Hohenlimburg. Nach 27 Jahren verlässt Anja Krüselmann die Grundschule im Kley. Wie gut ist ihre Schule für die Zukunft aufgestellt? Ein Gespräch zum Abschied
Als junge Lehrerin kam Anja Krüselmann vor 27 Jahren an die Grundschule im Kley. Sie übernahm später die Leitung und verlässt nun ihre Schule in Elsey mit dem Teilstandort Reh, um sich neuen Aufgaben im Schulamt Recklinghausen zu widmen. Wir haben sie zum Abschied für ein Gespräch getroffen.
Was überwiegt bei Ihnen: Die Vorfreude auf die neuen Aufgaben im Schulamt Recklinghausen oder der Trennungsschmerz nach 27 Jahren im Kley?
Krüselmann: Ich habe in meinem Abschiedsbrief geschrieben, „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“ – und so meine ich es auch. Mein ganzes berufliches Herz hing bisher in dieser Schule und es schlägt auch weiter für diese Schule, aber ich muss zu neuen Ufern aufbrechen und freue mich auf die neuen Aufgaben.
Im Schulamt werden sie aber nicht mehr so nah an den Schülerinnen und Schülern sein, oder?
Das stimmt; und dieser Kontakt wird mir auch fehlen. Das werde ich vermissen.
Sie haben in den 27 Jahren ein Auf und Ab bei der Entwicklung der Schülerzahlen erlebt. Vor 7 Jahren wurde die Grundschule Reh geschlossen und zum Teilstandort der Schule im Kley, auch weil die Schülerzahlen zuvor über Jahre rückläufig waren. Nun wächst der Bedarf wieder...
Es ist immer schwierig, mit solch wechselnden Entwicklungen umzugehen. Da wir aber vor der Schließung an beiden Standorten die Schülerzahl hatten, die wir heute grob auch haben, sind wir gut durchgekommen. Wobei wir aktuell, wie andere Schulen auch, „voll“ sind.
Also wenig Platz für weitere Schüler?
Letztlich besteht Schulpflicht und wenn Kinder kommen, dann werden diese natürlich untergebracht. Da muss man dann nach kreativen Lösungen suchen.
In den nächsten 5 Jahren wird noch Unterricht in dem alten Pavillon in Reh stattfinden. Danach soll etwas Neues kommen...
Die Planung ist da, um dort eine neue Lösung zu finden. Es hängt nicht nur am lieben Geld, sondern auch generell an den Möglichkeiten zum Bauen. Das ist gerade sehr schwierig.
Gibt es dazu bereits eine Perspektive?
Nein, da muss man noch schauen. Zunächst haben andere Schulen Priorität, an denen Anbauten geplant sind.
Ebenfalls in Ihre Zeit als Rektorin fällt die Zusammenarbeit mit dem Flugzeugbauer Boeing. Im Jahr 2015 wurde die „Lernwerkstatt“ eröffnet – ein Raum für Experimente und zum Ausprobieren.
Genau, da ist die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung in Kooperation mit Boeing auf uns zugekommen. Eigentlich war die „Lernwerkstatt“ nur für ein Jahr vorgesehen. Es lief aber so gut, dass das Projekt fast vier Jahre gelaufen ist und wir dank Unterstützung von Boeing ganz großes Glück hatten, gerade im Mint-Bereich naturwissenschaftlich und experimentell zu arbeiten. Dafür sind wir sehr dankbar.
Glauben sie, diese „Lernwerkstatt“ kann an der Schule künftig eine Renaissance feiern?
Das würden wir uns sehr wünschen, aber in der Vergangenheit war es immer so, dass das Unternehmen solche Kooperationen abgeschlossen und sich neuen Schulen, Projekten und Chancen zugewendet hat. Da muss man als Schule dann andere Möglichkeiten finden und dabei auch immer offen sein für neue Sponsoren und Geldgeber.
Diese Suche nach immer neuen Möglichkeiten zeichnet die Schule schon aus, auch wenn man auf das Beispiel „Schule macht stark“ blickt. Eine Initiative des Bundes, die seit zwei Jahren in Kooperation mit der Forschung an der Schule läuft.
Das ist ein gutes und vor allem langfristiges Projekt. Der Unterricht an der Schule wird methodisch auf den neuesten Stand gebracht und dabei auch das Kollegium einbezogen. Der Wunsch, sich hier weiterzuentwickeln, kam auch aus dem Kollegium. Der Bewerbung ging ein einstimmiger Konferenzbeschluss voran. Da haben wir Glück gehabt, dass wir genommen wurden.
Das Projekt läuft noch bis 2030. Gibt es schon erste Konzepte, die für den Unterricht erarbeitet wurden?
Wir sind eingestiegen in dem Fach Mathematik und aktuell laufen Module in den Klassen 1 und 2. Fertige Konzepte liegen noch nicht vor, die werden nun erarbeitet.
Hintergrund von „Schule macht stark“ ist es, Schulen und Lehrkräfte in sozial schwierigen Lagen zu unterstützen. An der Grundschule Im Kley kommen verschiedene soziale Hintergründe und Herkünfte zusammen. Wie sind sie damit umgegangen?
Man muss allen respektvoll und auf Augenhöhe begegnen – jeder Familie, egal mit welchem sprachlichen und sozialen Hintergrund. Das war und ist immer unser Credo. Wir bemühen uns darum auch in Form von niederschwelligen Angeboten, wie etwa einem Elterncafé. Das mussten wir leider wegen Corona einstellen, es soll aber reaktiviert werden. Deswegen ist es auch wichtig, die Kinder in ihren Herkunftssprachen ernst zu nehmen. Heißt: die Sprache, mit der sie aufwachsen und die sie zuhause sprechen, wertzuschätzen. Sprache ist der Schlüssel zu allem. Und wer seine Herkunftssprache gut spricht, kann auch Deutsch lernen. Und das ist unser vorrangiges Ziel; dass die Kinder gut in die deutsche Sprache finden, als Grundlage für Bildung.
Eine enorme Aufgabe und personell sehr aufwendig. Hätten sie sich da manchmal mehr Unterstützung gewünscht?
Man kann sich keine Lehrerinnen und Lehrer backen, das ist das Problem. Aber wir sind immer sehr offen und haben auch einige Studenten bei uns, die als Aushilfskräfte in der Sprachförderung arbeiten. Diese Unterstützung können wir sehr gut und dringend gebrauchen.
Wird das auch künftig Herausforderung bleiben? Die durch Zuwanderung bedingten verschiedenen Herkünfte zusammenzubringen und allen gleiche Chancen auf Bildung zu ermöglichen?
Eigentlich schon. Man muss mit dieser Vielfalt leben und das ist auch gut so, denn das ist ja nicht nur schlecht. Wir haben auch Kinder, die mit wenig sprachlichen Vorerfahrungen kommen, aber wo man schnell merkt, was sie für Potenziale haben. Es sind auch Kinder, wo man absehen kann, dass sie gute schulische Abschlüsse schaffen können. Deswegen ist es so wichtig, dass man sie sprachlich fördert. Ich habe keine Glaskugel, aber meine persönliche Einschätzung ist, dass diese Aufgabe bleiben wird.
Glauben Sie, die Grundschule im Kley mit dem Teilstandort Reh ist gut aufgestellt für diese Aufgaben ?
Absolut, allein schon wegen des hochmotivierten Teams. Natürlich würde man sich immer mehr Personal wünschen. Aber ich bin auch immer wieder erstaunt und stolz, mit welcher Motivation das Kollegium arbeitet – trotz oft deprimierender Situationen. Wenn die Krankheitswellen zuschlagen, dann ist es manchmal kaum zu schaffen. Aber: es läuft immer. Und das war immer das Besondere an unserer Schule: Stimmung und Zusammenarbeit sind hervorragend.
Als sie damals an die Schule kamen waren sie 29 Jahre alt und die jüngste Lehrerin im Kollegium. Heute verlassen sie die Schule als die Älteste im Team...
...Genau, mit 55 Jahren… (lacht)
Würden Sie in der heutigen Zeit gerne als Referendarin noch mal neu starten?
Ja, sofort.
Die aktuellen Herausforderungen scheuen sie nicht?
Nein. Die Arbeit mit Kindern ist und war immer mein Traumjob. Kinder sind Kinder und das arbeiten mit ihnen macht immer Spaß. Natürlich haben wir veränderte Rahmenbedingungen, aber wo ist das nicht so?
Wer kommt nach Ihnen?
Es gibt noch nichts Offizielles zu vermelden, aber bei der Frage der Besetzung profitieren wir von unserem guten Ruf. Es gibt Interesse, sodass diese Stelle schnell und zügig nachbesetzt wird.
Wer übernimmt bis dahin die kommissarische Leitung?
Melanie Zorn. Sie ist seit fast 7 Jahren Konrektorin, kennt die Schule und wir haben zusammen im Vorfeld darauf hingewirkt, dass sie gut eingearbeitet ist.