Hagen-Mitte. 75 Jahre am Ort, die City um ihn herum entstanden. Das Kaufhof-Aus in Hagen läutet eine Zeitenwende ein. Nichts bleibt in der City wie es war.
75 Jahre. In Worten: fünfundsiebzig. So viele Jahre gibt es den Kaufhof in Hagen. Ein Menschenleben. Ein Relikt der Wirtschaftswunderzeit. Wie ein letzter Gruß aus einer Epoche, in der wir in die Stadt gefahren sind, um in Ruhe dort das zu tun, was man damals noch nicht „shoppen“ nannte, sondern bummeln oder schlichtweg einkaufen. Vielleicht verbunden mit einer Tasse Kaffee im Restaurant des Kaufhofs oder bei Horten oder sonstwo. Zeitenwende ist ein stark besetzter Begriff in diesen Tagen. Aber das Ende des Kaufhofs in Hagen ist mindestens genau das. Es endet etwas.
Die Bilder aus dem Stadtarchiv sind unglaublich aus heutiger Sicht. Hunderte tummeln sich vor der Tür des Warenhauses, das ursprünglich 1948 im Haus Wenk eröffnet wurde, in der Elberfelder Straße 15 – Ecke Goldbergstraße. Die Filiale wurde aber schon kurz danach wieder geschlossen. Im Jahr 1952 eröffnete der Kaufhof dann im Neubau an der Elberfelder Straße/Ecke Kampstraße. (Lesen Sie auch: Kaufhof-Filialleiter und Mitarbeiter in Hagen hoffen nun auf Informationen)
Gebäude in 1A-Lage
Wie in vielen anderen deutschen Städten auch in der 1A-Lage in Hagen. Auch wenn erst die Volme-, dann die Rathausgalerie den sichtbaren Einkaufsschwerpunkt später an den Ebert-Platz zogen. Die Ecke Kampstraße/Elberfelder Straße ist für viele Hagener Inbegriff der Mitte. Und hier, an der Herzkammer, stand dann ganz natürlicher Weise auch das Nummer-eins-Warenhaus am Ort: der Kaufhof. Mit einer klobigen, das Stadtbild prägenden Immobilie – wie in anderen Städten auch. Wie es damit weitergeht? Vielleicht ja wie in Recklinghausen, wo in einen solchen Komplex Hotel, Kita und Altenheim gezogen sind. Zeitenwende heißt auch Zeitenende und somit neue Nutzungen und Bedarfe. (Auch interessant: Noch vor Kurzem war beim hagener Kaufhof von Sanierung die Rede)
Hagener Paradoxon
Ganz speziell am Kaufhof zeigt sich das Paradoxon. Der Nostalgie-Faktor ist irre hoch, das zeigen Hunderte Kommentierungen im Netz zur Berichterstattung unserer Zeitung über die Kaufhof-Schließung. Und gleichzeitig bügelt niemand weg, dass es auch seine eigenen Füße waren, mit denen er über die Zukunft der Idee von „alle Waren in einem Haus“ abgestimmt hat. Ja, Smartphone raus, schnell bei Amazon geguckt, morgen ist es da. Wenn’s nicht gefällt, geht’s zurück. Kostenfrei. Die Warenhäuser haben diese Verlängerung jahrelang verschlafen.
„Es hilft nichts, immer wieder den guten alten Zeiten nach zu trauen. Horten, Quelle, Hertie, Langer Oscar, Markthalle – das alles ist nicht zehn oder 20 Jahre her, sondern mindestens 30, vielleicht auch 40. Das Konsumverhalten hat sich drastisch geändert, was viele Ursachen hat. Es ist auch kein exklusives Hagener Problem. Wer keinen Amazon- oder Zalando-Account hat, werfe den ersten Stein. Die gute alte Innenstadt der 70er- und 80er-Jahre gibt es nicht mehr“, kommentiert Hendrik Beyel auf der Facebook-Seite der WP.
Die „Zierde der Stadt“
Der Kaufhof mit seinen damals 8500 Quadratmetern galt seinerzeit als „Zierde der Stadt“. Als „sehenswerter Beitrag zum Wiederaufbau der Stadt“. Man kann das wunderbar nachvollziehen im Hagen-Buch des Jahres 2010, aus dem diese Zitate stammen. 1950 war die Bausperre für die einst zerbombte Innenstadt aufgehoben worden und der Neuordnungsplan trat in Kraft. Zahlreiche Kaufhäuser siedelten sich an. Damals wie heute: Zeitenwende.
Nun endet dieses Kapitel und vielen wird mulmig beim Gefühl daran, was aus der City werden mag. Ist das Kaufhof-Aus nur ein Vorbote einer Götterdämmerung in der Innenstadt? Wird da in Zukunft nur noch gewohnt, nicht mehr gekauft? Quo vadis, Hagener City?