Hagen. 197 Kinder sprechen kein oder zu schlechtes Deutsch für die Grundschule. Politik wünscht sich verpflichtende Förderung – das ist nicht so leicht.

Keine Kita. Kein Deutsch: Fast 200 Kinder ab vier Jahren fallen in Hagen durch das Raster. Und es gibt kaum eine Handhabe, um das zu ändern – es sei denn, die Familien wollen es selbst.

Zwei Jahre vor der Einschulung stellt das Schulamt grundsätzlich fest, ob die Sprachentwicklung der Kinder altersgemäß ist und sie überhaupt die deutsche Sprache hinreichend beherrschen. Bei diesen 197 Kindern ist das nicht der Fall. Sie werden dann Kitas oder Familienzentren mit Sprachförderschwerpunkt zugeordnet. Allerdings gibt es keine Kita-Pflicht. Verpflichtend ist nur die Teilnahme an einem vorschulischen Sprachförderkurs.

Die Politik – es handelte sich um einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen CDU, Grüne, Hagen Aktiv und FDP – hatte die Verwaltung daher beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, welches für genau diese Kinder eine verpflichtende und vor allem ausreichend zeitlich dimensionierte Sprachförderung (bis zu 20 Stunden pro Woche) vorsieht, um das Problem an der Wurzel zu packen. Notfalls auch mit Sanktionen.

Dafür allerdings „gibt es keine rechtliche Grundlage. Wir als Stadt können keine Verpflichtung zu einer solchen Sprachförderung aussprechen. Das geht allein auf freiwilliger Basis“, erklärt Jugendamtsleiter Reinhard Goldbach das Problem.

Kosten zu hoch – und keine rechtliche Grundlage

Abgesehen davon, heißt es von der Verwaltung, gibt es ein Förderprojekt, das derzeit in Hagen läuft: Bis zu 25 Kinder können für die Dauer eines Jahres bis zum Schuleintritt wöchentlich mit zusätzlich 5,5 Stunden gefördert werden (Kita Boeler Straße und Eugen-Richter-Straße). Das Projekt läuft noch bis Sommer 2023. Goldbach räumt allerdings ein, dass es eher schlechter als besser läuft: „Nur gut ein Drittel der Kinder, die bei der Sprachstanderhebung rausgefiltert wurden, nehmen diese Angebote überhaupt wahr – sie nehmen auch nicht an der verpflichtenden zweistündigen Sprachförderung teil, die als Schulvorbereitung vorgesehen ist“, schildert Goldbach die Beobachtungen im Alltag. „Man muss schon echte Überzeugungsarbeit leisten.“ Die Familien seien schlecht oder gar nicht erreichbar. Hinzu kämen häufige Um- oder Wegzüge.

In Förderkursen lernen die Kinder die Sprache besser kennen.
In Förderkursen lernen die Kinder die Sprache besser kennen. © WP | Michael Kleinrensing

Bei den Kindern hingegen, die das Angebot wahrnehmen würden, beobachte man tolle Fortschritte. Wollte man den Förderumfang so erhöhen, dass alle Kinder gefördert werden können, müsste zusätzliches Personal eingestellt werden. Eine Fachkraft könne, so die Stadt, zum Beispiel zwei Stunden täglich jeweils fünf Kinder (also 15 insgesamt) sprachlich fördern – die Kinder kämen somit auf bis zu 13 Sprachförderstunden pro Woche. Den Finanzierungsaufwand für eine Vollzeit-Fachkraft beziffert die Stadt auf 50.000 Euro. Für 197 Kinder müssten 13 Vollzeitstellen geschaffen werden – das würde jährlich 650.000 Euro verschlingen, ohne überhaupt sagen zu können, ob alle Kinder das Angebot wahrnehmen.

Zusätzliches Angebot an Grundschulen

Sinnvoller wäre es – aus Sicht der Verwaltung – die Eltern zu überzeugen, ihre Kinder in einer Kita anzumelden. „Dafür ist echte Überzeugungsarbeit nötig“, so Goldbach. Mit zusätzlichen Anstrengungen dieser Art ließen sich sicher auch weitere Eltern überzeugen – dafür fehlt allerdings das Personal. Und, heißt es in einer Verwaltungsvorlage: „Gleichzeitig stehen für eine solche freiwillige Maßnahme keine Mittel im Haushalt zur Verfügung.“

Allerdings, so Goldbach, würde die Verwaltung an einem Angebot arbeiten, das zumindest etwas Abhilfe schafft: „Wir könnten an vier Familiengrundschulzentren sowie einer Grundschule ein zusätzliches Förderangebot von 8 bis 10 Stunden auf die Beine stellen“, so Goldbach. Dann müsse man evaluieren, ob und wie das angenommen wird – und es dann möglicherweise ausweiten. Die Politik will sich über den Vorschlag nun beraten und die Entscheidung wurde zunächst vertagt.