Hagen. Kirsten Deggim spricht über die Probleme im Hagener Einzelhandel, Social Media, Dreck vor den Läden und die Vorbildfunktion der Händler.
„Vor meiner Ladentür ist mein erweitertes Schaufenster. Und das sollte ich natürlich ansprechend und sauber präsentieren“, sagt Kirsten Deggim und versteht daher auch kaum, dass manche Einzelhändler diese Chance, eine „gute Visitenkarte abzugeben“, einfach verschenken.
Nachfolgerin von Stephanie Erben
Die Handelsexpertin bei der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) ist die Nachfolgerin von Stephanie Erben, die einige Jahre diese Position besetzte. Wenn Kirsten Deggim die Hagener Einzelhandelslandschaft analysiert, weiß sie, dass die Händler hier kein einfaches Terrain beackern.
Der Migrationsanteil in der Stadt ist hoch, ebenso der Altersdurchschnitt der Hagener Bevölkerung, die Kaufkraft hingegen eher gering. „Das erfordert auch ein Umdenken bei den Einzelhändlern. Wir brauchen heute keine Elberfelder Straße mehr wie vor 40 Jahren, heute müssen wir eher ein lebenswertes Miteinander gestalten. Jeder muss sich veränderten Gegebenheiten anpassen.“
Was die 49-Jährige damit meint? „Früher hatten wir in der Innenstadt Frequenz durch den Handel, heute müssen wir zusehen, dass wir Frequenz für den Handel in die City bringen.“
Die beste Möglichkeit, die Attraktivität der Innenstadt zu steigern, sei eine Anhebung der Aufenthaltsqualität. Die Innenstadt solle (nach dem Zuhause und dem Arbeitsplatz) den dritten Ort bilden, an dem man sich (gern) aufhält. „Die gastronomischen Angebote sollten in Hagen aufgestockt werden“, empfiehlt die Handelsexpertin, die in Herdecke lebt und als Branchenkoordinatorin der SIHK nicht nur für den Bereich Handel und Dienstleistung, sondern auch für Gastronomie zuständig ist. Cafés mit Außenbereich würden als Begegnungstreff immer beliebter, „wir brauchen mutige Gastronomen, die auch mal etwas Neues wagen“, sagt Kirsten Deggim und fügt an: „In der momentanen Zeit zieh’ ich allerdings vor jedem, der sich selbstständig macht, den Hut.“
Den hohen Leerstand an Ladenlokalen in der Innenstadt sieht die 49-Jährige auch im Verhalten einiger Immobilienbesitzer begründet: „In der Regel gilt: Je weiter ein Eigentümer entfernt sitzt, desto weniger interessiert er sich für sein Objekt. Das gilt im Falle eines Leerstandes und auch in puncto Sauberkeit.“
Apropos Sauberkeit – ein großes Problem in der Hagener Innenstadt. „Natürlich muss man sich auf die städtischen Reinigungsdienste verlassen können, doch als Händler sollte ich auch persönlich vorleben, wie ich es in und vor meinem Geschäft haben möchte“, betont Kirsten Deggim. Es fände sich immer ein Schuldiger, der für Dreck oder ein unschönes Umfeld verantwortlich sei, aber das Klagen brächte niemanden weiter, „jeder sollte sich auch selbst kümmern“.
Zahlreiche Filialbetriebe
Themenwechsel: Die Hagener Innenstadt setzt sich zu großen Teilen aus Filialbetrieben zusammen. „Häufig identifizieren sich Filialbetreiber nicht so mit ihrem Geschäft wie ein heimischer Einzelhändler, der vielleicht seit Jahrzehnten hier seinen Laden betreibt“, sagt Kirsten Deggim. Doch hätten Filialisten den Vorteil, „finanzielle Kraft“ durch die Zentrale im Rücken zu haben. Und für Filialisten lohne es sich, einen Online-Shop einzurichten.
Erwartungen der Online-Shop-Kunden sind extrem hoch
Und für kleinere, privat betriebene Geschäfte? „Der Aufwand, einen Online-Shop einzurichten und zu betreiben, ist immens. Es kann nicht die Lösung für jeden Händler sein, auch, da die Erwartungen der Online-Shop-Kunden extrem hoch sind.“ Damit spielt die Handelsexpertin darauf an, dass solch ein Shop ständig aktualisiert werden und die Ware schnell beim Kunden sein muss, „das logistisch hinzubekommen, ist für einen kleinen Einzelhändler schwierig“.
Dem Kunden den Mund wässrig zu machen, darum ginge es im Grunde doch, „und da bietet die digitale Welt viele Möglichkeiten“, unterstreicht Kirsten Deggim.
In den Niederlanden Marketing studiert
Kirsten Deggim ist seit 1. September als Handelsexpertin bei der SIHK beschäftigt. Die 49-Jährige lebt in Herdecke, zwischendurch wohnte sie in den Niederlanden, wo sie Marketing studierte und anschließend in einer Bank arbeitete.
2016 ist sie nach Deutschland zurückgekehrt und hat sich in Herdecke als Marketingberaterin selbstständig gemacht.
Bei der SIHK ist sie als Koordinatorin für die Branchen Handel, Dienstleistung und Gastronomie zuständig.
Die Termine für die Handelssprechtage, die Kirsten Deggim einmal pro Monat anbietet, finden Interessierte auf der Homepage der SIHK.
Eine direkte Kommunikation sei dank Social Media für jeden möglich, „mit Facebook, Instagram, Newslettern und/oder einer eigenen Homepage sollte jeder Ladenbetreiber arbeiten, es wäre schade und unwirtschaftlich, diese Potenziale zu verschenken. Und es gibt Dienstleister, die bei diesen Themen unterstützen und helfen können.“
Kirsten Deggim bietet Einzelhändlern Erstberatungen an, „und ich zeige Wege auf, die für einen Händler und seine Zielgruppe sinnvoll erscheinen“.
Aufgrund des Neutralitätsgebotes, das sie als SIHK-Mitarbeiterin einhalten müsse, dürfe sie keinen Dienstleister empfehlen, aber könne Ratschläge geben. Außerdem würden von der SIHK auch Workshops zum Thema Existenzgründung angeboten, und ein Workshop zum Thema Online-Auftritt sei in Planung.
Einmal pro Monat lädt Kirsten Deggim zum Handelssprechtag ein, dann bietet sie zum Beispiel auch einen kostenlosen Webseiten-Check an. „Und vor kurzem haben wir einen Branchentreff Gastronomie zum Thema Mehrwegangebotspflicht organisiert“, sagt Kirstin Deggim.