Hohenlimburg. Die Hohenlimburger Altstadt ist ein architektonischer Schatz. Man kann ihn jeden Tag sehen, wenn man will. Eine Beobachtung vor Ort.

Irgendwie ist es mit der Hohenlimburger Altstadt wie mit dem Janosch-Klassiker „Oh, wie schön ist Panama“. Der Bär und der Tiger leben im Haus am Fluss, als eine Bananenkiste vorbeitreibt, auf der „Panama“ steht. Betört vom Geruch der Kiste machen sich die beiden auf, Panama, das Land ihrer Träume zu finden. Bis eine Krähe sie nach langer Suche auf einen Baum unmittelbar vor ihrem eigenen Haus lockt und sie aus der Höhe der Baumkronen ihr Paradies „Panama“ sehen – dabei ist dies der Ort, an dem sie immer gelebt haben. In Hohenlimburg kann man, wenn man bereit ist, genau diesen Panama-Moment erleben. Auf dem Bahnsteig am Bahnhof.

Blickpunkt Freiheitsstraße: wunderbare Wilhelminische Fassaden.
Blickpunkt Freiheitsstraße: wunderbare Wilhelminische Fassaden. © WP | Michael Kleinrensing

Der Blick Richtung Letmathe. rechts die Untere Isenbergstraße, links der Blick in die Herrenstraße. Wenn man hier in der Gegend nicht wohnt und nur gelegentlich herkommt, sieht man, was Alteingesessene vermutlich nicht mehr sehen: die Unberührtheit der Architektur in der Hohenlimburger Altstadt.

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Die Heimatpfleger Michael Eckhoff und Widbert Felka haben sich ihr einmal detaillierter angenommen. In einer Ausarbeitung „Jugenstil und mehr in Hagen“ schreiben sie: „Entstanden unterhalb des Burgbergs an einer Lenne-Querung im Verlauf der heutigen Stennertstraße, weist der Ortskern nach wie vor eine Baugestalt mit „Altstadt-Charakter“ auf. Abgesehen von älteren Fachwerkhäusern (teilweise aus dem 18. Jahrhundert) rund um den Marktplatz und von den Nachkriegsbauten sind es vorrangig Miets- und Geschäftshäuser aus der Ära um 1870/1910, die das Stadtbild prägen.“

Mehrere Stilentwicklungen

In Hohenlimburg lässt sich demnach die innerhalb des Historismus übliche Abfolge der Stilentwicklung ablesen. Historismus war und ist nichts anderes als die Rückbesinnung auf Stilrichtungen vergangener Jahrzehnte. Das Schloss Neuschwanstein ist ein Beispiel dafür. Es ist erst 130 Jahre alt, ist aber Sinnbild für eine romantische Verklärung des Mittelalters. Achtung, jetzt wird es wissenschaftlich, aber eigentlich nicht unverständlich: Um 1895 kam der neue Jugendstil auf, der dann vom Stilpluralismus vereinnahmt wurde. Das heißt vereinfacht: verschiedene Stilrichtungen galten plötzlich als zeitgemäß. Erlebbares Beispiel: die Hohenlimburger Altstadt.

Blickpunkt Untere Isenbergstraße: Stuck und Figuren zieren den Giebel. 
Blickpunkt Untere Isenbergstraße: Stuck und Figuren zieren den Giebel.  © Heinz-Werner Schroth | Heinz-Werner Schroth

Zu den bemerkenswertesten Objekten südlich der Bahnstrecke gehört ein ehemaliger Tabakwaren-Pavillon, Herrenstraße 18, als dessen Entstehungszeitpunkt das Jahr 1906 genannt wird. Der Architekt, Martin Fahning, habe sich, heißt es, mit diesem Jugendstil-Fachwerk-Kleinod an der Pariser Weltausstellungsarchitektur von 1900 orientiert. „Quasi direkt hinter dem Pavillon, Herrenstraße 20-24/Jahnstraße, befindet sich außerdem der vornehmlich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtete Fabrikkomplex einer Drahtweberei samt Federnwerk (C.M. Pieper & Comp., 1831 gegründet), ausgeführt als Backsteinbauten im romanisierendem Rundbogenstil, teils versehen mit Lisenen und Sheddächern“, schreiben Felka und Eckhoff. (Lesen Sie auch: Ermordet – In Hohenlimburg soll ein Platz nach Margot Stern benannt werden)

Ausbau des Werkhofs

Nur wenige Schritte vom Pavillon entfernt, am „Platz der 7 Kurfürsten“: die frühere Schlossbrauerei, damaliger Eigentümer: Carl Lücke, mit Gaststätte und Mietshaus, Herrenstraße 15/Ecke Kaiserstraße. „Der 1906/08 von Albert Loose errichtete Komplex erfreut den Betrachter nicht nur mit zahlreichen zeitgeisttypischen ,malerischen’ Details wie Bruchsteinsockel, Erker, Zwerchhaus, Zierfachwerk und Säulen, sondern auch mit floralen Jugendstil-Stuck-Verzierungen und mit der Figur des Gambrinus, des sagenhaften Erfinders des Bieres, im Giebel. Ab Mitte der 1980er-Jahre erfolgte der Ausbau zum Werkhof“, heißt es in der Ausarbeitung.

Industrielle Villen gebaut

Die von der Herrenstraße abzweigende Kaiserstraße gehört(e) zu den „besten Adressen“ Hohenlimburgs. Die hier befindlichen, oft in anspruchsvoller, neoklassizistischer und mitunter in jugendstilbeeinflusster Formensprache errichteten (Villen Kaiserstraße 27/29, 33, 54, Gumprechtstraße 3 und 5, Kolpingstraße 7 stammen aus der Zeit um 1910/1915. Sie wurden wohl allesamt von Otto de Berger entworfen. Ein zweiter Teil der Villenkolonie „unterm Schlossberg“ zieht sich das Wesselbachtal hinauf – postalisch: Neuer Schlossweg. Villen unter spätklassizistischem Einfluss (frühere Villa Kritzler) befinden sich hier wie Bauten mit Jugendstil-Zitaten. Die Industriellen-Villa Theis stammt von 1920/21. Architekt auch hier: Otto de Berger.

Der Giebel des heutigen Kulturzentrums Werkhof mit seinem Fassaden-Verzierungen.
Der Giebel des heutigen Kulturzentrums Werkhof mit seinem Fassaden-Verzierungen. © Heinz-Werner Schroth

Der Hohenlimburger Ortskern ist in den Weltkriegen – ganz im Gegensatz zur Hagener Mitte – kaum durch Fliegerbomben zerstört worden, weswegen die Baustile heute noch zu sehen sind. An jedem Tag.

In „Oh, wie schön ist Panama“ haben der Bär und der Tiger bis zuletzt nicht verstanden, dass das Land ihrer Träume ihre eigene Heimat ist. Manchmal braucht es die Ruhe, die Möglichkeit oder die Lust auf den anderen Blick.

Mitten in Hohenlimburg.