Hagen. Coronabedingt gab es in Hagen zuletzt keine vertrauliche Spurensicherung nach sexuellen Übergriffen – jetzt zeichnet sich eine Lösung ab.
In den vergangenen zwei Jahren mussten Opfer einer Vergewaltigung bis nach Herdecke oder Schwelm fahren, um eine vertrauliche Spurensicherung in Anspruch nehmen zu können. „Frauen, die Opfer von sexuellen Übergriffen geworden sind, sind oft schwer traumatisiert. Es kann nicht sein, dass es in Hagen kein entsprechendes Angebot gibt“, betont Kirsten Pinkvoss, Vorsitzende des Frauenbeirats. Die vertrauliche Spurensicherung ermöglicht es Opfern sexueller Gewalt, Beweise sichern zu lassen, ohne direkt Anzeige zu erstatten. Auf die Beweismittel können sie später zurückgreifen, wenn sie sich umentscheiden sollten und den Übergriff doch zur Anzeige bringen möchten.
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Lösung gefunden nach gemeinsamen Gesprächen
„Uns wurden zuletzt zwei Fälle gemeldet, in denen Frauen in andere Städte fahren mussten. Die Frauenberatungsstelle hat das Problem daraufhin an uns herangetragen und wir haben umgehend den Kontakt zu allen Beteiligten gesucht“, blickt Pinkvoss zurück. In den Krankenhäusern arbeitet man – in enger Abstimmung mit der Beratungsstelle – nun daran, die vertrauliche Spurensicherung wieder aufzunehmen. „Nach den gemeinsamen Gesprächen sind wir optimistisch und froh, dass eine Lösung gefunden werden konnte. Es handelt sich dabei um ein Grundrecht der Frau“, sagt Susanne Deitert, Leiterin der Frauenberatungsstelle.
Beweismittel sichern
Der Hintergrund: Ohne eine Strafanzeige bei der Polizei werden Tatspuren im Regelfall nicht gesichert – und stehen damit auch nicht zur Verfügung, wenn eine Frau sich zu einem späteren Zeitpunkt dazu entscheidet, den Täter anzuzeigen. Eine mündliche Aussage des Opfers reicht für eine Anklageerhebung oft nicht aus. Und somit auch nicht für eine Verurteilung.
Das Land NRW hat daher bereits vor Jahren ein bedarfsorientiertes und flächendeckendes System zur vertraulichen Spurensicherung aufgebaut, das Betroffenen schnelle Hilfe ermöglichen soll – und neben der Diagnostik und Therapie auch eine „gerichtsfeste“ Dokumentation umfasst. Ein Fehlen der gerichtsfesten Beweismittel kann im Extremfall einen späteren Freispruch zur Folge haben. Die Spuren werden bis zu zehn Jahre vertraulich im Institut für Rechtsmedizin in Essen gelagert. Wenn innerhalb dieser Zeit keine Anzeige erstattet wurde, werden sie vernichtet.
Schulung für Mitarbeiter an den Pforten
Das Allgemeine Krankenhaus Hagen (AKH) und das Evangelische Krankenhaus Hagen-Haspe bieten seit 2016 die anonyme Spurensicherung an. „Allerdings ist hier, wie in einigen anderen Bereichen der Gesundheitsvorsorge, der Prozess bedingt durch Coronapandemie und Personalwechsel aus dem Fokus geraten“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme beider Häuser. „Dies bedauern wir sehr. Daher sind wir nun dabei, den Prozess zu reaktivieren und unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen noch einmal zu sensibilisieren.“
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In der Vergangenheit hätten bereits Schulungen, die von einem Gerichtsmediziner begleitet werden, in den Kliniken stattgefunden. „Jetzt ist eine weitere zur Auffrischung geplant“, so Eva Gerz, Fachbereich sexualisierte Gewalt und Ansprechpartnerin für vertrauliche Spurensicherung. „Zusätzlich sollen die Mitarbeiter an den Pforten geschult werden. Dort muss man sensibel mit dem Thema umgehen und Bescheid wissen“, so Gerz. In Hagen handle es sich glücklicherweise um Einzelfälle, in denen das Angebot in Anspruch genommen wird: „Aber es gibt sicher eine Dunkelziffer.“
Die entsprechenden Testkits für die Spurensicherung stellt die Frauenberatungsstelle den Krankenhäusern zur Verfügung. „Es wurden bereits drei an jedes Krankenhaus abgegeben“, so Gerz. Für die Krankenhäuser sind die Kits kostenlos, die Kosten für die Schulungen werden vom Land übernommen und müssen über das Netzwerk „GESINE“, das die Spurensicherung koordiniert, beantragt werden.
Anlaufstelle nach Untersuchung
Allerdings, so die Krankenhäuser, seien immer noch strukturelle Fragestellungen wie zur Finanzierung der mindestens einstündigen Untersuchung/Dokumentation ungeklärt, die aktuell nicht in Gänze sichergestellt ist. „Gesetzlich ist es bereits verankert, dass die Kosten von der Kasse übernommen werden. Jetzt warten wir auf die Umsetzung“, betonen die Mitarbeiterinnen aus der Frauenberatungsstelle.
Geregelt hingegen sei jedoch nicht – bundesweit – wie es für die Betroffenen nach einer solchen Spurensicherung weitergeht. Susanne Deitert betont: „Wir sind hier in Hagen sehr gut vernetzt. Den Testkits liegen auch unsere Infobroschüren bei – auch in einfacher Sprache – und die Frauen können sich jederzeit bei uns melden und hier in unserem traumaerfahrenen Team Unterstützung erhalten.“