiterin Birgit Kleine, „die Bedürftigen klingeln einfach bei uns an, dann bekommen sie auch etwas.“

Auch in der Coronazeit, wo die Räumlichkeiten nicht von mehreren Personen gleichzeitig besucht werden dürfen, kommen täglich mindestens zehn Bedürftige, um sich etwas zu Essen zu holen oder ihr Handy aufzuladen, weil in ihrer Wohnung der Strom abgestellt wurde.

Viele Bedürftige haben kein Internet

„In der Coronazeit hat der Bedarf an Beratung zugenommen“, resümiert Roland Kunigk. „Viele unserer Gäste haben kein Internet, keinen Drucker und kennen sich in Online-Dingen überhaupt nicht aus.“ Das Corbacher-20-Team vereinbart im Namen der Hilfesuchenden online Termine beim Bürgeramt oder bei Krankenkassen, „ohne uns stünden diese Menschen total auf dem Schlauch“, spricht Roland Kunigk aus Erfahrung.

Birgit Kleine ergänzt: „Viele Minijobber stehen aufgrund Corona plötzlich ohne Arbeit da und müssen einen neuen Antrag beim Jobcenter stellen. Und auch jene, die einen 16-seitigen Hartz-IV-Antrag stellen müssen, sind gänzlich überfordert. Wir helfen, wo wir kön­nen.“

Plexiglasscheiben und Masken

Daher bieten die Experten auch weiterhin Einzelberatungsgespräche an. „Wir haben an unserem Beratungstisch Plexiglasscheiben angebracht, halten großen Abstand, tragen Masken, haben eine Luftreinigungsanlage angeschafft und desinfizieren Tisch und Stühle nach jedem Kontakt“, unterstreichen die beiden, „und wir sind geimpft, dadurch fühlen wir uns persönlich sicher­.“

Einrichtung wurde vor 31 Jahren in Haspe gegründet

Die Einrichtung Corbacher 20 wurde vor 31 Jahren gegründet, der Corbacher-20-Förderverein existiert seit nunmehr 26 Jahren. Die Einrichtung ist ein ökumenisches Projekt christlicher Sozialarbeit der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Haspe und der katholischen St. Bonifatius-Gemeinde Haspe.

Die Stätte für Beratung und Begegnung in der Corbacher Straße 20 in Haspe verfügt in einem normalen Jahr über ein Jahresbudget von 140.000 Euro.

Apropos Birgit Kleine: Nach 31 Jahren (die Sozialarbeiterin war vom ersten Corbacher-20-Tag mit an Bord) hatte am heutigen Freitag ihren letzten Arbeitstag - die 65-Jährige geht in Rente und sagt halb erleichtert, halb traurig: „Es war für mich eine Lebensstelle.“

Ihre Halbtagsstelle soll im Sommer­ neu besetzt werden, „gut wäre jemand, der aus der Region kommt und sich hier auskennt. Und auch wieder eine weibliche Kraft zu finden, wäre wichtig, da nicht alle Frauen, die zu uns kommen, mit einem männlichen Berater zu tun haben möchten. Und umgekehrt“, sagt Heinrich Baumann.

Wer sich für die Sozialarbeiterstelle interessiert, kann sich in der Einrichtung melden (mo - fr 8.30 bis 17 Uhr; 02331 - 4423 4).