Hagen. In Hagen ist das „Vorschul-Mitmachbuch“ entstanden. Kinde rund Eltern bewerten darin, ob die geforderten Fähigkeiten der Vierjährigen vorliegen.

Starke Ideen entstehen oft aus Mangel. Aus Defiziten. Weil schlichtweg etwas fehlt. Dann werden Menschen erfinderisch, schließen sich zusammen, schlagen Brücken. In gewisser Weise ist das „Vorschul-Mitmachbuch“, das weitaus unspektakulärer klingt als es ist, eine solche Brücke. Eine einmalige Brücke. Denn zum ersten Mal ist in ein Heft und auf eine Homepage gegossen worden, was Schulanfänger in dieser Stadt wirklich können sollten, bevor es in die Schule geht. Jene Kinder, bei denen die Pandemie eine große Lücke geschlagen hat. (Lesen Sie auch: ein besonderer Tipp: Naturschauspiel morgens um 5 Uhr im Fleyer Wald)

Der Gründungsteam des Vereins „Lernen, Bildung, Zukunft“:  (von links) Friederike Knoblauch, Kathy Sommer-Bergenthal, Martina Rißmann und Roland Eyerund-Kopetzki.
Der Gründungsteam des Vereins „Lernen, Bildung, Zukunft“: (von links) Friederike Knoblauch, Kathy Sommer-Bergenthal, Martina Rißmann und Roland Eyerund-Kopetzki. © Mike Fiebig

„Wir haben in der Pandemie zwei Jahrgänge vor Schulbeginn eigentlich komplett nicht gesehen“, sagt Martina Rißmann, die im wahren Leben keine Bücher erfindet, sondern die Grundschule Volmetal leitet. Elternabende bilden für gewöhnlich den Erstkontakt mit Vierjährigen. Lokale Grundschulen bilden in Hagen mit den sie umgebenden Kitas jeweils Gespanne, in denen Erzieher und Erzieherinnen sowie Lehrer und Lehrerinnen den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule organisieren: pädagogisch, lerninhaltlich und mit Blick auf die sozialen Kompetenzen der Kinder. (Auch interessant: 200 Vierjährige in Hagen sprechen kein Deutsch – Keine verpflichtende Sprachförderung für diese Kinder)

DThemenschwerpunkt „Haushalt“.
DThemenschwerpunkt „Haushalt“. © Verein Lernen, Bildung, Zukunft

Als diese Elternabende für die Eltern der vierjährigen Kinder pandemiebedingt ausblieben, ging die Schere auf. Erzieher und Lehrer sahen die Kinder nicht mehr, die persönliche Arbeit versiegte. „Den Kindern dieser Zeit fehlte der Kontakt und damit auch die Lerninhalte“, sagt Friederike Knoblauch, Leiterin der Grundschule Goldberg. Ein Netzwerk, das sie auffing, gab es in dieser Form nicht. Zwar gibt es in Hagen nachhaltige und dauerhafte Bildungsnetzwerke wie „Kischu“ – Kitas und Schulen – oder „Schulen im Team“, nichts Institutionalisiertes aber, dass Kindern den Übergang von Kita zur Grundschule und von der Grundschule zur weiterführenden Schule ebnet.

Der Themenschwerpunkt „Gemeinsame Zeit“
Der Themenschwerpunkt „Gemeinsame Zeit“ © Verein Lernen, Bildung, Zukunft

Und weil es in dieser Stadt – von der breiten Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt – wirkliche gelebte Zusammenarbeit zwischen Kita, deren Trägern, Schulen und dem Schulamt gibt, hielt das sonst eher starre bildungsbehördliche System es aus, dass sich der Verein „Lernen, Bildung, Zukunft“ gründete – und zwar entlang eines ziemlich konkreten Projekts – das Vorschul-Mitmachbuch „Das kann ich schon.“

Der Themenschwerpunkt „Sprechen und Hören“
Der Themenschwerpunkt „Sprechen und Hören“ © Verein Lernen, Bildung, Zukunft

Spielerisch und vor allem selbst sollen Vierjährige bis zum Schulstart darin erkennen und bewerten können, was sie schon können und was nicht. Und zum Erstaunen vieler, die die Fähigkeiten von Kindern möglicherweise an komplexen kognitiven Dingen wie Lesen, Schreiben Singen oder Musizieren festmachen mögen, geht es um erstaunlich simple soziale und Alltagskompetenzen wie alleine An- und Ausziehen, die Kitatasche selber packen, geregelte Schlafzeiten einhalten, den Tisch decken, Aufgaben im Haushalt übernehmen, Zuhören, Streiten, im Spiel verlieren können oder Roller fahren.

Der Themenschwerpunkt „Waschen und Anziehen“
Der Themenschwerpunkt „Waschen und Anziehen“ © Verein Lernen, Bildung, Zukunft

„Wir wissen, wie simpel das klingt. Aber es ist ein ganzes Bündel an Fähigkeiten, an denen man arbeiten muss und worauf Kinder und Eltern selbst achten können“, sagt Martina Rißmann. In dem Buch haben die Kinder die Möglichkeit, per Sticker zu entscheiden, wie gut die jeweilige Fähigkeit schon ausgeprägt ist. Jeder Sticker ist ein Erfolg. 2500 Stück ist die Auflage zunächst hoch.

Durch und durch Hagener Projekt

Alle Kompetenzen, die von Pädagogen und Kindergartenkräften erarbeitet wurden, sind grafisch und schriftlich erklärt. Zu den übergeordneten Themenfeldern wie „Haushalt“ oder „Sprechen und Hören“ hat die Hagener Schriftstellerin Dr. Birgit Ebbert einfache und verständliche Erklärtexte entworfen. Die Grafiken stammen von Thomas Gebehenne, Inhaber der Agentur Ideenpool. Das Buch ist durch und durch ein grenzüberschreitendes Hagener Projekt.

Verlängert wird es digital auf der Plattform www.das-vorschul-mitmachbuch.de. Die Homepage wächst aktuell und wird zudem in die wichtigsten in Hagen vorkommenden Sprachen übersetzt. Für die Hagener Pädagogen, Sozialarbeiter und Kitakräfte geht damit ein erstes Projekt allmählich dem Ende entgegen. Auf Förderungen vom Bildungsministerium lässt sich hoffen. Auf Wertschätzung in der Stadtgesellschaft sicherlich.