Hohenlimburg. Erst die Lieferengpässe und immer noch das große Bürokratie-Monster. Die Apotheke von Jörg Pesch hat nun hohen politischen Besuch erhalten

Der ganz normale Apotheken-Besucher merkt von alledem nichts. Gemeint ist das, was sich hinter den Kulissen von Apotheker-Schränken und Medikamentenregalen abspielt. Ein bürokratischer Wahnsinn, zu dem sich zuletzt noch die großen Lieferengpässe bei Arzneien gesellten, die nahezu jeder zur Haus-Apotheke zählt. Paracetamol, Ibuprofen, Fiebersäfte für Kinder. Zwar entspanne sich die Lage aktuell wieder, berichtet der Hohenlimburger Apotheker Jörg Pesch. Das meint aber nur die Lieferengpässe, nicht die Bürokratie.

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Es war kein Abgeordneten-Besuch, wie es ihn oft in diesem Land geben wird, wenn eher fachfremde Repräsentanten auf lokale Fachleute treffen. Janosch Dahmen ist Arzt. Er war unter anderem Unfallchirurg und Notfallmediziner am Berufsgenossenschaftlichen Klinikum Duisburg und ärztlicher Leiter des Luftrettungszentrums Christoph 9. Bis 2020 war er Oberarzt für die ärztliche Leitung des Rettungsdienstes Berlin bei der Berliner Feuerwehr. Kurzum: Der Mann kennt das deutsche Medizin- und sein Abrechnungswesen. „Das hat man auch gespürt“, sagt Jörg Pesch. Sowohl der Apotheker in zweiter Generation als auch sein Team der Alten Apotheke an der Freiheitstraße fühlten sich ernst genommen, als Dahmen sie nun besuchte.

Eine Stunde für ein Medikament

Ernster geht es auch eigentlich nicht. Die Apotheken drückt die Bürokratie gewaltig. Ein Beispiel aus Jörg Peschs Apotheke. Für jedes Fläschchen Fiebersaft und jede Salbe, die in der Apotheke selbst hergestellt werden, benötige eine Fachkraft 15 Minuten für die Herstellung und 45 Minuten für die Dokumentation. Ein Mitarbeiter sei für ein Medikament also eine Stunde gebunden.

Bundestagsabgeordenter Janosch Dahmen (Grüne) besucht Apotheker Jörg Pesch in Hohenlimburg.  
Bundestagsabgeordenter Janosch Dahmen (Grüne) besucht Apotheker Jörg Pesch in Hohenlimburg.   © Apothekerverband

Anderes Problem: Regresse, die allein wegen bürokratischer Formfehlern zustande kommen, obwohl der Patient genau das vom Arzt verordnete und vorgesehene Arzneimittel erhalten habe. „Oft kann es reichen, dass auf einem Rezept des Arztes die Dosieranweisung oder das dazugehörige Kürzel fehlt“, sagt Jörg Pesch. Das bade am Ende nicht der Arzt, sondern der Apotheker aus. Die Krankenkassen nämlich überweisen dann nicht die Kosten für das Medikament an die Apotheken. Bei Tausenden Rezepten jährlich ein gewaltiger Kontrollaufwand für die Angestellten. Dazu nimmt sich Jörg Pesch noch einmal jedes Rezept mit einem Gegenwert ab 500 Euro vor, um größeren Schaden abzuwenden.

Apothekenvergütung zu niedrig

Ohnehin sei die Apothekenvergütung seit zehn Jahren nicht mehr an die Inflation angepasst worden. Gemeint ist das Fixhonorar, das Apotheker pro weitergereichtem Arzneimittel erhalten. Aktuell liegt es bei 8,35 Euro. Der Deutsche Apothekertag fordert längst 10 Euro. Zwar habe der Bundesgesundheitsminister einen Aufschlag von 50 Cent pro Arzneimittelpackung in Aussicht gestellt, die von einem Lieferengpass betroffen sei und daher eine Rücksprache mit dem Arzt erfordere, aber die deckten nicht einmal im Ansatz die Kosten für den Aufwand der in den Apotheken und im Übrigen auch in den Arztpraxen entstehe, so Pesch.

Janosch Dahmen fordert, den Apotheken mehr Freiheiten zu geben, im Falle von Lieferengpässen auf Alternativen auszuweichen. So müsse unter anderem sichergestellt werden, dass die Apotheken ohne neue Verordnung vom Arzt Rezepturen herstellen könnten und auch bezahlt bekämen.

Dahmen erklärte zudem, der Bund habe sich im Finanzstabilisierungsgesetz im vergangenen Jahr zunächst entschieden, die Lasten auf viele Schultern zu verteilen und alle Leistungserbringer von der Ärzteschaft über die Apotheken und Krankenhäuser bis hin zur Pharmaindustrie gleichermaßen in Verantwortung zu nehmen. Er kündigte für dieses Jahr auch eine Reform der Notfallversorgung an, bei der geprüft werden solle, wie der Apothekennotdienst und die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung im Notfall verbessert werden könne. Dahmen sagte zu, hier auch prüfen zu wollen, wie eine Wettbewerbsverzerrung beim Versandhandel in der Sicherstellung der Apothekennotdienste etwa durch eine Reform der Vergütung vermieden werden könne.