Fleyerviertel. „Ja“, sagt Adolf Winkelmann, „ich bin immer noch da.“ Wie schön. Eine Erinnerung an den außergewöhnlichsten Obst-und Gemüseladen Hagens.
Vor acht Jahren besuchte die WP-Stadtredaktion Adolf Winkelmann in seinem scheinbar aus der Zeit gefallenen Laden an der Ecke Aschenbergstraße/Karl-Halle-Straße. Da war Winkelmann schon 68 Jahre alt und jahrzehntelange Stammkunden fürchteten, dass der Kult-Händler, der jede Nacht um 1.30 Uhr auf den Großmarkt nach Dortmund fährt, sich zurückziehen könnte. „Nein, ich war neulich bei der Ärztin und die hat gesagt, dass alles in Ordnung ist. Ich mache weiter. Ich habe vernünftige und gute Kunden und immer noch Spaß an der Tätigkeit.“ Wir erinnern an Adolf Winkelmann mit unserem Stück von damals.
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Er wird das nicht gerne hören. Aber wo Aschenberg- und Karl-Halle-Straße sich treffen, da betreibt eine Hagener Kaufmannslegende ihr Geschäft. Ein Menschenfreund. Einer, der seinen Kunden mehr verkauft, als bloß Heidelbeeren und Mangos. In einem Laden, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint und gerade deshalb für die Menschen, die hineingehen, etwas ganz Besonderes ist. Sollte Dolf Winkelmann eines Tages entscheiden, für immer abzuschließen, wird Hagen um ein Unikat ärmer sein.
Dolf nennen sie ihn. Manche sagen sogar Dolfi. Das ist die Kurzform von Adolf. Dolf Winkelmann ist 68 Jahre alt und einer jener Menschen, die durch ihre Augen lächelnd wirken, auch wenn ihr Gesicht sich tatsächlich nicht regt. Sein Kittel ist Kult. Genauso wie die kleine Mauer vor seinem Laden, von der sich die Menschen aus dem Fleyerviertel einen Sack Kartoffeln wegnehmen und das Geld darauf legen. Oder einen Zettel: „Dolf, ich komme später zum Bezahlen.“
Frau Klostermann huscht dazwischen
Er ist kein Hüne, weswegen er in seinem bunten Laden voller Werbung für pralle Südseefrüchte, glänzende Äpfel und den Strände, wo viele dieser Dinge herkommen, etwas unterzugehen scheint. „Moment, bevor Sie Fragen stellen, erst Frau Klostermann“, sagt Winkelmann, und huscht hinter die Theke und in seine Rolle.
Wenn Winkelmann von seiner Mutter erzählt, die 1936 auf der anderen Seite des heutigen Autobahn-Zubringers, in der Yorckstraße, einen Obst- und Gemüseladen eröffnet hat, dann ist man schnell versucht zu glauben, dass der Apfel – um im Bild zu bleiben – nicht weit vom Stamm gefallen ist. Denn so wie Winkelmann seinen Laden präsentiert und führt, würde sicher auch seine verstorbene Mutter noch mitwirken können.
Kein leuchtender Schnick-Schnack, keine LED-Anzeigen. Dafür die beschriebenen Werbeplakate aus den 80er- und 90er-Jahren („Entdecken Sie das Besondere aus Florida“, „Annabelle, die Königin der Salatkartoffel“ oder „Traumurlaub in Neuseeland“) und jede Menge Obst und Gemüse.
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Und eben Winkelmann, der den Kunden die Tür beim Verlassen des Ladens öffnet und, wenn nötig, die Einkäufe zum Auto trägt. „Hier ist alles sehr vertraut. Die Kunden mögen den Plausch mit mir, und mir ist das auch sehr wichtig“, sagt er, der sich kräftig dagegen gewehrt hat, sich fotografieren zu lassen. „Mich will doch keiner sehen.“Falsch, Herr Winkelmann. Die dauernd auf- und zugehende Tür des Ladens spricht eine andere Sprache. Sie sind Kult im Viertel.
„Ich lege mehr Geld an“
Wenn ein Großteil der Stadt schläft, hat Dolf Winkelmann schon zehn Tassen Kaffee getrunken. Dann ist er auf dem Großmarkt in Dortmund und kauft frische Ware. Jede Nacht. Erst ein Käse-Schinken-Croissant an der Tankstelle am Landgericht, dann geht’s los. Die Früchte in seinen Auslagen unterscheiden sich zu denen der Discounter später so wie die Bundesliga zur Champions League. „Ich lege schon mehr an“, sagt er, „aber die Kunden möchten das auch.“
Richtig, denn die Zeiten haben sich nicht geändert, sie ändern sich gerade. Vegan zu leben ist „in“. Junge Mütter wollen für ihre Kinder frisch kochen. Und zwar mit Zutaten, von denen Dolf Winkelmann ihnen genau erklärt hat, wo sie herkommen, wie sie hier her kommen und was sie von der günstigeren Variante unterscheidet. Kurzum: In der Ernährungswelt vieler Kunden ist nicht billig Trumpf, sondern Qualität. Und die darf ihren Preis haben.
Eine ältere Dame betritt den nostalgischen Laden. Sie kauft abgezählte Waren. Eine Hand voll Nüsse, zwei Möhren, einen Apfel, zwei Bananen. Das wirkt heimelig, aber auch irgendwie traurig, weil die Anzahl der Waren zu verraten scheint, dass sie allein ist.
Die Dame mit den abgezählten Teilen wird mit einem Lächeln wieder rausgehen. Weil Dolf Winkelmann einen Gemüsehändler-Scherz macht („Wir sind doch noch genau so knackig und saftig wie die Äpfel“) und zum anderen, weil er den Stand der Dinge im Leben der Kundin kennt und erfragt. Das ist es, was man mit ein paar Euros fürs Gemüse nicht kaufen kann. Nähe.Von halb zwei nachts bis 18 Uhr abends geht der Arbeitstag von Dolf Winkelmann. Seit seinem 16. Lebensjahr. Nur ein paar Tage war die gute Seele des Fleyerviertels mal verhindert. „1999, Leistenbruch, mehr nicht.“ Er müsste nicht mehr arbeiten, sagt der Oldtimer-Liebhaber. Alte Fotos auf einer Seite des Ladens zeugen von seiner Liebe für alte Schlitten. „Das Ende ist offen“, sagt er, „ich mache das, solange meine Füße mich tragen.“
Er muss los. Über Mittag fährt er Bestellungen aus. Wenn jetzt jemand einen Blumenkohl oder Kartoffeln braucht, nimmt er sie sich draußen von der Mauer. Und legt das Geld hin. Und wer nicht so ehrlich ist, der möge bedenken, wen er da um wenige Euros prellt.Dolf Winkelmann.Ein Händler alter Schule