Hohenlimburg. „Minzi“ hat über 395.000 Follower auf Instagram. Seit zwei Jahren verteilt sie Lebensmittelgutscheine – und kommt aktuell nicht mehr hinterher
Eigentlich sollte es in dieser Geschichte darum gehen, wie sich „Minzis Atelier“ seit Eröffnung in der Hohenlimburger Fußgängerzone vor gut einem Jahr entwickelt hat. Doch plötzlich drängt ein anderes Thema hinein. Denn während des Gesprächs mit Minzi Aysel ploppen immer wieder Nachrichten auf ihrem Handy auf. Eigentlich nicht ungewöhnlich für jemanden, dem mehr als 395.000 Menschen allein auf dem Sozialen Netzwerk Instagram folgen. Ein persönliches „Hallo“ an die „Influencerin“ ist nur einen Klick entfernt. Doch dieser Tage sind die Anfragen häufig ernst: viele Menschen bitten um Hilfe.
Tausende Nachrichten erreichen Hohenlimburgerin
„Liebe Minzi, ich möchte nicht betteln, aber ich wollte für meine Töchter fragen, ob du für uns einen Gutschein hast“, schreibt eine Frau. „Ich bin gerade von meinem gewalttätigen Mann getrennt, der mich geschlagen hat vor den Kindern.“ Eine andere Frau schreibt, sie befinde sich im Mutterschutz und habe daher gerade wenig Geld. „Am Auto war auch die Steuerkette kaputt, sodass wir kein Erspartes haben.“ Eine Andere sagt, sie sei Schülerin und habe keine Eltern, die sie finanziell unterstützten – „und bei den Preissteigerungen weiß ich nicht, wie ich noch einkaufen gehen soll.“
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Tausende solcher Nachrichten bekomme sie, sagt Minzi. Dazu immer wieder Bilder von leeren Kühlschränken. Es schreiben Menschen aus Berlin wie aus dem Rheinland oder von der Grenze zu Frankreich. Hohe Reichweiten im Internet machen es möglich. Und irgendwie steckt dahinter auch die Krux, die jeden begleitet, der sich und sein Privatleben in den Sozialen Netzwerken zur Marke macht.
Minzi kann längst nicht mehr alle Anfragen beantworten
Die Freundin von nebenan, die da auf dem Bildschirm zuwinkt, die versteht mich und kann mir vielleicht helfen – so mag der ein oder andere denken. Und trifft mit Minzi Aysel auf jemanden, den solche Hilferufe nicht kalt lassen. Seit zwei Jahren kauft sie Gutscheine für Lebensmittel-Discounter und verteilt diese kostenlos an Menschen, die finanziell in Nöten sind. Die Leute, die ihr in den Sozialen Netzwerken folgen, kennen diese Aktion. Längst schaffe sie es aber nicht mehr, alle Anfragen zu beantworten. „Wir kommen nicht mehr hinterher.“
Kam vor zwei Jahren noch eine überschaubare Zahl an Rückmeldungen, sei der Ansturm heute enorm, beobachtet auch ihr Mann Okyay Gökbas. „Leider muss deshalb bei den Anfragen mehr selektiert werden als früher. Ist die Person zum Beispiel alleinerziehend oder hat sie einen Partner? Mit Partner schafft man es besser.“ Dass solch öffentliche Hilfsaktionen nicht nur Menschen anspricht, die wirklich in finanzieller Not sind, sei ihnen bewusst. „Natürlich gibt es auch schwarze Schafe. Ich frage mich nur, was man mit einem Lebensmittelgutschein für 20 Euro groß machen will.“ Erfahrungen in dem Bereich haben sie zu genüge, erzählt Minzi. „Zum Beispiel bat mich eine Frau um einen Lebensmittelgutschein und schickte dazu ein Bild von Google, das einen leeren Kühlschrank zeigt. Da kann man nur grinsen, aber auch das ist traurig.“ Unterm Strich wollen sie sich von solchen Beispielen aber nicht davon abbringen lassen, weiter zu helfen.
Geschäft in der Innenstadt läuft gut
Es passt für Außenstehende schwer zusammen, wenn Influencer, die ihr Geld auch mit dem Präsentieren von Produkten verdienen, solche Töne anschlagen. Und dass Minzi von zig Firmen kostenlos Kosmetik zugeschickt bekommt in der Hoffnung, dass sie diese in ihre Kamera zeigt, daraus macht sie keinen Hehl. Umso mehr wolle sie unterstreichen, dass hohe Reichweite nicht nur Geldverdienen bedeutet. Auch wenn der Onlineshop von „Minzis Atelier“ mit dem Verkauf von Deko, Schmuck und Teppichen gut läuft, sie zuletzt 200 Quadratmeter Lagerfläche zusätzlich in der Hohenlimburger Innenstadt angemietet haben: Sie kennen es anders, sagt Okyay Gökbas.
„Auch wir hatten Zeiten, als wir Ende des Monats kein Geld hatten und es nicht gereicht hat. Wir wissen, wo wir herkommen – und dass wir da jederzeit wieder hinkommen können.“