Hagen. Eine Mutter wird in Hagen von ihrem Kind durch eine schließende Bustür getrennt. Wie das Gericht über den ungewöhnlichen Fall entscheidet.
Die Türen zu früh geschlossen, obwohl noch nicht alle Fahrgäste ausgestiegen sind? Ganz schnell kann ein Linienbusfahrer dafür auf der Anklagebank landen. Das beweist dieser Strafprozess in Hagen (Aktenzeichen 94 Ds 206/22). Hintergrund ist die Aufregung um eine Mutter und ihre Kinder, die durch eine schließende Bustür getrennt werden. Am Ende wird das Verfahren gegen den Fahrer eingestellt.
15. März vergangenen Jahres, in einem Bus der Hagener Straßenbahn AG. Das Fahrzeug ist auf der Schnellbus-Linie SB 72, von der Stadtmitte aus kommend, in Richtung Bahnhof Hohenlimburg unterwegs. Gegen 13 Uhr sind Linienbusse, vor allem mit Schülern, rappelvoll. So auch an diesem Tag.
Sechsjähriger kommt aus dem Bus, Mutter nicht
Eine Mutter (38) steht mit ihren beiden Söhnen, der Kleine ist sechs, der Größere zehn Jahre alt, in Höhe der zweiten Bus-Tür mitten im Gedränge. An der Haltestelle Totenhofweg will sie mit ihren Kindern aussteigen.
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Als sich die Bustür öffnet, gelingt es dem Sechsjährigen noch, zügig aus dem Bus zu kommen. Die Mutter mit dem großen Sohn kann sich jedoch nicht so leicht an den Schülern, die dort dicht an dicht stehen, vorbeizwängen. Schon schließt sich die Schnellbus-Tür wieder: Mutter mit älterem Sohn noch drinnen, ihr Kleiner bereits draußen. Ein Drama. Der Sechsjährige läuft aufgeregt am Fahrzeug entlang bis nach vorn zum Fahrer, klopft von außen gegen die Scheibe, um auf die missliche Situation aufmerksam zu machen.
Mutter macht sich in Bus bemerkbar
Auch die Mutter, geradezu in Panik, macht sich im Bus lautstark bemerkbar. Der Mann hinterm Steuer will in seiner abgetrennten Kabine von alledem nichts mitbekommen haben. „Ich war schon langsam angefahren“, entschuldigt sich der Angeklagte, ein erfahrener Linienbusfahrer um Mitte Fünfzig, „da schlägt ein kleiner Junge mit seiner Hand von außen vor die Tür. Ich dachte: der ist zu spät gekommen und will jetzt noch mit. Ging aber nicht mehr. Deshalb habe ich auch nicht mehr angehalten.“
An der Haltestelle Totenhofweg gibt es keine Bushaltebucht, sie liegt direkt an der Straße. Völlig hilflos irrt das zurückgelassene Kind kreuz und quer auf der Fahrbahn umher. Die Mutter, in Angst um das Leben ihres Sechsjährigen, schreit und droht damit, die Polizei zu rufen. Unter den Fahrgästen, die den Vorfall mitbekommen haben, bricht Empörung und Unruhe aus. Ein Mann stürmt nach vorn und fordert den Fahrer auf, sofort anzuhalten.
Bus stoppt ein zweites Mal
Nach „50 bis 70 Metern“, so die Einschätzung des Angeklagten, hätte er den Linienbus dann gestoppt: „Zwei Personen sind sofort ausgestiegen und schnell in Richtung Haltestelle zurückgelaufen.“ Der Fahrer beteuert: „Von dem ganzen Vorfall hatte ich überhaupt nichts mitgekriegt und gar keinem Zusammenhang hergestellt zwischen dem Kind da draußen und der Frau im Bus.“
Das sieht die betroffene Mutter als Zeugin jedoch ganz anders: „Er sollte doch einfach nur die Tür aufmachen. Ich war fix und fertig. Das Leben meines Sohnes wurde gefährdet, ohne Grund.“Die Staatsanwaltschaft hatte eine Nötigung angeklagt: „Weil der Angeschuldigte die Tür vorzeitig schloss und die Mutter mit ihrem zehnjährigen Sohn gehindert wurde, ebenfalls auszusteigen“, brachte es Oberamtsanwältin Bettina Schöfer zu Papier.
Verfahren ohne Auflagen eingestellt
Verteidiger Wolfgang Nordmann (Boelerheide) gelang es jedoch nach langem Zureden, sowohl den Staatsanwalt als auch den Amtsrichter davon zu überzeugen, dass den Busfahrer wirklich keine Schuld trifft: „Eine Nötigung setzt doch voraus, jemandem schaden zu wollen. Was sollte mein Mandant daran für ein Interesse gehabt haben? Er kannte die Beteiligten gar nicht, hat durch diese Sache jetzt selbst unnötige Probleme.“ Das Verfahren wurde daraufhin ohne Auflagen eingestellt. Der Busfahrer bleibt weiterhin unbescholten. Und der Sechsjährige, der bereits als Zeuge vor dem Gerichtssaal wartete, brauchte auch nicht mehr vernommen zu werden.