Hagen. Scharfe Kritik formuliert die SPD-Fraktion an den Haushaltsplänen des Hagener Kämmerers. Aber auch von OB Schulz sind die Genossen enttäuscht.
Kämmerer Christoph Gerbersmann hatte es vor allem als Weckruf verstanden, als er zuletzt seine Haushaltsrede mit einem als Shakespeare-Zitat verpacktes, kategorisches „Nein“ einleitete: „Die Luft ist nicht nur dünner – sie ist raus! Wir müssen leider wieder lernen, „Nein“ zu sagen“, schrieb er der Politik gleich ins Stammbuch. Seine Mahnung: Allen kreativen Abweichungen zu seinem auf Kante genähten Zahlenwerk müsse gleich ein Gegenfinanzierungs- oder Sparvorschlag mitgeliefert werden. Für die SPD als größte Oppositionsfraktion im Rat natürlich eine Frontal-Provokation: „Bloß ,Nein!’ zu sagen, ist ein äußerst schwieriges Signal, wenn man eine Stadt entwickeln will“, erwartet Fraktionschef Claus Rudel vom Finanzdezernenten durchaus mehr Kreativität als die reine Mangelverwaltung.
Fehlende Zukunftssignale
Es reiche nicht aus, so der Frontmann der Genossen im Hagener Rat, Geld lediglich für die größten Lücken bei der Infrastruktur bereitzustellen, blickt er auf die maroden Brücken und den Schulbedarf: „Irgendwann muss man mal damit anfangen, mit Visionen und positiven Signalen nach vorne zu gehen.“ Selbst die 22 Millionen Euro für das Freizeitrevier am Hengsteysee seien eine Luftbuchung, weil hier ausschließlich auf Fördermittel aus Düsseldorf spekuliert werde.
„Wo ist eigentlich die inhaltliche Perspektive für Hagen, die beispielsweise auch mal der Oberbürgermeister prägt?“, sieht SPD-Fraktionsvize Werner König hier den Verwaltungschef in der Pflicht: „Wo ist der Aufbruch, wo sind die Leitplanken der Stadtentwicklung? Pläne werden immer bloß zum Abheften entwickelt.“
Zweifel an Dezernatsaufteilung
Die SPD möchte in Zusammenarbeit mit den übrigen Ratsfraktionen und Oberbürgermeister Erik O. Schulz die Anzahl der Dezernate und die Zuständigkeiten der Beigeordneten auf den Prüfstand stellen. Anlass ist das Ende April bevorstehende Ausscheiden von Margarita Kaufmann aus der Riege – die Stelle ist bereits ausgeschrieben.In den Augen der Genossen wäre es geboten, die ohnehin komplexe Belastung durch die Zuständigkeiten für Soziales und Schule künftig nicht weiter mit dem Kulturressort zu überfrachten. „In einer sich immer schneller drehenden Welt stelle sich die Frage, so SPD-Fraktionschef Claus Rudel, ob das alles an der Spitze noch fachlich fundiert zu leisten sei. Zumal auch die Fachbereichsleiter Rainer Goldbach (Soziales) und Jochen Becker (Schule) beide auf ihren Ruhestand zusteuerten.Zudem sei es angesichts der Zukunftsaufgaben in Hagen geboten, die Bereiche Umwelt und Verkehr enger miteinander zu verzahnen, meinen die Sozialdemokraten. Hier könnte sich die SPD – abseits allen Parteienproporzes – einen Grünen-Dezernenten vorstellen, so dass die Dezernenten-Riege in Hagen wieder um eine Person erweitert würde.
König vermisst zudem Gestaltungsspielräume für die Politik im Rat und in den Fachausschüssen. Der mangelnde Fortschritt sorge nicht nur bei den Parteien, sondern auch in der Bürgerschaft zunehmend für Unmut: „Die Unzufriedenheit mit den Lebensverhältnissen zieht ein schlechtes Image – auch überregional – nach sich und löst letztendlich Abwanderung aus“, sieht er die Stadt angesichts der permanenten Unterfinanzierung in einer Abwärtsspirale. Diese werde künftig durch eine über 50 Jahre anhaltende Dauerbelastung von 2,3 Millionen Euro für die Rückzahlung der Corona-Schäden noch weiter verschärft.
Gift für neue Stellenbesetzungen
Ähnlich kritisch blickt Rudel zudem auf die Gerbersmann-Strategie, die halbjährige Wiederbesetzungssperre bei freiwerden Stellen voll auszureizen, um die Personalkosten im Zaum zu halten.
„Personal ist der Flaschenhals für alles“, meint der SPD-Fraktionschef, „andere Kommunen agieren hier weitaus offensiver und fischen uns die guten Leute ab“, fordert er vorzugsweise für das Bauressort mehr Köpfe, um die drängenden Aufgaben im Straßen- und Brückenbau, im Wohnungsbereich sowie beim ISEK-Prozess überhaupt bewältigen zu können. „Andernfalls manifestieren wir den Stillstand“, seien vor allem befristete Verträge zusätzliches Gift, wenn man auf leer gefegten Personalmärkten gute Leute suche.
Um hier strategische Fortschritte zu erzielen und politische Impulse zu setzen, vermissen die Genossen aber auch versierte und erfahrene politische Protagonisten wie Jochen Riechel, Rainer Preuß oder Hans-Georg Panzer (alle Grüne) sowie die ausgeschiedenen CDUler Stephan Ramrath und Willi Strüwer.